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Armin Werherr (Michael Werner: geb. 1838)

1. Guter Rat.

Ein Donnerwetter schlage drein
In dieses Miserere!
Der Teufel mag Philister sein!
Das Fraungekeif, das Kinderschrein
Und all die tausend Plackerein
Von früh bis in die Nacht hinein:
Ich hab es satt auf Ehre.
Komm Hut! Komm Stock! wir reißen aus.
Adje! Lebwohl, Philisterhaus!
Juchhe!

Fort aus dem engen, dumpfen Tal!
Hinauf die höchsten Berge!
Im Rücken weit all Sorg und Qual
Bad ich mich jung im Sonnenstrahl,
Fühl' wieder stark mich wie von Stahl
Und lache hoch vom Himmelssaal
Auf all die Menschenzwerge.
Kühn überflieg ich selbst den Aar –
Was kost't die Welt? Ich zahl' sie bar.
Juchhe!

Doch Zeit wird 's nachgerade jetzt,
Daß ich der Heimat denke.
Die Füße brennen mattgehetzt,
Der Flaus ist staubig und zerfetzt,
Der letzte Goldfuchs wird versetzt
Und noch einmal der Hals genetzt,
Dann kehrt euch, marsch! – Ich schwenke.
Als Erzphilister zog ich aus,
Als flotter Bursch kehr' ich nach Haus.
Juchhe!

Drum merk' dir, Jud', Türk oder Christ,
Was ich erfahren habe.
Wenn Rost dir an der Seele frißt,
Daß du beinah vergißt,
Ob du ein Mensch, ein Mondkalb bist,
Dann merk', daß höchste Zeit es ist
Und greif zum Wanderstabe.
Hoch sei die Wanderei gelobt,
Ich hab sie an mir selbst erprobt.
Juchhe!

2. Wandlung.

Als ich verließ das alte Nest,
In dem ich saß so lange fest,
Fast wie in einem Kerker:
Im Wind ein weißes Tüchlein flog,
Grad als ich um die Ecke bog,
Zum Abschiedsgruß vom Erker.

Da fühlt' ich, daß ein gutes Stück
Von meinem Leben blieb zurück;
Im Auge mich was drückte.
Ein Mücklein, das verfehlt sein Ziel,
Mir dummerweis ins Aug wohl fiel,
Als ich mich seitwärts bückte.

Am ersten Tag ging's wie beim Schneck,
Gar langsam kam ich nur vom Fleck
Auf holprigen Geleisen.
Ich dankte kaum auf einen Gruß,
An jeden Stein stieß auch mein Fuß,
Es war ein schlimmes Reisen.

Schon flotter gings am zweiten Tag,
Rings Sonnenschein auf Erden lag,
Wußt auch ins Herz zu schillern.
Hell jubelierten Fink und Star
Und eh' ich's wurde recht gewahr,
Fing ich auch an zu trillern.

So fiel vom Misanthropentum
Mir täglich ab ein tüchtig Trumm,
Es platzte gar die Puppe.
Verwandelt war der alte Tor,
Ein loser Vogel kam hervor
Und dem war alles schnuppe.

Ein Schafkopf ist, der Sorgen trägt
Um Eier, die er nicht gelegt,
Laß laufen, Herz, laß laufen!
Ihr Herrn und Damen mit Vergunst,
Es ist doch alles blauer Dunst,
Um was die Leut sich raufen.

Drum lautet kurzweg mein Brevier:
Ein kühler Wein, ein frisches Bier,
Ein Kuß als Liebesspende;
Ein freies Lied und meine Ruh
Und etwas kleines Geld dazu
Bis an mein sel'ges Ende.

3. Die Weltordnung.

»Wie groß ist des Allmächt'gen Güte!«
Für alle ist der Tisch gedeckt.
Die Raupe frißt die Apfelblüte,
Der Spatz vergnügt das Räupchen schleckt.

Der Gockel führt die Schar der Hühner
Spazieren auf die grüne Au,
Da stürzt ein Geier ab, ein kühner
Und raubt ihm seine liebste Frau.

Im Weizenacker ist Freund Lampe,
Da hat ihn schon der Fuchs beim Frack,
Zu füllen seine leere Wampe,
Bricht er ihm schändlich das Genack.

Ein Käfer fällt vom Baum ins Wasser,
Gleich hat ein Fischlein ihn ertappt;
Da kommt ein Hecht, das ist kein Spaßer,
Und hat das Fischlein aufgeschnappt.

Der Mensch, der Herr der Erdenbürger,
Kommt gleich mit Flinte, Netz und Beil;
Ihm wird, dem größten aller Würger,
Was schwimmt und läuft und fliegt zum Teil.

»O wunderschön ist Gottes Erde«
Und der Geschöpfe Lebenslauf!
Daß alles satt und glücklich werde,
Frißt einfach eins das andere auf.

4. Lachende Erben.

Sollen wir die Köpfe hängen,
Weil verblüht die Rosen all?
Südlich jetzt mit süßen Sängen
Konzertiert Frau Nachtigall! –
Nehmt das nicht so sehr zu Herzen,
Denn der Schaden ist nicht groß,
Fällt uns doch, ihn zu verschmerzen,
Reiche Erbschaft in den Schoß.

Lustig rings die Böller knallen
Auf den weinbekränzten Höhn,
Und die Täler widerhallen
Von der Winzer Lustgetön.
Denn vor seinem sel'gen Ende
Hat der Sommer guterletzt
Uns in seinem Testamente
Als die Erben eingesetzt.

Seine reichen Schätze alle,
Die er mondenlang gespart,
In der Traube goldnem Schwalle
Sind sie sorgsam aufbewahrt.
Vogelsang und warmer Regen,
Rosenduft und Sonnenschein
Füllt die Winzerin mit regen
Händen jetzt in Kufen ein.

Sperrt uns auch der grimme Winter
Brummend dann ins enge Haus,
Machen wir uns gar nichts hinter
Einem warmen Ofen draus.
Perlt und schäumt es aus der Tonne,
Klingen Gläser fern und nah,
Schlürfen wir das Gold der Sonne
Und der Lenz ist wieder da.

Schwinden Wände nicht und Decke?
Rauschet nicht herein der Wald?
Singen nicht in jeder Ecke
Lose Vögel mannigfalt?
Scheint mit tageshellem Strahle
Nicht der Lampe traulich Licht?
Und entsteiget dem Pokale
Blumenduft berauschend nicht?

Ob auch draus der Nordwind brülle,
Wenig kümmert uns nur das.
Komm, o schöne Schenkin, fülle
Mir voll Sonnenschein das Glas!
Flüssig sei vor meinem Sterben
Noch die letzte Mark gemacht,
Meinen Erben dann die Scherben
Und dann, Brüder, gute Nacht!


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