Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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1. Janus.

Es fehlte nehmlich den italischen Völkern zwar an einer kosmogonischen und theogonischen Dichtung, da ihr Gottesbegriff und ihr Gottesdienst sie zu einer solchen nicht kommen ließ. Doch hatten sie dafür den Gottesdienst des Janus, welcher sich weder bei den Griechen noch sonst in einer andern Mythologie in einem entsprechenden Bilde nachweisen läßt, in dem alten Italien dagegen sehr verbreitet gewesen zu sein scheint. In Rom war sein Dienst nach zuverlässiger Ueberlieferung durch Numa eingeführt worden, seit welcher Zeit er immer unter den höchsten und heiligsten Göttern verehrt wurde. Hatte früher der König selbst dem Janus das zu bestimmten Zeiten vorgeschriebene Opfer in der Regia dargebracht, so that dieses später der an seiner Stelle eingetretene Rex Sacrorum, welcher eben deshalb seinem geistlichen Range nach für den obersten Priester galt (S. 58, 61). Ueberhaupt wurde er als Gott des Anfangs und des Ursprungs der Dinge bei allen Opfern zuerst bedacht, bei allen Gebeten und in allen Gebetsformeln zuerst und noch vor Jupiter genanntCic. N. D. II, 27. quumque in omnibus rebus vim haberent maximam prima, principem in sacrificando Ianum esse voluerunt. Vgl. die Devotionsformel b. Liv. VIII, 9, die Formeln b. Cato d. r. r. 134 und 141 und die Götterreihen der Arvalischen Tafeln. Varro b. Augustin C. D. VII, 9 penes Ianum sunt prima, penes Iovem summa.. Schon die alten Lieder der Salier huben mit ihm an zu singen und nannten ihn den Gott der Götter (Divum Deum) oder mit dem herkömmlich gebliebenen Cultusnamen der patriarchalischen Zeiten den Vater Janus, welcher sich in diesem Cultus besonders lange erhalten hatVarro l. l. VII, 27 führt aus dem Liede der Salier den Vers an: Divum empta cante, Divum Deo supplicante. Deorum Deus b. Macrob. I, 9, 14. Iano Patri s. die Acta fr. Arval. t. XXXII, 1, 25 und die Inschriften b. Or. n. 1583. 1584. 5739, vgl. die Münze des Gallien b. Eckhel D. N. VII p. 396 und Plin. H. N. XXXVI, 5, 4.. Die vielen alten Cultusnamen, welche Macrob. S. 1, 9, 15 aufzählt: In sacris quoque invocamus Ianum Geminum, Ianum Patrem, Ianum Iunonium, Ianum Consivium, Ianum Quirinum, Ianum Patulcium et Clusivium und andre werden einzeln erläutert werden.

149 Bei der Erklärung seines Namens und Wesens ist häufig fehlgegriffen worden, obschon das Rechte ziemlich nahe liegt. So haben Cicero N. D. II, 27 und nach seinem Vorgange Andre den Namen Ianus ab eundo erklären wollen, als ob dieses etymologisch zulässig und ein Gott der Thüren und des Ein- und Ausgehens, welcher nichts als dieses bedeutet hätte, im Sinne des höheren Alterthums überhaupt denkbar wäre. Andre sahen, indem sie dieselbe Etymologie beibehielten, im Janus ein Bild der ewigen Bewegung des Himmels, Macrob. S. 1, 9, 11, noch Andre erklärten ihn für das uranfängliche Chaos, Ianus wie Hianus, Paul. p. 52. Das Richtige ist ohne Zweifel was unter den Alten schon Nigidius Figulus bei Macrob. 1, 9, 8 gesehen und unter den Neueren besonders Buttmann Mythologus 2, 72 geltend gemacht hat, daß Ianus oder was dasselbe ist Dianus die Masculinform ist zu dem weiblichen Iana oder Diana d. i. der MondVarro r. r. I, 37, 3 Nunquamne rure audisti octavo Ianam et crescentem et contra senescentem? Nach Tertullian Apolog. 10 fand sich im Liede der Salier der Ablativ Iane. Ein Dativ Ianui Quirino findet sich bei Fest. p. 189, 17, ein Ablativ Ianu in einer Inschrift aus Cales bei Mommsen I. N. n. 3953., eigentlich der Lichte und die Lichte, von dius und dium in der Bedeutung des lichten Himmels. Also ein altitalischer Licht- und Sonnengott, welcher zu einem Gott des Anfangs und des Ursprungs schlechthin geworden ist, in einer eigenthümlichen Abstufung von Bildern und Vorstellungen, deren organischer Zusammenhang mit dem ersten Grundgedanken sich indessen noch gut nachweisen läßt.

