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23. Juni 17
Mein lieber Jakob!
Das fragliche Gedicht (»In der Fremde singt der Telegraphenmast«) sandte ich Dir im April–Mai. War wahrscheinlich auch nicht viel dran (ebenso wie das gestern abgeschickte »Mittags unterm Baume liegend«) – so daß es weiter kein Verlust ist. Hier habe ich nichts mehr davon. Für dein hübsch gedrucktes »Bekenntnis« (das also nun doch noch herauskam) herzlichen Dank. In ruhigen Stunden, die hier leider so selten sind, werd ich's lesen. Dante »Das neue Leben« (wie kommst Du gerade darauf!) kann man sich ruhig verkneifen. Aber: die Göttliche Komödie! Wieviel Schönheit ist selbst noch in der Übersetzung! Fegefeuer und Paradies – alle die Stellen: Dante mit Beatrice. Und der ganze riesenhafte Bau. Freilich: es ist das ganze Mittelalter darin! und mehr! – Aber über all das rein Historische muß man hinweglesen (es ging die Zeitgenossen an) und sich an die Musik der reinen poetischen Schönheiten (wovon genug darin!) halten. Wenn Du es ausgelesen, schick es mir bitte.
Es berührt mich immer eigen und macht mich ein wenig resigniert auf Augenblicke, wenn ich sehe, daß andere, daß auch Dehmel so stillschweigend an mir vorbeigehn. Ist bei mir nicht auch Liebe in der Arbeit zu spüren? Ich. meine es. Schweigen rundherum – bis auf Dich. Wie lange schon erfüllt mich das Gefühl, mit gebundenen Armen hier jahrelang in Erdlöchern zu vegetieren, mit Verdrossenheit. Wann kommt der Friede? Wann wird der Geist wieder frei! Wir liegen nun schon wieder 4 Wochen im Graben und hören noch immer nichts von Ablösung, trotzdem die Verluste hoch genug sind. Es ist ein elendes Leben hier vorn. Am 20. griffen mehrere Kompanien von uns an. Machten fast 200 Gefangene. Franzmann unternahm jedoch wenigstens ein halb Dutzend Gegenangriffe und nahm den Graben wieder. Mit bestem Gruß
Dein Gt.