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Hans Schließmann bat mich dringend, doch am Freitag abend nach Hietzing ins Parkhotel zu kommen, wo der temperamentvolle, geschmackvolle Dostal von den 26ern konzertiere, in dem schönen, weiten Garten. Es wurde halb 12 Uhr nachts, und Schließmann war besorgt, daß ich noch die letzte Tramway erreiche. Sie fuhr aber an uns vorüber. In demselben Augenblick hielt ein eleganter Gummiradler knapp vor uns an, und zwei frische Mädchenstimmen jubelten: »Peter, Jessas, Peter, was machst denn du da in Hietzing?!« – »Ich habe die letzte Tramway versäumt«, erwiderte ich geschäftsmäßig und ohne Begeisterung der Freude des Wiedersehens mit den herrlichen urwüchsigen Kindern. – »Tu dir nix an, Peter, wir nehmen dich mit in unser'm Wagen, wir fahren eh nach Wien, ah, so ein glücklicher Zufall – – –.« Hans Schließmann stand gerührt da im Angesichte solcher wirklich seltener glücklicher Zufälle, dankte den guten, schönen, herzigen Mädchen im Namen seines beneidenswerten Freundes und sagte, daß das »goldene Wiener Herz« doch noch nicht ganz im Aussterben begriffen sei, wie er bisher vermutet habe – – –.
Wir fuhren davon. Bei dem Mariahilferberg sagte das eine der süßen Mädchen. »Peter, was wirst also dem Fiaker bezahlen?!« – Ich erwiderte: »Nichts. Ich bin eingeladen worden.« – »No, no, tu dir nix an, Schmutzian, wegen die paar Krandln.« Für den Zahlenden sind es immer »Kronen«, für den, der bezahlt wird, nur »Krandln«. Ich erwiderte: »Ich bin euer Gast.« – »Wärst vielleicht zu Fuß nach Wien gehatscht, du Narr?!« – »Ich hätte mir vielleicht im Notfalle einen Einspänner genommen.« – »No, also, sixt es, jetzt kommen wir aufs gleiche.« – »Also gut, ich werde die Taxe für den Einspänner erlegen – – –.« »Da schau her, im Gummiradler fahren und Einspännertax' zahlen, geh, i wer mi glei giften –.« – »Also, bitte, wieviel habe ich zu bezahlen?!?« – »Zehn Kronen, es is eh kein Geld.« – Ich fand das zwar nicht, daß es kein Geld sei, aber ich fragte: »Wieso, bitte, zehn Kronen?!?« – »No, san mir früher, bevor mir di aufg'fischt haben, du Schnorrer, net ein bisserl in Hietzing herumg'fahren, bei so an' schönen Abend, mir scheint, du gönnst uns dös nöt!?!« – Ich erwiderte, daß ich ihnen es herzlich gönne. – »No, also, du bist ja ein g'scheiter Mann, du bist ja unser Peterl – – –.« Also das Peterl bezahlte die zehn Kronen. »No, und mir san gar net auf der Welt?!« sagten die beiden Süßen. »Unsere Gesellschaft ist gar nix wert, mir san nur die Zuwag zum Fleisch, da schau der eahm an – – –.« Ich gab einer jeden noch eine Krone. »Peter, Peter, wir haben dich immer für an' veritablen Dichter g'halten, für an' besseren idealisch veranlagten Menschen; no, sagn mer, es war nix – – –.« Ich ließ den Wagen halten, stieg aus. »Peter, bist bös?!« – »Nein. Weshalb sollte ich bös sein?!« – »No, war's net ganz unterhaltsam?!« – »Sehr«, erwiderte ich. An Hans Schließmann schrieb ich sogleich noch in der Nacht eine Karte: »Was Ihre Korrigierung Ihrer Ansicht über das im Aussterbeetat befindliche ›goldene Wiener Herz‹ betrifft, so bitte ich Sie sehr, mit der Korrektur bis zum nächsten Freitag zu warten, wo Dostal von den 26ern wieder im Parkhotel Hietzing konzertiert. Da erfolgen nämlich mündliche Aufklärungen – – –.«
Am nächsten Tage traf ich das eine der süßen Mädchen. »Peter, gut, daß ich dich treff. Kaum warst du gestern ausgestiegen, so durfte ich mich auf den Bock setzen und kutschieren und der Herr Fiaker ist zur Mitzl in den geschlossenen Wagen eingestiegen. Und dann hat er uns deine 10 Kronen geschenkt. Das is a Kawalier, da nimm dir ein Beispiel!« Ich schrieb sogleich an Hans Schließmann: »Ihre erste Regung war die richtige. Es gibt doch noch ein ›goldenes Wiener Herz‹ – –.«