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An einem Junimorgen erblickten Fischer unweit des Städtchens Richmond ein Boot, das ruderlos und führerlos die Themse hinabtrieb. Darin lag die Leiche eines schönen jungen Kavaliers und neben der Leiche ein Damenhut – schmucklos, aus geschwärztem Strohgeflecht, wie die Frauen und Töchter der Puritaner damals zu tragen pflegten. Ein kleines, noch nicht flügges Käuzchen saß unter dem Strohhut.
Die Fischer schafften das Boot nach London und benachrichtigten den gefürchtetsten aller Polizeibeamten, Serjeant (d.h. Scherge) Ranulph Crew, den Hexenfinder Englands. Ein ansehnliches Vermögen hatte dieser mit der Hexenriecherei erworben, denn nicht alle Hexen und Hexenmeister waren so bettelarm, daß sie durchaus sterben mußten ... Er konnte (freilich nicht umsonst) mitleidig sein, aber er konnte auch sieben arme Hexen zugleich an einen Baum hängen, – was immerhin billiger war, als einen Holzstoß zu schichten. Es ging auch schneller.
Und schnell auch pflegte Serjeant Crew eine Spur zu finden, dann und wann sogar die richtige. In kürzester Zeit stellte er fest, daß der Tote im Boote Sir Steffen Leyburne sei. Mehr aber als mit dem Toten beschäftigten sich seine Gedanken mit der Lebenden, der der Strohhut gehörte. In seiner Knabenzeit war seine Einbildungskraft vielleicht verschiedene Wege gegangen, seit vierzig Jahren ging sie – wie ein Pferd in einem Bergwerk – immer nur einen Weg. Blitzschnell kam die Erleuchtung über ihn: der Damenhut konnte nur einer Hexe gehören! Einer Hexe, die in Gestalt eines Puritanermädchens den ahnungslosen Jüngling ins Verderben – zum Teufelsabendmahl, zum Sabbat, zur Hexenhochzeit – gelockt hatte!
Welche Aussichten, welche Möglichkeiten! Bislang hatte Serjeant Crew nur in entlegenen Dörfern und Weilern Hexenfang getrieben. In London war seit fünfzig Jahren – seit dem Feuertod der Lady Jane Douglas, Lady Glamis, – keine Hexe mehr gerichtet und hingerichtet worden. Solchem Notstand abzuhelfen – welch ein mühewertes, lohnreiches Ziel. Hatte doch der gelehrte König James vor kurzem erst sein berühmtes Werk gegen die Hexen veröffentlicht, dessen Titel lautete: »Daemonologie, a prose treatise denouncing witchcraft and exhorting the civil power to the strongest measures of suppression.« Unter anderem gab Seine Majestät in diesem Buch als empfehlenswert an: den Hexen, bevor man sie verbrenne, sämtliche Nägel an den Händen und Füßen auszureißen!
Wenn also kein Geringerer als der König die Hexerei an den Pranger stellte – sie denunzierte – und sie aufs strengste zu unterdrücken anbefahl, so durfte sicherlich Serjeant Crew für einen Londoner Scheiterhaufen fürstlichen Dankes gewärtig sein. Nicht daß er völlig an die in ein Puritanermädchen verwandelte Hexe glaubte, wenn er auch seinen Unterbeamten und seinem eigenen Zweifel gegenüber diese These verfocht. Ob wahr, ob unwahr, darauf kam es ihm nicht an, sondern darauf, daß er endlich in die Lage versetzt war, unter der aufsässigen, selbstbewußten, auf freiheitliche Rechte pochenden Bevölkerung Londons eine Razzia zu veranstalten. Bei dem großen Fischfang, den er rüstete, hoffte er nicht nur armselige Zauberweiber, sondern vor allem den rätselhaften unauffindbaren Magier Doctor Forman ins Netz zu bekommen. Wie eine persönliche Kränkung empfand es Serjeant Crew, daß Doctor Forman, dessen Name zuweilen mit Scheu wie der eines Appolonius von Tyrus, eines Cyprian, eines Faustus genannt wurde, sich nicht längst freiwillig hatte fangen, rädern, schmoren oder hängen lassen. Eingetragen war ja der Name Doctor Forman längst in des Schergen Totenbuch, in der Rubrik der Verdächtigen.
Ganz aus der Luft gegriffen war übrigens die Vermutung nicht, bei Leyburne habe eine Hexe im Boote gesessen. Denn eine Kröte oder eine weiße Katze oder ein Käuzchen werden vom Teufel denen, die einen Pakt mit ihm schlossen, verliehen, damit sie sich unsichtbar machen und zur Bockswiese fliegen können. Kein Zweifel, das Käuzchen unter dem Strohhut war ein Geschenk des Teufels.