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Der Pfarrer vom Kalenberg (um 1340)

Die gerechte Teilung.

Kam eines Tages ein Student
Über den Fischmarkt hingerennt,
So schnell Studenten eben laufen.
Da sah er stehn in großen Haufen
Wohl beide, Männer und auch Frauen,
Die täten einen Fisch beschauen.
Doch weil er groß gar ungeheuer,
So schien er jedem viel zu teuer,
So daß ihn keiner kaufen wollte.
Da dachte der Student: Ich sollte
Doch selber kaufen diesen Fisch;
Er ziert wohl eines Fürsten Tisch.
Dem Fischer er das Geld hinzählt,
Darauf ein Träger ward bestellt,
Der ihm den Fisch da tragen sollt,
Zum Fürsten Otto mild und hold.

So kam er hin, wo mit den Herrn
Der Fürst zu sitzen pflegte gern.
Er klopfte leise an die Tür,
Der Türwart sah sogleich herfür
Und sprach: »Was bringst du, guter Mann?
Das sollst du mich gleich wissen lan.«
Dies Wort schuf dem Studenten Zorn.
»Zum Fürsten will ich, hochgeborn.«
Der sprach: »Ich lass' dich nicht hinein,
Du gibst mir denn das Treuwort dein,
Daß du willst teilen mit mir eben,
Was dir der Herzog nun wird geben.«
Sprach der Student: »So soll es sein.
Da du nicht willst mich lassen ein,
So schwör ich dirs mit einem Eid,
Es sei mir lieb da oder leid,
Was darum gibt der Herzog mir,
Das will ich teilen gern mit dir,
Du magst des wohl versichert sein.
Nun laß mich zu dem Fürsten ein.«

So kam er denn zum Fürsten gut,
Da dachte er in seinem Mut,
Was er von ihm erbitten wollt,
Er achtet Silber nicht noch Gold.
Der Herzog, als den Fisch er sah,
Zu dem Studenten sprach er da:
»Willkommen sei mir, lieber Mann,
Nun sage dein Begehren an.«
Und vor dem Herzog er sich neigt,
Wie einer, der nach Gnade steigt.
»Ich bitt euch, edler Fürsten Zier,
Nehmt das Geschenk hier an von mir.«
Der Herzog sprach: »Was du begehrt,
Das sei dir allezeit gewährt.«
»Um eine Gnad, Herr, bitt ich euch,
Gewähret sie mir alsogleich,
Allhier und auch zu dieser Stund.«
Der Herzog sprach mit mildem Mund:
»Was ist die Sache? eilends sprich.«
Er sprach: »O Herr, laßt binden mich
An Füßen und an Händen schnell,
Weil ich mir solches Los erwähl;
Und wills auch hier nicht anders haben,
Und heißt zwei starke, junge Knaben
Her zu mir gehn und ohne Fragen
Mit Stecken mich gar heftig schlagen.«
Der Herzog sprach: »Das tu ich nicht,
Weil dein Begehr mir nicht entspricht.
Du tatst uns große Ehre an,
Warum soll ich dich schlagen lan?
Das wär doch gar ein große Schand.«
»Ei, Herr, das gilt doch nicht eu'r Land.
Laßt nur die Sache vor sich gehn,
Daß ich mit Wahrheit mög bestehn.«
Der Herzog sprach: »Sei es getan!«

Zwei Knaben rief er nun heran,
Die waren nicht zu jung an Jahren,
Denn beid von guter Stärke waren.
Die haben den Student geschlagen.
Nun merket auf, was ich tu sagen.
Als alles das nun so geschah,
Sprach zum Student der Herzog da:
»Nun sage mir zu dieser Frist,
Was deine Absicht dabei ist.«
»O gnädger Herr, gar wohl getan,
Als ich zu euch herein wollt gan
Und da ich vor die Türe kam,
Der Türhüter es gleich vernahm,
Daß ein Geschenk ich euch gebracht!
Gar bald hätt er sich da bedacht.
Er sprach zu mir: Du kannst nicht ein,
Du gibst mir denn die Treue Dein,
Daß, wenn dir etwas schenkt der Fürst,
Du treulich mit mir teilen wirst.
Ich konnt mich seiner nicht erwehren
Und mußte einen Eid ihm schwören,
Zu halten das Versprechen mein.
Darnach erst führt er mich herein.
Ihr edler Fürst, so hochgeehrt,
Es sei mir nun von euch gewährt,
Was ich von euch empfangen habe,
Geteilet werde recht die Gabe
Sogleich mit dem Türhüter hier;
Wird ihm ein wenig mehr als mir,
So ist daran nicht viel verloren.«

Da sprach der Herzog hochgeboren
Zu dem Türhüter zornig schier:
»Sag an, wer hat befohlen dir,
Daß du die Leute schätzen tust,
Fürwahr, dies du entgelten mußt.«
Vor Scham der Türwart wurde rot,
Er dachte, das wär schier sein Tod;
Er sprach: »O Gnad mir armem Mann,
Ich hab die Red im Scherz getan.«
Der Fürst sprach: »Es gefällt mir wohl,
Die Gab man mit dir teilen soll,
Man soll dirs billig nicht versagen.«
Da wurde er denn sehr geschlagen
Und ihm sein Leib also zerbleuet,
Daß ihn die Rede hat gereuet.
Doch mußt er seinen Teil auch tragen.
Der Fürst tät den Studenten fragen:
»Nun sag mir, Lieber, wer du bist,
Und weiter, was dein Handwerk ist?«
Sprach der Student mit offnem Sinn:
»Ein Schüler, gnädger Herr, ich bin,
Ich wollte gerne Priester sein,
Doch meine Güter sind zu klein.
Drum, edler Herr, der Fürsten Zier,
Helft in den Priesterorden mir.
Um Gott, versagt mir das nicht heut,
Daß ich zum Priester werd geweiht.
Ich bet für euch wohl Tag und Nacht.«
Der Fürst sich da nicht lang bedacht:
»Du hast dich nicht an mir geirrt,
Die nächste Pfarr, die ledig wird,
Und die ich hab in meinem Land,
Die werde ganz dir zuerkannt.«

(Z.)


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