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Zwei Tage nachdem Overbury den Nagel gefunden hatte, klopfte es frühmorgens an Car's Tür. In einem Frisiermantel aus weißem Atlas saß Car vor einem hohen Toilettenspiegel; hinter ihm stand der Haarkünstler Seiner Majestät – eben damit beschäftigt, ihn zu rasieren, ihm die kastanienbraunen Locken und das winzige Flaumbärtchen unter der Griechennase zu kräuseln. Car befahl, den Klopfenden einzulassen.
Herein tänzelte William Fowler, der kleine pausbackige Sekretarius der Königin, befrachtet mit einem gewaltigen Rosenstrauß und einem kalligraphisch geschriebenen Poem. Mehr als feierlich reichte er beides Car hin – genau mit dem gleichen Gehaben, wie er vor zehn Jahren Sir Steffen Leyburne Rosen und Poem überreicht hatte. Und mit absonderlichen Floskeln – beinahe wörtlich wie damals – bat er, die Blumen als einen Morgengruß und Segenswunsch seiner hohen Herrin entgegenzunehmen, als ein Wahrzeichen dafür, daß Ihre Majestät einverstanden sei mit dem Aufstieg des strahlenden Meteors am Himmel von Whitehall.
Darauf trug er sein Poem vor:
Von Chariten aufgewiegelt,
Steigt der König aus den Kissen,
Um zu fechten, wo Narzissen
Blühn und wo Narziß sich spiegelt.
Echos Schlappe wird besiegelt,
Wasserspiegelung zerschlissen
Durch des Königs Sieg, – entrissen
Echos Schwarm, sein Glück entriegelt.
Töne spiegelt Echo, ächzt,
Spiegelt Schall zurück, wenn nächtens
Unke ruft und Käuzchen krächzt:
›König, Tugendspiegel, rechtens
Siegtest du!‹ ... Und sie verlechzt,
Müde ihres Spiegelfechtens.
Der Haarkünstler hatte seine Arbeit vollendet und wurde entlassen.
Die Zurückhaltung, die Car sich in Gesprächen mit Overbury aufzuerlegen pflegte, schien ihm angesichts des komischen kleinen Schreibers nicht vonnöten zu sein. Allein geblieben mit ihm, ließ er sich gehn und zeigte sich in seiner unverhüllten Eitelkeit.
»Echo ist also meinethalb verlechzt? Das heißt doch wohl verreckt?«
»Echo ist kein Pferd, Euer Gnaden.«
»Alle Frauen sind Stuten, Master Fowler. Die Welt ist ein Gestüt für uns Hengste. Meinen Sie nicht auch? ... Ich wenigstens habe die Erfahrung gemacht. Ich bin ein Frauenkenner, Master Fowler. Echo ist nicht die einzige, die aus Liebe zu mir verlechzt oder verreckt ist ... Übrigens irren Sie, wenn Sie glauben, Echo sei tot; – die gute Nymphe lebt ganz vergnügt.«
»Echo?«
»Zuweilen kommt sie nachts oder in der Morgendämmerung und macht mir durchs Fenster eine Liebeserklärung. Frage ich sie nach ihrem Namen, so antwortet sie: ›Ich bin die Nymphe Echo! ...‹ Es muß eine der Hofdamen sein. Können Sie mich auf die Fährte bringen, wer das wohl sein mag?«
»Haben Euer Gnaden sie gesehn?« »Sie läuft davon, wenn ich mich zum Fenster hinausbeuge. Nachts, und noch dazu aus dem hochgelegenen Zimmer in den Garten hinab, würde ich schwerlich ein Gesicht erkennen können; – abgesehn davon, daß mir nur wenige Gesichter – vom Turnier her – bekannt sind ... Einmal, es war vielleicht fünf Uhr morgens, sah ich sie davonrennen; und das muß ich sagen, Beine sah ich – zum Anbeißen! Das Wasser lief mir im Munde zusammen.«
»Vielleicht war es eine Gärtnerstochter, Euer Gnaden?«
»Ich bin ein Frauenkenner, Master Fowler: Schweinefleisch und Wildpret verwechsle ich nicht ... Könnte es nicht Lady Arbella Stuart sein?«
»Barmherziger Gott! Jede andere eher als die!«
»Aber sie ist doch eine Allerweltshure. Das weiß man doch.«
»Der Himmel verhüte ...! Wer hat Euer Gnaden das gesagt?«
»Viele ... Ich bin weit im Lande herumgekommen, lieber Mann, und habe erfahren, was man hier nie erfuhr. Diese Lady Stuart ist als Kind von einem gewissen Murdac vergewaltigt worden. Dann hat sie sich vom Lord Seymour entführen lassen. Dann war sie ein Königsliebchen. Und jetzt teilt sie das Bett des Prinzen Hal und betrügt ihn mit ihrem Galan Lord Harbert ...«
»Barmherziger Gott! So spricht man im Lande von ihr?«
»Genau so, wenn nicht noch schlimmer.«
»Und ich versichere Euer Gnaden: sie ist die reinste und edelste Frau, die je in Britannien gelebt hat! ... Nie und nimmer würde sie durchs Fenster mit Euer Gnaden sprechen!«
»Sie kränken mich, Master Fowler! Vergessen Sie nicht: alle Frauen sind Stuten. Und gottlob bin ich ein hübscher Hengst. Mir ist noch nie eine Frau begegnet, die sich nicht auf den ersten Blick in mich verliebt hat. Einen Kuß hat mir noch nie eine Frau oder ein Mädchen verweigert.«
»Das glaube ich Euer Gnaden gern. Doch Lady Arbella ist nicht eine Frau oder ein Mädchen wie andere ...«
»Sondern?«
»Eine Göttin! Sie ist das achte Wunder der Welt! ... Oh! und wie unnahbar! Nicht einmal die Hand ihr zu küssen hat sie mir je gestattet, – mir, der ich siebzig Sonette auf sie gedichtet und in kalligraphischer Abschrift ihr überreicht habe ...«
»Dümmeres konnten Sie nicht machen, Master Fowler! ... Was wetten, daß sie mich küssen wird!«
»Ich halte die Wette! Ich wage meine Goldbörse, Euer Gnaden! Allzu sicher weiß ich, daß Euer Gnaden die Wette verlieren wird!«