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Herausgeputzt erwartete Ann Turner ihren Gast, ein kaum gealterter, wunderschöner, fetter Engel. Sie war auf Wehmut geschminkt mit einer kleinen abwärts führenden Schattenverlängerung an den Mundwinkeln. Im Verkehr mit den Frauen der Dukes und Earls hatte sie sich die Allüren einer großen Dame angeeignet. Gutmütig und durchaus ladyhaft empfing sie Overbury, mit frommen Augenaufschlägen nicht sparend. Die Feindlichkeit ihrer letzten Begegnung schien sie vergessen zu haben.
»Sie wollten mich allein sprechen, Sir Thomas? Wir sind allein.«
»Ich danke Ihnen, daß Sie mich empfangen haben, Mistris.«
»Sie werden begreifen, daß ich gezögert habe. Eigentlich betrüge ich meinen Mann – – –«
»Oh! Fürchten Sie keinen Kniefall von mir, Mistris! Ich bringe keine Rosen ... Leider!«
»Also nur Dornen?«
»Nicht für Sie, Mistris. Aber freilich: einen Dorn bringe ich. Einen großen eisernen Dorn ... Kennen Sie diesen Nagel?«
»Nein.«
»Wirklich nicht?«
»Wie kennt man einen Nagel? Nägel haben Köpfe aber keine Gesichter. Es gibt zu viele Nägel in der Welt ... Was ist es damit?«
»Woran starb Master Turner, Ihr erster Gatte?«
»An Herzschwäche. Was hat der Nagel damit zu tun?«
»Ich hielt neulich den Schädel Master Turner's in der Hand. Im Hinterhauptbein steckte dieser Nagel.«
»Sind Sie ein Maulwurf, Sir? Wühlen Sie auf dem Kirchhof herum?«
»Das tut der Totengräber, Mistris. Doch der sah den Nagel nicht; – nur ich sah ihn und begriff, was das bedeutet.«
»Und was bedeutet es? ... Sie halten mich wohl gar für eine – – –!!«
»Nicht Sie, Mistris ... Aber den Mann, mit dem Sie leben, halte ich für den Täter!«
»Sie hassen ihn, weil er Ihren Schwager tötete.«
»Ich gebe zu, daß mich das nicht milde gegen ihn stimmt. Übrigens hassen Sie ihn auch.«
»Wen? Helways? Warum nicht gar! Wir leben wie Turteltauben. Er tut mir jeden Gefallen.«
»Weil er Sie fürchtet! ... Und ihm wiederum tut Northampton jeden Gefallen, weil er ihn fürchtet.«
»Gehn Sie doch zum alten Earl und sagen Sie ihm das! Ich bin neugierig, was er Ihnen antworten wird!«
»Erleichtern Sie doch Ihr Herz, Mistris Turner! Seit soviel Jahren tragen Sie die Last, – befreien Sie sich doch davon!«
»Damit Sie meine Freunde an den Galgen bringen?«
»Sind es denn Ihre Freunde?«
»Sie mögen recht haben ... Ich muß mich befreien – die Last ist unerträglich ... Ja, es ist so, wie Sie vermuten.«
»Also doch! ... Und der Nagel war das Mordwerkzeug!«
»Das habe ich nicht gesagt. Davon weiß ich nichts. Denn als Doctor Turner starb, lag ich krank zu Bett und habe keine Erinnerung an jene Zeit ... Nein, das andere, was Sie vermuten, ist richtig: ich hasse die beiden, Helways und Northampton. Wie sehr ich die beiden hasse, werde ich Ihnen beweisen, meine Puppen werden es Ihnen beweisen ... Kommen Sie, Sir Thomas, ich führe Sie hin.«
»Wohin, Mistris?«
»In meine Puppenkammer ... Sie denken, Sir, ich sei kein solches Kind mehr, daß ich noch mit Puppen spiele? Oh! ich spiele gern mit Puppen!«
»Das ist schwer zu glauben ...«
»Warum? Mein Beruf bringt es so mit sich. Sie wissen doch, daß ich Putzmacherin bin. Ich entwerfe neuartige Kleider und bekleide kleine Wachspuppen damit. Was ist weiter dabei! ... Meine Puppen sind allerdings keine gewöhnlichen Puppen und werden Ihnen vielleicht Fragen beantworten, die ich nicht beantworten kann ... Kommen Sie, Sir! Dort will ich Ihnen auch die zwei Nesselhemden zeigen, die ich für Helways und Northampton genäht habe!«