Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Gussy Holl

(in "Nachfechsung", Berlin 1916)

[Apollotheater.] Februar-Programm. Wirklich wunderschön. Gussy Holl ist für mich die seltenste (man darf wohl noch sagen, nach Yvette Guilbert) Edel-Repräsentantin jener mir selbst ganz besonders am Herzen liegenden Kunst, aus einem Nichts ein Etwas, aus einem Etwas ein Alles machen zu können. Kleinkunst, die große Kunst ist! Sie zu schildern, dazu bin ich zu begeistert von ihr. Schildern, mit Worten sich auspomeiseln, können nur die Unbegeisterten. Die haben immer leider ihren Verstand beisammen (?!). Texte null, Lieder null, aber was bringt ein Aufreißen ihrer metall-schimmernden Augen, ein Verzerren ihres Mundes, eine plötzliche scharfe Steigerung ihrer hellen Stimme, eine Geste, eine Pause, ein Nichts?! Von ihr könnten alle lernen – – – daß das Beste nämlich unerlernbar und ein mysteriöses Gnadengeschenk ist, das die unenträtselbare Natur eben einer unter Tausenden verleiht! Bei dem Lied mit der österreichischen grauen Soldaten-Feldkappe habe ich geweint. Ohne Grund, nein, mit!

Als dieses Referat erschienen war, kam am nächsten Tage Gussy Holl in mein Zimmer, setzte sich aufs Sofa und begann zu weinen.

»Aha!« dachte ich mir, »eine gut eingelernte Szene, eine gute Regie!«

»Ich habe es mir seit gestern abend vorgenommen, zu Ihnen zu kommen, mich aufs Sofa zu setzen, und mich auszuweinen über alles, über alles in meinem Leben und auch noch extra über Ihre gütige edle Anerkennung!«

Da schämte ich mich denn vor mir selber!

Zumal sie dann sagte, nach einer Pause: »Außerdem habe ich mir erlaubt, Ihnen fünfhundert Ihrer Lieblingszigaretten, Hanum, Korkmundstück, mitzubringen.«

 


 


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