Der Sonnengott ist der Pförtner des Himmels und des himmlischen Lichtes, dessen Thore er Morgens öffnet Abends schließt, ausgehend und eingehend: dieses einfache Bild und seine bedeutungsvolle Anwendung ist den Griechen wohl nur deshalb entgangen, weil ihnen in ihrem Lande Okeanos der Ursprungsgott zu sein und Helios aus demselben auf- und in ihn unterzutauchen schien. Doch kennen auch sie eine Schwelle des Himmels, über welche Nacht und Tag sich flüchtig begrüßend aus- und eingehn, und die heilige Schrift spricht von der Sonne wie von einem Bräutigam, welcher Morgens mit strahlendem Antlitz aus seiner Kammer tritt. Bei den alten Umbrern, Sabinern, Latinern war aber grade diese Vorstellung des Aus- und Eingangs, des Oeffnens und Schließens die vorherrschende geworden; daher der einfache Bogen, ianus, eigentlich ein offener 150 Durchgang (transitio pervia, Cic. N. D. II, 27) das Symbol des himmlischen Gewölbes und seines Pförtners Janus, des himmlischen Lichtgottes wurde. Eben daher in der späteren Zeit, sobald eine bildliche Darstellung beliebt wurde, der bekannte Doppelkopf des Janus (daher Ianus geminus, bifrons), weil er, wie schon die Alten bemerken, sowohl der Pförtner des Aufganges als des Unterganges, sowohl der Oeffner ist als der SchließerMacrob. I, 9, 9 Ianum quidam Solem dernonstrari volunt et ideo gemitium, quasi utriusque ianuae caelestis potentem, qui exoriens aperiat diem, occidens claudat., wie Horaz Carm. Saec. 9 sehr schön vom Sonnengotte sagt: Alme Sol, curru nitido diem qui promis et celas. Deshalb war der älteste Ianus Geminus in Rom, der von Numa gestiftete an der Grenze des Forums, so gerichtet daß der eine Kopf gegen Aufgang der andre gegen Untergang schaueteOvid Fast. I, 139 Sic ego prospicio caelestis ianitor aulae Eoas partes Hesperiasque simul. Procop. d. bello Goth. 1, 25 καὶ τοῦ προσώπου ϑάτερον μὲν πρὸς ἀνίσχοντα τὸ δὲ ἕτερον πρὸς δύοντα ἥλιον τέτραπται, ϑύραι τὲ χαλκαῖ ἐφ’ ἑκατέρῳ προσώπῳ εἰσίν..

So ward also aus diesem Pförtner des Himmels zunächst der himmlische Oeffner und Schließer (Patulcius Clusius) schlechthin, der sowohl im Himmel als auf Erden über allen Aus- und Eingang gebietet, am Himmel ein Herr über alle an ihm aufsteigenden und verschwindenden Erscheinungen, welches Ovid F. 1, 117 sogar in so weitem Umfange von ihm aussagt, daß er nicht allein den Himmel mit seinen Wolken, sondern selbst das Meer und die Erde unter seine Aufsicht stellt: auf der Erde als Herr über alle Thüren, Thore und Straßen und über alles sich in denselben hin und herbewegende Geschäft und Treiben der Menschen; ja er ist, weil durch ihn der Weg zu den Göttern des Lichts führte, auch der allgemeine Vermittler zwischen Himmel und ErdeOvid F. I, 171

Mox ego: Cur, quamvis aliorum numina placem,
    Iane, tibi primurn thura merumque fero?
Ut possis aditum per me, qui limina servo,
    Ad quoscunque voles, inquit, habere deos.

Daher galt er auch für den Stifter alles Gottesdienstes in Italien, Macrob. 1, 9, 3 vgl. ib. 9, wo auch die Sitte ihn bei jedem Opfer zuerst anzurufen durch die Absicht erklärt wird ut per eum pateat ad illum cui immolatur accessus, quasi preces supplicum per portas suas ad deos ipse transmittat. Arnob. III, 29 quem in cunctis anteponitis precibus et viam vobis pandere deorum ad audientiam creditis.

