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An Carl Seelig

2. Juli 18

Ja mein Lieber. – Liebe, dies ewige Thema! Was umfaßt es nicht alles in seiner Bedeutung: das Höchste und das Gemeinste, das Glück und das Unglück, Qual und Qual und Lust und Lust. Und dann diese erhaben schmerzliche Erkenntnis immer wieder in unsrem Erleben: daß wir (wir Kunstgeister) nicht so sind wie die anderen. Daß wir nie allein ganz Mensch nur sein können und dürfen. Sind wir nicht die vom großen guten All Besessenen? Wir lieben die Welt, weil wir müssen. Was ist denn Weibliebe? Doch nur ein Teilchen unserer größeren Liebe. Und doch will der Mensch in uns Mensch sein und sucht und fragt immer: wo bist du, Weib? So sind wir bestimmt, unter dem Gleichmaß des Tages zu leiden. Und dennoch: Erde-Leid sink hinab an unsern Füßen – wir stoßen immer wieder unsre Stirn durch Wolken in Himmel und Sonne.

Dir sag ich: lebe weiter, leide Glück und glühe Schmerz. Wolltest du dich vom Schmerze trennen – du würdest dich auch vom Glücke scheiden! Und wolltest du von beiden erlöst sein – so müßtest du ein Toter oder ein Gott sein. Uns aber hat der Gott auf die Erde gestellt unter den Himmel, um Mensch zu sein und Dichter.

Auch meine Liebe floß nicht gleichmäßig wie ein Strom. (Es wäre armselig und nicht gut.) Der Krisen und Auflösungen, Zweifel und Kaltsinnigkeiten genug, aber doch immer wieder Lösungen, Erlösungen, Bescheidungen und Ahnung und Hoffnung und Gewißheit um ein künftiges Glück. Wenn wir selbst nur wollen, kann uns ein Häuschen Säle bergen und ein paar Tage alle Himmel halten. Muß es nicht mitunter bergab gehen, damit man wieder aufwärtssteigen kann zu den Gipfeln? Und ich sage wieder, Dir und mir: sind wir nur Künstler? Wir wollen auch Menschen und menschlich sein!

(Mit einem Gedicht »Dorfabend«: Fenster schließen ...)


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