Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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PA-Kollier

(in "Märchen des Lebens", Berlin 1911)

Ich bin einfach paff, auf der Straße, in den eleganten Restaurants, im Theater noch immer einer Menge Damen zu begegnen, die noch kein PA-Kollier tragen. Da erfinde ich wunderbare Perlenschnüre in Porzellan, Holz und Seide, und man verhält sich renitent. Soll denn die tiefe Idee, daß man von der Dichtkunst allein nicht leben könne, gar nicht belohnt werden?!? Wer hat denn dieser Idee besseren Ausdruck gegeben als ich, der ich mir beim Magistrat einen Hausierschein erworben habe?!? Dabei haben meine Schnüre die schönsten Namen, die gar nichts kosten, und eine Bleiplombe mit meinem Namen, die auch gratis ist. Die Namen sind – – – aber ihr kauft sie ja doch nicht! Die Namen sind also: Vorfrühling (apfelgrün-hellbraun), Heidelbeere (schwarzbraun), Spätherbst (dunkellila-hellbraun), die Gmundener Schnur (grünschwarz-grau), Salamander (gelb-schwarz) usw. usw. Es gibt bereits zwanzig verschiedene Schnüre, aber das interessiert euch natürlich nicht! Freilich, wenn es sich um praktische warme Winterkleider handelte, da seid ihr dabei! Ich will übrigens nicht unartig sein und der Menschheit lieber noch ein wenig Zeit lassen, zur Besinnung zu kommen. Vielleicht ist doch mit ihr ein Geschäft zu machen!? Ich habe zwei junge Arbeiterinnen sitzen, mit Stumpfnäschen und Cleo de Mérode-Frisuren, die einen Taglohn beziehen wie keine Arbeiterin dieser Erde! Direkt einen romantischen Taglohn. Ich selbst beziehe ihn von einem reichen Freunde, den ich anpumpe, unter dem Vorwande, es müsse ein Weltgeschäft werden. Aber es kräht kein Hahn danach. Die Arbeiterin braucht zu jeder Schnur geschlagen dreiviertel Tage. So lange Pausen macht sie. Nein so exakt und delikat ist die Arbeit. Es wird nie eine Fabrikware werden können, nie! Weil man nicht einmal einzelne kauft.

Ich mache auch Schnüre in Halbedelsteinen. Die eine heißt »Der graue Tag«. Ich darf dieselbe leider nicht schildern, weil ich den Musterschutz für Frankreich, England und Amerika noch nicht erworben habe, und sie sich darauf sonst stürzen würden!

Ich sage daher nur: sie ist weiß, grau und grün. Jetzt werden die beiden Länder schlaflose Nächte haben.

Gestern, in der Vorlesung eines Dichters, erblickte ich zum erstenmal eine Schnur, »Heidelbeere« benamset, an der wirklichen weißseidenen Bluse eines wirklichen lebendigen und überaus süßen Geschöpfes. Ich war tief gerührt. Also doch eine!

Später erinnerte ich mich, daß ich sie ihr einige Tage vorher zum Geschenk gemacht hatte.

Eine der Schnüre in Halbedelsteinen heißt »Moos im Schnee«. Wenn ich daran denke, daß es Leute geben wird, die sich diese Schnur werden erkaufen können, bekomme ich direkt Verzweiflungen über die heutige Ordnung der menschlichen Gesellschaft. »Was, du Hund, für dein armseliges Geld willst du dir diese Weltenpracht, an der meine ganze Künstlerseele hängt, erkaufen können?! Geben Sie zehn Kronen drauf, und die Schnur gehört Ihnen, wie sie geht und steht...«

Ich bin durch den Gedanken an Erwerb augenscheinlich bereits ganz verkommen. Bisher ließ ich mich von einem geliebten Bruder erhalten, der es leider nicht dick hatte. Aber jetzt, wo ich anfange, auf eigenen Füßen zu stehen, verliere ich jeglichen Halt.

Ich kann nicht schließen, ohne einen unserer berühmtesten Schauspieler zu zitieren, der an mich schrieb: «Ich habe nie daran gezweifelt, daß Ihre kunstgewerblichen Erdichtungen mit Ihren anderen gleichen Schritt halten...«

Ich denke seitdem ununterbrochen gespannt darüber nach, ob das ein Lob oder eine Beschimpfung ist?!?

 


 


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