Abbé Galiani
Briefe an Madame d'Epinay und andere Freunde in Paris 1769-1781
Abbé Galiani

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[28] An Herrn Suard

Neapel, den 13. Juli 1770

Da! Noch mehr Zeitungen! Satia te gazettis quas sempre sitisti. Ich, die neue Amazonenkönigin, werde Ihnen, dem neuen Cyrus der Zeitungsschreiber, sagen: Ach, wie recht hat Abbé Arnaud, daß er sich nicht um diese langweilige Lektüre kümmert. Wie geht's denn übrigens dem lieben Abbé? Sollte der Auszug aus meinen Dialogen, der in Frérons Blatt steht, etwa von ihm sein? Denn irgendeine Teufelei muß doch im Spiel sein, wenn man Fréron Gutes reden hört von einem Werk, das gut über Voltaire spricht.

Morellet ist also ganz unerweichlich? Er will iratis Diis et hominibus gegen mich schreiben und einer höchst zärtlichen Freundschaft und einer höchst enzyklopädischen Philosophie diesen Streich versetzen? Der Grausame! Aber der Herr Generalkontrolleur will es nicht, und er hat recht. Es ist keine Zeit mehr, gelehrte Abhandlungen zu schreiben, es ist Zeit, daß Sie an Brot und an die uns drohende schreckliche Teuerung denken, indem Sie ein schlechtes Gesetz, das Sie gegeben haben, widerrufen. Ach, wie sehr bin ich Cassandra gewesen! Man hat mir nicht geglaubt, und meine Prophezeiungen sind in Erfüllung gegangen.

Zum Trost will ich Ihnen sagen, daß wir hier eine sehr reichliche Ernte haben, und daß ich mir schmeichle, glücklicher zu sein, wenn ich hier übermäßige Einschränkungsmaßregeln verbessere, als ich es gewesen bin, da ich den Franzosen ihre übermäßige Freiheit verbessern wollte. Iliacos intra muros peccatur et extra, und der Mittelweg ist immer schlüpfrig. Ein Philosoph würde Ihnen sagen, dies sei mit Fleiß so eingerichtet, damit ein Bewegungsprinzip und eine ewige Bewegung da sei. Nehmen Sie zum Beispiel die Pendelbewegung. Alles pendelt in dieser Welt: Jahreszeiten, Reiche, Regierungen, Menschen, Glück und Unglück, Tugend und Laster; es geht aufwärts, es geht abwärts, ein Anhalten in der Mitte gibt es nicht. Hielte man dort an, so würde man sich so wohl befinden, daß die Bewegung aufhören würde. Das ist Philosophie, und zwar erhabenster Art. Aber anderseits, warum trifft man soviel coglioni in der Welt? Weil es viel Pendelbewegung geben muß. Das ist nun Ulk, und zwar bösartigster Sorte. Aber so bin ich einmal: zwei verschiedene Menschen, die in einen zusammengeknetet sind, und doch nicht einmal den Platz eines einzigen ganz ausfüllen. Leben Sie wohl, ich umarme Ihre Frau Gemahlin; nehmen Sie es mir nicht übel. Nochmals lebewohl mein lieber Freund. Tausend Empfehlungen an den Baron, an die Baronin, und ich bitte, geben Sie mir Nachricht von meinem Landsmann Duni. Ich habe kein Papier mehr.


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