Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Die Kontrolle

(in "Märchen des Lebens", Berlin 1911)

Mein Frühstück nehme ich im Grabenkiosk. Es liegt im Freien und man sieht ununterbrochen geschäftige Menschen. Mein Raseur hingegen ist in der Teinfaltstraße, also ziemlich entfernt von dem Frühstücksorte. Ich bezahle dort jedoch nur 30 Heller und 10 Heller Trinkgeld. Nun war es am 7. Mai 10 Uhr vormittags bereits unglaublich schwül. Man erwartete für längstens 2 Uhr ein Gewitter. Ich war, wenn auch ohne Grund, zu Tode erschöpft, saß ziemlich befriedigt in meinem Kiosk am Graben, betrachtete die geschäftigen Menschen. Ich empfand den Weg zu meinem billigen Raseur in die Teinfaltstraße wie eine äußerst schwächende Reise: Graben, Kohlmarkt, Herrengasse, Teinfaltstraße. Mir gegenüber war das glänzende Schild: Charles Uhl, Hoffriseur. Ich wußte, daß es da 60 Heller kostete und 20 Heller Trinkgeld, also um 40 Heller mehr als bei meinem Raseur. Aber die Ersparnis an Lebensenergien?! Der erhöhte Tonus der Nerven durch die Bequemlichkeit?! Die kühle Straße und Treppe?! Ich ging zu Charles Uhl, Hoffriseur. Auf der eleganten Treppe begegnete mir ein reicher Freund, der mir einst 100 Kronen geborgt hatte in einer meiner Notlagen.

»Sie hier in diesem Hause, merkwürdig. Wohin gehen Sie denn?!« fragte der Großinquisitor.

»Ich gehe zu meinem Raseur«, sagte ich.

»So?! Es ist auch mein Raseur. Hatten Sie nicht früher den kleinen in der »Teinfaltstraße«?!«

»Ja, früher – – –.«

»So, früher, früher?!?«

»Nein, bitte, es ist ja gar nicht mein gewohnter Raseur, es war mir nur der Weg zu weit heute, bis in die Teinfaltstraße bei dieser drückenden Hitze –.«

»So, der Weg war Ihnen zu weit?! Nun freilich, es ist aber auch heute bereits vormittags eine drückende Hitze. Apropos – –.«

»Sobald ich in der Lage sein werde«, sagte ich und stieg zum Hoffriseur weiter hinauf.

 


 


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