Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Das Reisen

(in "Vita ipsa", Berlin 1918)

Es gibt ein ganz billiges, ganz enttäuschungsloses Vergnügen, von Mitte Mai an die Fahrpläne zu studieren, und sich genau jenen Zug auszusuchen, mit dem man, falls. Also z. B. 8 Uhr 45, da bist Du ja bereits parat und sogar rasiert (denn unrasiert zu fahren ist nur ein halbes Vergnügen, da kann man noch eher auf das »Waschen« verzichten) also 8 Uhr 45 morgens mit der Südbahn, Eilzug, nach Payerbach, und von da mit dem Einspänner (mein bevorzugter heißt Michael Ruppert, Sohn) in den himmlisch idyllischen »Thalhof«. Dort unternimmst Du vorläufig gar nichts, zumal Du ja eigentlich noch in deinem Zimmer in Wien sitzest vor deinem Fahrplane. Genug, du bist bequem dort, vor dir der Wald, der Kuhstall, der Pferdestall, das Forellenbrünnl, das Wasch-Gartl, der duftende Holz-Schupfen, wo du einst, vor 30 Jahren, mit Anna Kaldermann – – – Holz klaubtest, und in der Ferne die Hügel bei den »Payerbachgräben«, wo mein Vater einen Grund mit alten Weichselbäumen erstehen wollte, um sich in die heilige Natur zu flüchten, während meine Mama sagte: »Bis die beiden Töchter verheiratet sind, mein Lieber!« So sitzest du also vor deinem Fahrplane, 8 Uhr 45 geht es los, und du träumst süß und ohne die Beschwerden der Wirklichkeit, und hast, gering gerechnet, mindestens 20 Kronen erspart. Denn jede Ortsänderung verteuert deinen Aufenthalt!

 


 


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