, daher seiner wie gesagt bei jedem Opfer und Gebet zuerst gedacht wurde. Auch die Wege und Oeffnungen des Krieges und des Friedens, die des Handels und der 151 Schiffahrt, ja die alles Lebens und aller Lebensthätigkeit waren in seine Hand gelegt, wie sich gleich deutlicher zeigen wird.

Nur darf man sich dieses Amt des Oeffnens und Schließens nicht so ganz mechanisch denken, daß nicht auch die dynamische Wirkung seiner lichten Sonnenkraft mit im Spiele wäre, wie dieses in folgenden Fällen deutlich zu sehen ist. So wurde er zunächst mit jedem neuen Morgen als Matutinus Pater angerufen, Horat. Sat. II, 6, 20, d. h. als der Gott des anbrechenden Tages, mit dem, wie Horaz hinzusetzt, die Menschen täglich alle ihre Lebensarbeit beginnen. Auch waren ihm deshalb die Anfänge aller Monate heilig d. h. die Kalenden, wo sich das Licht des zunehmenden Mondes zuerst wieder am Himmel zeigte, daher er auch als Ianus Iunonius angerufen und an allen Kalenden mit der Juno verehrt wurdeMacrob. I, 9, 16 Iunonium quasi – mensium omnium ingressus tenentem; in ditione autem lunonis sunt omnes Kalendae.. Unter den Monaten aber war ihm der Ianuarius gewiß deswegen heilig, weil dieser Monat gleich nach dem kürzesten Tage begann, also den natürlichen Anfang eines neuen Jahres bildete, obwohl Numa aus Rücksicht auf den Cult der Salier und des palatinischen Mars den alten Frühlingsanfang des Jahres mit dem Monate des Mars auch ferner gelten ließ.

Ein andres Merkmal, daß wir es beim Janus mit einem Sonnengotte zu thun haben, ist der Ursprung der Quellen, Flüsse und Ströme vom Janus; daher er in örtlichen Legenden für den Gemahl der Quellengöttin Iuturna und für den Vater des am Ianiculum verehrten Fontus, in andern selbst für den des Flußgottes Tiberinus galt, in noch andern die Feinde Roms dadurch abwehrt, daß er bei einem ihm heiligen Thore plötzlich einen heißen Sprudel aus der Erde entspringen läßt, Ovid Fast. 1, 269 Oraque, qua pollens ope sum fontana reclusi, Sumque repentinas eiaculatus aquas. Ein Glaube dessen näheres Verständniß erschlossen wird durch eine Erzählung bei Dionys H. I, 55, welcher sich auf örtliche Ueberlieferung beruft. Als Aeneas mit seinen Trojanern an dem öden Strande der Laurenter landet, leiden sie an brennendem Durst. Da sprudeln plötzlich zwei reiche Quellen aus dem Boden hervor, durch welche die Trojaner gesättigt und die ganze Gegend befruchtet wird, obgleich Dionysius sie zu seiner Zeit nur spärlich fließen sah. Dieses Wasser aber war dem Sonnengotte geweiht und man sah zwei Altäre desselben an der Quelle, den einen nach Morgen den andern nach Abend, 152 angeblich eine Stiftung des Aeneas. Vielmehr war es höchst wahrscheinlich eine alte latinische Ueberlieferung von jenem Pater Indiges am Numicius, welcher gewöhnlich für den Aeneas galt; wenigstens wüßte ich einen ähnlichen Glauben von der Sonne in Griechenland nicht nachzuweisenWohl aber finden sich Spuren desselben Glaubens in der deutschen und scandinavischen Mythologie, wo Phol und Balder zugleich Sonnen- und Quellengötter sind. Grimm D. M. 207..

