Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Blumen-Korso

(in "Wie ich es sehe", Berlin 1896)

Sechs Uhr früh. Es ist trocken, kühl, der Himmel weißlichblau, »bleu-lacté« würden die französischen Schriftsteller sagen – – –.

Eine Blumenhandlung von falschen Blumen schlägt ihre Lider auf, graue Holzläden.

In der staubigen Auslage blüht der Frühling, Schleedornröschen; der Sommer, Kornblumen; der Herbst, rosa und lila Astern und die Federkugeln von Leontodon.

Ein blasses Ladenmädchen trägt weiße Rosen heraus, bekränzt einen Wagen, der vor der Türe steht. Die Blumen riechen wie alte Mousseline-Kleider.

Blumenkorso – – – für Nachmittag vier Uhr! Logen-Sitze fünf Kronen! Es soll Geld unter die Leute kommen, Tausende verdienen indirekt, hat man eine Idee?! Es geht herunter bis zum – – –. Niemand kann es ausdenken.

Auf der Gasse steht ein junges Weib mit einem schlafenden Kinde, starrt das »fliegende Rosenbeet« an, ein Stückchen einer »feenhaften Welt«, Rosen und Fiaker, das Mysterium des »schönen Überflüssigen«!

Das Kind schläft tief in der reinen Morgenluft –.

Vom ersten Stocke herab blickt eine junge Dirne im Hemde zwischen weißen Stores hervor: »Soll ich den Wagen mieten, soll ich nicht, soll ich, soll ich nicht, soll ich – – –?!«

Das Ladenmädchen blickt hinauf: »Du Mistvieh –!«

Das Ladenmädchen gähnt, steckt dem Kutscher eine Rose ins Knopfloch.

Die junge Mutter mit dem Kinde geht weg. Das Kind schläft tief in der reinen Morgenluft.

Die Dirne läßt die Stores herab.

Der Rosen-Wagen fährt weg, die Rosen wiegen sich, verneigen sich, rauschen, schütteln sieh, eine stürzt herab auf den Asphalt – – –.

Nachmittags mietet eine Dame und ein junges Mädchen den Wagen.

»Les fleurs sont fausses – – –«, sagt das junge Mädchen. »So – – –«, sagt die Dame, »merkt man es?!«

Blumenkorso. Zufahrt durch die Praterstraße. Fliegende Blumenbeete. Tausende verdienen indirekt!

Die junge Dirne liegt auf ihrem Bette, schläft. Die Nachmittagssonne wärmt die weißen Stores. Sie träumt: »Rosen-Wagen – – – – – –.«

Das Ladenmädchen sitzt in dem dunklen, dunstigen Blumenzimmer auf einem Strohsesselchen, schläft – –. Sie träumt: »Rosen-Wagen – – –.«

Das junge Weib trägt das Kind durch die Straßen. Das Kind schläft tief in der dunstigen Nachmittagsluft –.

Die Rose, die am Morgen aus dem Wagen gestürzt ist, steht in einem Glase in dem Zimmer eines Gassenkehrers. Sein Töchterchen sagt: »Pfui, sie stinkt – –.«

Der Gassenkehrer hätte antworten können: »Das sind die Blumen, die auf dem Asphalt einer Großstadt blühen – – –!« Aber er sagte das nicht. Dazu war er zu bescheiden – – –.

Er dachte: »Es ist vom Blumenkorso – – –!«

 


 


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