Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Wolfgang-See

(in "Was der Tag mir zuträgt", Berlin 1906)

Das Schilf steht Abends so schrecklich stille, wie verdüstert und in sich selbst versunken! Wie erschöpft von unbeschreiblichen Traurigkeiten!

Die beiden Herren im kleinen Boote waren ganz bedrückt. Die junge Dame aber jammerte: »Weg vom bösen Schilfe, oh weg, weg – – –.«

Und Nachts jammerte sie aus den Träumen: »Das Schilf, das Schilf, oh weg, weg – – –.«

Die beiden Herren wachten an ihrem Lager, während sie vom bösen Schilfe phantasirte.

Der Jüngere fühlte: »Siehe! Eine wirkliche Märchen-Prinzessin, die vom verzauberten Schilfe träumt – – –!«

Der Ältere dachte: »Der Märchenprinzessinnen-Trick ganz einfach! Um romantisch zu bluffen! Immerhin gut und geschickt gespielt. Bravo.«

Am nächsten Morgen aber sagte der Jüngere zu dem Älteren: »Sie, ist es nicht vielleicht doch nur ein Trick, diese poetische Emotion mit dem Schilfe!? Um romantisch zu verblüffen?!«

Der Ältere erwiderte: »Sehen Sie, mein Lieber, Sie sind um so viel jünger als ich, haben aber bereits gar keine Poesie und Phantasie mehr! Sie blasphemiren! Eine wirkliche Märchen-Prinzessin ist sie!«

»Oh bitte, erwähnen Sie es ihr gegenüber nie, daß ich auch nur einen Augenblick lang es für einen Trick halten konnte?!?«

Später sagte der Ältere zu der Dame: »Es war ein Trick, diese Emotion mit dem Schilfe. Aber gut gespielt!«

»Schändlicher! Haben Sie das vielleicht dem Jüngeren gesagt?!?«

»Jawohl. Aber er wollte mich ohrfeigen dafür! Er sagte, Sie seien eine wirkliche Märchen-Prinzessin.«

Da bekam die Dame wirklich ein Märchenprinzessinnen-Antlitz!

»Sehen Sie«, sagte der Ältere, »das ist kein Trick!«

 


 


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