Ja dieser Gott galt auch für den Urheber des organischen Lebens, namentlich für den Erreger und Befruchter des Keims der menschlichen Erzeugung, in welcher Bedeutung er in den Indigitamenten als Consivius angerufen und auch hier vor allen Göttern zuerst genannt wurde, Macrob. 1,9,16 Consivium a conserendo i. e. a propagine generis humani, quae Iano auctore conseriturTertull. ad Nat. II, 11 quia consationibus concubitalibus praesit. Augustin C. D. VII, 2 ipse primum Ianus cum puerperium concipitur – aditum aperit recipiendo semini. Ib. 9 Varro enumerare deos coepit a conceptione humana, quorum numerum exorsus est a Iano.. Daher Janus in einigen Geschlechtern patricischer Abkunft gradezu als Urheber des Geschlechts wie sonst der Genius verehrt wurde. So gab es in Rom ein altes Denkmal des Zweikampfs der Horatier und Curiatier, das sogenannte Sororium Tigillum, eine Art von Joch in einer der lebhaftesten Straßen, unter welchem der Sage nach der letzte Horatier zur Sühne des Schwestermords hatte hindurchgehn müssen. Daneben sah man zwei Altäre, welche der Iuno Sororia und dem Ianus Curiatius geweiht waren, jener wegen der getödteten Schwester, diesem wegen des Todes der Curiatier, Fest. p. 297, Dionys. III, 22, Labeo bei Io Lydus d. Mens. IV, 1, nach welchem Schriftsteller es sogar einen eignen Ianus Patricius in Rom gab, welcher von den ältesten und eingebornen Geschlechtern vermuthlich in ähnlicher Weise verehrt wurde wie Apollon πατρῷος von den Ioniern in Athen.

Nimmt man dazu daß Ianus von den Saliern gefeiert wurde als duonus cerus d. h. als creator bonus (S. 70), daß er bei ihnen der Gott der Götter hieß und von Andern der Aelteste von allen Göttern genannt wird und der Gott des Anfangs schlechthin, aller Dinge, aller Zeiten, aller GötterIuvenal S. VI, 393 dic antiquissime Divum – Iane Pater. Herodian 1, 16 ϑεὸς ἀρχαιότατος τῆς Ἰταλίας ἐπιχώριος. Martial X, 28, 1 annorum mundique sator. Septim. Seren. Anthol. 1, 191 O cate rerum sator, o principium deorum, – cui reserata mugiunt aurea claustra mundi. Paul. p. 52 cui primo supplicabant veluti parenti et a quo rerum omnium factum putabant initium., so ist es auffallend 153 genug daß sich aus solchen Vorstellungen nicht eine bestimmtere kosmogonische Anschauung, etwa die eines kosmischen Demiurgen entwickelt hat. Und wirklich hatte der Begriff dieses Gottes sich bei einigen Denkern und Gelehrten bis dahin erweitert. Namentlich verweist Macrobius auf eine Schrift des M. Valerius Messalla, eines Zeitgenossen des Cicero, worin derselbe vom Janus gesagt hatte: »Der Alles bildet, Alles regiert, alle Elemente, die nach unten drängende Natur des Wassers und der Erde und die nach oben entschwebende des Feuers und der Luft in der Wölbung des Himmels verbunden und dadurch für immer an einander gekettet hat«; vgl. Io Lydus d. Mens. IV, 1, nach welchem derselbe Messalla den Janus für identisch mit dem Aeon d. h. im Sinne der damaligen Theologie für den Demiurgen erklärte. Aehnliche Vorstellungen hatte Varro ausgesprochen und durch eine sehr gezwungene Auslegung des gewöhnlichen Doppelkopfes unterstützt, Augustin C. D. VII, 7. 8, daher sie sich bei Ovid. Fast. I, 103 ff. wiederholen und Martial X, 28 den Ianus den Schöpfer aller Jahre d. h. der Zeit und dieser ganzen schönen Weltordnung nennt. Möglich daß solche Gedanken durch die Etrusker angeregt wurden, deren Litteratur grade damals in Rom zugänglicher geworden war. Wenigstens sollen auch sie den Janus als einen Gott des Himmels und als den göttlichen Aufseher über alles Geschäft verehrt habenVarro sagte nach Io Lydus d. Mens. IV, 2 im 14. B. Rerum Divinarum vom Janus αὐτὸν παρὰ Θούσκοις οὐρανὸν λέγεσϑαι καὶ ἔφορον πάσης πράξεως.. Daß aber bei diesem merkwürdigen Volke auch kosmogonische Bilder und Vorstellungen seit alter Zeit in der Litteratur ihrer Priester gepflegt wurden, beweist das vielsagende Bruchstück bei den Gromat. vet. p. 350: Scias mare ex aethera remotum. Cum autem Iuppiter terram Etruriae sibi vindicavit etc., nach welchem also der Aether d. h. der reine leuchtende Himmel als das Erste gesetzt wurde und das Meer und die Erde erst durch Absonderung und Niederschlag aus demselben entstanden sind, doch wohl unter Betheiligung einer demiurgischen Gotteskraft.

