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Paris, den 19. Oktober 1771
Ach, mein lieber Abbé, heute bin ich sehr armselig an Geist: es regnet und ich habe diese Woche noch keine Briefe erhalten, weil sie mir von Fontainebleau nachgesandt werden müssen. Dabei soll man nun seinen Verstand beisammen haben! In Paris ist keine Katze, ich sehe nur meine Tochter und meine Enkelkinder, und dann wieder meine Enkelkinder und meine Tochter. Wir singen traurig in Moll und reden dann vernünftig; und wenn wir zufällig mal unvernünftig reden, sind wir entzückt, weil wir dann ein Augenblickchen lachen. Neulich zum Beispiel waren wir zum Essen in Sannois bei Herrn d'Houdetot: meine Tochter, Madame de La Live, eine Freundin von ihr, Fräulein de Givry, und ich. Auf der Rückfahrt fühle ich plötzlich ein Paket, das aus dem Kutschkasten mir auf die Beine rollt; ich stoße mit dem Fuß daran, weil ich wissen will, was es wohl sein mag; kaum habe ich den Fuß darauf gesetzt, so ertönt ein jämmerlicher Schrei, der allmählich erstirbt. Da schreien wir alle: »Was ist denn das? Ein Furz! Ein Hund! Ein Kind! Halt, Kutscher, halt!« Und wir wollen uns zu Tode lachen. Der Wagen hält, wir sehen nach: es war ein Paket mit schmutziger Wäsche, unter die man, ich weiß nicht warum, eine mit Luft gefüllte Blase gesteckt hatte; offenbar war diese geplatzt, als ich darauf trat. Kurz und gut, da stehen wir alle vier auf der Landstraße und lachen aus vollem Halse. Wir steigen wieder in den Wagen und machen tiefsinnige Bemerkungen über das winzige Ereignis; da wird plötzlich die Frage aufgeworfen: Aber wenn es nun ein Kind gewesen wäre, was hätten wir dann gemacht. Darüber waren wir alle vier einig: wir hätten es adoptiert, hätten es aufgezogen, hätten ihm einen Namen gegeben. – Aber welchen? – Einen Namen, der aus je einer Silbe von unseren vier Namen zusammengesetzt ist. So wäre ein Chevalier de Gilabeldé herausgekommen: ein glücklicher Name. Kurz und gut, wir entwarfen einen Roman von seinem ganzen Leben und waren ganz traurig, daß das Paket nur schmutzige Wäsche und kein Kind war. Ach, Abbé! Wenn Sie noch irgendeins in irgendeinem Winkel übrig haben, mit: dem Sie nichts anzufangen wissen, so lassen Sie es in unsern Wagen legen, sobald wir wieder aufs Land fahren; wirklich, Sie erweisen uns damit einen großen Dienst. Wenn Sie keins haben, so bestelle ich hiermit eins bei Ihnen; aber seien Sie sorgfältig in der Auswahl: schicken Sie uns ein kleines angehendes Genie mit einem Worte: ein Kind, das Ihnen gleicht; wir werden schon was draus machen. Aber genug jetzt dieses Unsinns; sprechen wir im Ernst.
Da ich Neues Ihnen nicht zu erzählen habe, komme ich auf Vergangenes zurück und behaupte, Abbé, daß die Tiere doch neugierig sind. Seit meinem letzten Brief sind mir zwanzig Beispiele dafür eingefallen. Warum zum Beispiel kommen im Monat Oktober die Lerchen von zwei Meilen in der Runde zu dem Spiegel, mit dem man sie jagt, wenn die Sonne auf die Facetten fällt und der Widerschein nach allen Seiten blitzt? Man schießt blindlings in den Schwärm hinein; die Vögel, die nicht von dem Schuß fallen, fliegen weg, aber kommen augenblicklich wieder und fliegen um den Spiegel herum; manche lassen sich überhaupt nicht einmal durch den Schuß verjagen. Sie werden mir vielleicht sagen, die Wärme ziehe sie an. Nein, das ist es nicht; denn im November und Dezember, wo sie ebenfalls auf den Feldern herumschweifen, stellt man vergeblich dieses Manöver an. Wie die Jäger behaupten, kommen die Vögel nicht. Diese Tatsache ist mir von mehreren versichert worden. Warum nähert sich die so mißtrauische Katze vorsichtig einem Gegenstand, den sie nicht kennt? Sie dreht ihn hin und her, untersucht ihn; Furcht und Unruhe würden sie zur Flucht bewegen; nur die Neugier kann bewirken, daß sie näher kommt und das Unbekannte untersucht. Ich erwarte voll Ungeduld Ihre Antwort auf diese Einwendungen...