Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[5] An Frau von Epinay

Genua, den 18. September 1769

Madame,

wie schnell doch sind die Revolutionen, Umwälzungen und Glückswechsel in dieser Welt! Da bin ich also nun von Zorn-, Verzweiflungs- und Kummerausbrüchen in die der Freude, der Dankbarkeit und der Zärtlichkeit übergesprungen! Darum würde ich, glaub' ich, wäre ich nur hundert Meilen von meinen Freunden entfernt, meine Arme und meine Lippen ihnen entgegenstrecken – was sind hundert Meilen, eine Bagatelle! – aber freilich zweihundert – da muß ich doch danken!

Endlich, Madame, werde ich gedruckt! Hurra! Sie, die Sie Mutter sind, können sich gewiß ein Vaterherz vorstellen. Warum schicken Sie mir nicht ein paar Bogen? Ist Ihnen die Portoausgabe zu hoch? Halten Sie meine Ungeduld nicht länger hin, ich bitte Sie! Schicken Sie alles, was schon gedruckt ist, hierher an Herrn Reiny, Konsul Seiner Allerchristlichsten Majestät. Ich werde es sehen, ich werde es lesen, ich werde vor Entzücken aus dem Häuschen geraten und sagen: Ist es möglich, daß ich so viel Geist habe? Wer wird mir's glauben?

... Es ist mir angenehm zu hören, daß die Nachrichten von meiner Ungnade von Neapel aus nach Paris gelangt sind. Ich wußte schon im voraus, daß ich nur in Paris Freunde habe, und daß es in Neapel nur Neider, Bösewichte und Dummköpfe gibt. Muß ich dahin, großer Gott? Daniel im Löwensee; denn in alten Zeiten lebten die Löwen im Wasser!

Madame Geoffrin hat die Caprice, alle Unglücklichen zu verabscheuen: sie will nichts damit zu tun haben, sie will das Unglück anderer Leute nicht einmal sehen. Das hat seinen guten Grund. Sie hat ein feinfühliges Herz, sie ist bei Jahren, es geht ihr gut, sie will sich ihre Gesundheit und Ruhe erhalten. Sobald sie hört, daß ich glücklich bin, wird sie mich ganz närrisch lieben.

Versuchen Sie, mich Herrn von Sartine in Erinnerung zu bringen. Ach, welch ein Mann, welch ein Beamter, welch ein Freund! Bitten Sie ihn um eine Stelle als Polizeiinspektor für mich. Ich werde in Paris bleiben und ihn oft besuchen.

Lieben Sie mich immer! Sagen Sie mir, sind Sie weniger unglücklich? Was machen Ihre Kinder, Ihre Geschäfte, der König, die Finanzpächtereien? Leben Sie wohl! Wie danke ich Ihnen, wie erkenntlich bin ich Ihnen! Aber das sehen Sie ja schon mit Ihren Augen, die bis auf den Grund meines Herzens dringen. Ich weiß nicht recht, was ich hier in Genua mache, ich weiß nur, daß ich nicht in Neapel bin, und das ist immer schon etwas. Nochmals adieu, aber ohne Lebewohl!


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