Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Die Mitzi

(in "Bilderbögen des kleinen Lebens", Berlin 1909)

Zwei kleine Cafétische, rund, in einem Eck, vis-à-vis voneinander.

Die Mitzi kommt, setzt sich an den einen Tisch.

Der Kellner: »Fräul'n Mitzi, wollen's nicht an Ihrem gewohnten Tischerl Platz nehmen?!?«

»Nein, hier bleib' ich – – –.«

»Fräul'n Mitzi, Fräul'n Mitzi, dös hätten's net tun sollen, Gott, dös hätten's net tun sollen; dös ganze Lokal is auf – – –. Geh'ns, setzens Ihnen an Ihren gewohnten Tisch und machens kane G'schichten – – –. Wann Er kummt und dös merkt –!?«

»Bringen Sie mir ein Glas Tee halb mit Rum gefüllt!«

Kellner ab.

Der Fiaker Karl erscheint. »Fräul'n Mitzi, i kumm nur g'schwind herein, es Ihnen melden, der Herr Franz is im Lokal, er wird glei da sein – – –.«

»Schau'ns daß abfahrn, kümmerns Ihna um Ihnere Gäul'.«

»Fräul'n Mitzi, sans nicht so leichtsinnig, mir haben Sie alle gern – – –.«

»Warum soll i net leichtsinnig sein?! Wen kümmert das was?! Soll er kommen, der Herr Franz – – – –! Malheur!«

»Er wird stechen – – –

»No wird er; Malheur– – –!«

Der Fiaker entfernt sich.

Der Herr Franz kommt langsam, setzt sich an seinen gewohnten Tisch.

Er steht auf, kommt langsam, plump schwerfällig an den anderen Tisch, stützt den rechten Arm auf die Tischplatte: »Sö wollen allein sein?!?«

»Nein. Warum?! Keine Spur. Warum soll ich allein sein wollen?!? Lächerlich.«

Pause. Beide wie Raubtiere vor dem Morden.

»Sö wollen also nicht allein sein?!?«

Sie trinkt ihren Tee.

Pause.

»Sö wollen also doch allein sein?!«

»Ich bitte, gehen Sie an Ihren Tisch zurück, und belästigen Sie mich nicht – – –!«

»Belästigen?!«

»Belästigen, ja, belästigen – – –!«

Sie schaut ihn an wie eine stechende Kreuzotter, wutentbrannt.

»Seit wann belästige ich Sie, Fräulein?!«

»Seit lange schon – – –.«

»Es wird nicht seit so lang her sein – – –.«

»Oh ja, seit sehr lang her – – –.«

»Es wird seit vorgestern sein, beim Fünfkreuzertanz im Prater – – –.«

Sie lächelt perfid-höhnisch.

»Warum lachen Sie?! Sie, spül'n's Ihner net mit mir! Net sich mit mir spül'n, Mitzerl – – –.«

»Ach was, gehen's an Ihren Tisch zurück und lassens mich in Ruh'. Tu' ich Ihner was, no also! Lassens mich ruhig meinen Tee trinken – – –.«

Er geht an sein Tischchen zurück. Wie ein gepeitschter Tiger im Käfig.

Isabella kommt, bleibt zwischen beiden Tischchen stehen, schaut beide an.

Mitzi: »No, was steh'ns da?! Was gibts zu schauen?!«

Isabella: »Darf ich nicht da stehen?! Regen's Ihna net auf, Fräulein, Ihnen schau' ich eh' net an!«

Mitzi: »Freches Mensch!«

Isabella: »Wer is Ihr freches Mensch, wer?!?«

Franz: »Isabella, palisier! geh' weiter, was hast davon?!?«

Mitzi zu Franz: »Laßt du mich beleidigen?! Wann ich an deinem Tisch sitz'?!?«

Franz: »Laß sie, sie hat dir nix tau, was kümmert sie dich?!« Isabella geht ab.

Mitzi: »Mir scheint, die fliegt auf Ihna, die blattersteppige Funzen, und Se protegieren sie noch. Wanns noch amal herkommt, kriegt's a Watschen! So a schiechs Luder, wanns wenigstens nach was gleich sähert – – –!«

Pause.

Beide trinken Tee mit Rum.

Isabella kommt wieder, geht an den Tisch der Mitzi heran, sagt laut – deutlich: »Fräul'n Mitzi, der Herr Poldl von vorvorgestern, vom Fünfkreuzertanz im Prater, is draußen. Er schickt mich herein, Ihnen die Post zu sagen, daß er verabredetermaßen draußen auf Sie wartet – – –.«

Die Mitzi blickt sie haßerfüllt an, beginnt dann bitterlich, bitterlich zu weinen.

Franz: »Wein' nicht, Mitzerl, mir gehören zusamm'! Schau'n's daß abfahr'n, Sie Koberin (Kupplerin), richten's uns keine Posten aus! Es wird doch noch eine Anständigkeit geben in dera Welt – – –!«

Mitzl steht auf, gibt der Isabella eine Watschen (Ohrfeige) – – –.

 


 


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