Peter Altenberg
Prosaskizzen
Peter Altenberg

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Onkel Max

(in "Fechsung", Berlin 1915)

Dieser Max, mein Onkel, der seit sieben Jahren tot ist, war einmal sehr hübsch gewesen, ja, sogar besonders hübsch, auch nach modernen Begriffen. Ganz schlank, ganz groß, und eine Stumpfnase. Infolgedessen hatte er ein Liebesverhältnis mit der ganz jungen Näherin seiner Mama, meiner Großmama. Er kaufte sich daher in Hietzing, Hauptstraße, ein kleines Haus mit Gärtchen und ließ die junge Näherin darin wohnen. Sie legte eine Rosenkultur an und Nelken und war froh, daß ihre zarten schönen Finger nicht mehr vom Nähen leiden mußten. Sie pflegte sie sogar, gleichsam als Entschädigung für schreckliche qualvolle Jahre, mit Malatine, Honigglyzerin. Eines Tages beschloß die Familie, daß mein schöner, magerer, langer Onkel mit der Stumpfnase eine »Partie« machen solle. »Ja«, sagte er, »a la bonheur. Aber was soll mit Anna geschehen?!« Man verheiratete Anna mit einem Manne, der sie seit ihrer Kindheit schrecklich gern gehabt hatte und dem es nur am »Nervus rerum« gefehlt hatte, um sie, pardon, um sich glücklich zu machen! Anna war mit allem einverstanden, denn es ist besser, dort einverstanden zu sein, wo nicht einverstanden zu sein einem auch wenig nützen könnte. Nun heiratete mein Onkel und baute auf der Hietzinger Villa noch einen Stock auf. Ein Gärtner wurde engagiert, um die Rosen- und Nelkenkultur Annas weiter zu pflegen. Eines Tages sagte meine angeheiratete Tante zu meinem schönen, langen, mageren Onkel mit der Stumpfnase: »Du, wer war diese Anna eigentlich, nach der diese schönen gefleckten Nelken benannt sind?!« Mein Onkel schaute auf die gefleckten Nelken und verstand gar nicht, daß diese Anna überhaupt noch irgendwie im Leben in Frage käme!

Nun ist mein Onkel schon seit sieben Jahren tot, und meine Tante ist schon Großmama. Unverändert in herrlichem Beete sind nur die gesprenkelten Anna-Nelken geblieben in der Hietzinger Villa.

 


 


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