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Rußland, 15. April 17
Mein lieber Jakob,
Dein letzter Brief war mir eine frohe Botschaft. Mein jetziger großer Abstand von Kunst- und Heimatdingen läßt mich das Ganze allerdings etwas nüchterner und kritischer, nicht so vor »Jugend überschäumend« wie Du, ansehen. Es handelt sich um den Plan (der von Lersch ausging), mit dem Verlag der »Westdeutschen Arbeiterzeitung« eine Buchreihe und eine Zeitschrift herauszubringen. Der Plan scheiterte. Verschiedene Fragen und Meinungen, die ich wegen natürlichen Mangels an Konzentrationsfähigkeit und Muße nicht weiter ausbreite, setze ich hierher.
Zunächst, Gewissensfrage: treibt der Katholizismus hinter der Werksache nicht geheime Politik? Was sind die Westdeutschen Arbeitervereine? Gelbe Gewerkschaften? Hüten wir uns vor engem Parteigetriebe! Daß wir Demokraten und Weltbürger sind und immer mehr werden wollen, wissen wir – weiterzugehen, der Sozialdemokratie sich mit Haut und Haaren zu verschreiben, verbietet uns unser höchstes Amt: die Kunst. Anknüpfungen vor allem (wie beabsichtigt) zu den ausländischen Blättern sind wünschenswert; aber nur soweit unsere Kunst keine Kompromisse mit ihnen und anderen zu schließen genötigt sein wird. Hüten wir uns vor dem Nur-Industrialismus! Man würde alles über diesen einen Kamm scheren; uns in das Schubladenfach »Industriekunst« legen. Wir singen von der modernen Arbeit, weil wir aus ihr kamen und mit ihr leben müssen. Wir sehen sie aber nicht als etwas Ausschließliches, sondern nur als einen Teil des gottvollen Ganzen, das unsere Welt heißt, an. Höher als dieser Stoffton muß uns die Aufgabe stehen, vom guten Europäertum, vom Menschlichen, zu singen!
Daß kein Ästhetentum herrschen wird, ist selbstverständlich, großartig und zukunftsvoll. Frisches Blut in die Welt!
Wenn wir keine Ästheten wollen, dürfen wir Schaeffer, den ich mir als einen dieser kenne (aufgefärbtes Epigonentum, Bildungskunst!) nicht aufnehmen. Persönliche Rücksichtnahme darf uns nicht beirren! Wäre mir sehr lieb, wenn ich von den Neugenannten bei Gelegenheit Proben sehen könnte!
Welches sind die Buchkünstler, die Lersch an der Hand hat? Namen! (Du weißt, daß ich hier besonders gern mitsprechen möchte.)
So gerne ich mit Lersch (anscheinend gute Seele) sympathisiere, liegt es doch nicht in meiner inneren langsamen Art, ihm brieflich nahezutreten, ehe ich ihn persönlich kenne.
Gern möchte ich ein x-beliebiges Exemplar der Westdeutschen Arbeiter-Zeitung sehen.
Vom Ganzen denke ich, daß es gelingen, ein Aufschwung und ein Schritt zum Neuen Deutschland (woran wir arbeiten wollen) wird!
Sei herzlich gegrüßt von Deinem
Gt.