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An Jakob Kneip

5. 10. 14

Mein lieber Jakob Kneip. Über die Kriegslage weiß man hier sehr gut Bescheid (ich glaube besser wie in den kriegführenden Ländern – weil man hier alle Stimmen hört). Die englischen und französischen Lügenfabriken flauen schon ab. Die Sympathie des Durchschnitts-Dänen ist bei den Alliierten. Sie können 1864 nicht vergessen. Nur wenige intelligente Leute und einige dänische Dichter stehn durchaus auf der germanischen Seite. Obgleich ich eigentlich »heim mußte«,bin ich hier geblieben. Nicht aus Furcht. Der allgemeine Mensch hat den Lebenszweck, in seiner Zeit sich selbst und anderen zu nutzen. Fallen Männer im Kriege, so haben sie ihren Zweck erfüllt. Der geniale Mensch aber ist nur der Eine aus Tausend. Er allein hat die Pflicht, immer uneigennützig, nie für sich selbst, immer für die Menschen und über seine Zeit hinaus zu wirken und die zukünftigen Söhne und Töchter zu beseelen und zu führen. So will denn ich nicht meinem Lande den kleinen Dienst erweisen, meine geringen Knochen zu opfern – sondern meinem Volke den größeren – ein Mehrer des geistigen deutschen Reiches zu sein.

Sela

Meine Produktion stockt seit längerer Zeit vollständig. Ursachen: Geistes-, Kriegs- und Geldmisere. Ich sitze ohne einen Pfennig hier. Schicken Sie mir doch bitte Geld, was Sie irgend können. Möglichst: telegraphisch. Schicken Sie mir bitte deutsche Bücher, Zeitschriften. Ich komme hier sonst um.

Anbei eine Anzahl vor einiger Zeit entstandener, neuer Gedichte. (9 Stück.) Der Don Juan ist dreiviertel fertig. Ich kann aber in der nächsten Zeit unmöglich weiterarbeiten. Ich habe eine Kriegsskizze (in Prosa) geschrieben: die Erstürmung eines Forts. Vgl. Seite 323 ff.: Die Festung. Wäre das irgendwo unterzubringen? Jetzt, schnell: Honorar! Honorar!

Bitte schnell Hilfe! (Es wird hier drückend.) Wären nicht 5 neue gute Zeichnungen von mir für etwa 70–100 Mark in Deutschland zu verkaufen? Wissen Sie nichts Genaueres von Dehmel?

G.

(Eingehendes Urteil über die Gedichte!!) Bald Nachricht.