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Johann Nepomuk Vogl (1802-1866)

Huhn und Hecht.

Zu Passau saß am Morgen der alte Propst allein,
Da trat zu ihm ein Diener geheimnisvoll herein:
»Verzeiht, daß ich Euch störe so früh am Tage schon,
Doch heischt die Pflicht, zu klagen, spricht man der Satzung Hohn.

Der Negerknabe, welchen in Japan Ihr gekauft,
Und den zu seinem Heile Ihr kürzlich hier getauft,
Der aß zum Morgenimbiß heut ein gebraten Huhn,
Obwohls an einem Freitag verboten ist zu tun.« –

»Ruf mir den Frevler, daß ich ihn strafe nach Gebühr!«
Und bald schritt auch der Neger herein zur Zimmertür.
Da spricht der Probst mit Zürnen: »Bekenn es offen nun:
Wie konntest du genießen am heutgen Tag ein Huhn?«

Doch dieser: »Wahrlich, nimmer hätt ich mich des erfrecht,
Auch war mein Morgenimbiß kein Huhn, es war ein Hecht.«
Der Diener drauf: »Ha, Frecher, der uns zu täuschen denkt,
Es war das Huhn, das gestern Hochwürden Euch geschenkt.«

»Es war ein Huhn von gestern? – Nun ja, da habt Ihr recht;
Doch als ichs aß, da war es kein Huhn, da wars ein Hecht!«
»Wie soll ich das verstehen?« der Propst verwundert spricht,
»In einen Hecht verwandeln kann doch ein Huhn sich nicht?«

»Und dennoch ists nicht anders«, nimmt jener drauf das Wort,
»Und sprech ich eine Lüge, so jagt sogleich mich fort;
War ich doch selbst vor kurzem ein Heide, blind und taub,
Und ohne Eure Milde der Finsternis zum Raub.

»Da gosset Ihr mir Wasser aufs Haupt mit eigner Hand
Und spracht: Von jetzt an, Ali, bist Ambros du genannt;
Und wie Ihr mir, dem Heiden, getan nach Christenbrauch,
Ei seht, so tat ich eben an jenem Huhne auch.

Bevor ichs aß, begoß ichs, und glaub mit gutem Recht,
Und sprach darauf zum Huhne: ›Jetzt, Huhn, bist du ein Hecht!‹
Und so als Hecht genoß ich das frühere Huhn sodann;
Darum verzeiht mir, wenn ich Euch nicht nach Wunsch getan.«

Wohl zieht sich da zum Lächeln des Propstes Angesicht:
»Für diesmal noch entrinnen magst du dem Strafgericht;
Doch laß in künftgen Fällen das Taufen mir allein,
Sonst dürft nicht sehr willkommen dafür mein Dank dir sein.«


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