In Rom erinnerten zunächst alle Thüren und Thore an Janus, denn sie hießen ja nach ihm ianuae und iani, bei welchem letzteren Worte immer speciell der Durchgang zu verstehen ist, entweder durch einen über die Straße geschlagenen Bogen oder 154 durch ein verschließbares Thor, auch die StadtthoreZ. B. bei der p. Carmentalis s. Becker Handb. d. röm. Alterth. 1, 137. Besonders häufig genannt wurden die drei Iani auf dem Forum, in welcher Gegend die Wechsler ihre Buden hatten, Horat. Ep. I, 1, 54 c. intpp. Nachmals baute Domitian durch die ganze Stadt viele Iani und arcus, von denen die letzteren als Triumphbögen mit Quadrigen, Spolien, Bildern der Feldzüge und des Siegs geschmückt waren, Sueton Domit. 13.. Also alle Thore und alle Bogen erinnerten an ihn, viele aber waren ihm auch ausdrücklich geheiligt, namentlich solche die auf Märkten und besonders lebhaften Straßen oder Kreuzwegen lagen, in welchem Falle sein Bild darin aufgestellt und aus dem Doppelbogen auch wohl ein verschließbarer Tempel mit zwei Thüren, aus dem doppelten Doppelbogen mit einem Ianus quadrifrons ein entsprechender Tempel mit vier Eingängen wurde. Unter diesen Tempeln war keiner so alt, so bedeutsam und ehrwürdig als der Ianus Geminus am Forum, als dessen Stifter immer Numa genannt wird. Wegen seiner kriegerischen Bestimmung führte dieser alte Janus und nur dieser den Beinamen Quirinus d. i. nach Macrob. I, 9, 16 quasi bellorum potens, ab hasta quam Sabini curin vocant, vgl. Lucan. Phars. I, 62 belligeri limina Iani. Wirklich gab es in den Urkunden der Pontifices eine Vorschrift des Numa über die auf Veranlassung von sogenannten spoliis opimis darzubringenden Opfer, daß in gewissen Fällen der Art dem Ianus Quirinus ein Schaafbock geopfert werden solle, Fest. p. 189, 16, vgl. Plut. Marcell. 8, und der Historiker Piso erzählte von dem Gesetze Numas daß dieser Bogen oder dieses Thor immer offen stehen solle, nisi quom bellum sit nusquam, Varro l. l. V, 165. Das ist der bekannte Gebrauch von welchem bei den Dichtern und Historikern so oft die Rede ist und um deswillen Livius I, 19 sagt, Numa habe diesen Janus gemacht zu einem index pacis bellique, apertus ut in armis esse civitatem, clausus pacatos circa omnes populos significaret. Ueber die Lage dieses Janus sind wir genau unterrichtet; er stand nehmlich an der sehr lebhaften Straße, welche von dem alten Forum zu dem des Cäsar führte, daher er in Folge der großen Bauten Domitians grade vor dem Senatsgebäude dieses Kaisers zu stehen kam, welches in jener die beiden Foren verbindenden Straße lagOvid Fast. I, 257. 263, Procop. de bello Goth. I, 25, Becker Handb. I, 255 ff., 348 ff. Becker scheint mir auch S. 119 die Hypothese Niebuhrs, daß dieser Janus ursprünglich auf den Verkehr der Römer auf dem Palatin und der Sabiner auf dem Quirinal berechnet gewesen sei, treffend widerlegt zu haben.. Sehr unklar 155 ist dagegen die Ursache jenes alten Gebrauchs, diesen Janus offen zu halten so lange es einen Krieg gab und nur dann zu schließen wenn überall Friede war, zumal da die Alten sehr verschiedene Gründe angeben. Einige erzählen eine Stadtlegende, wie sich dergleichen schon im alten Rom im Munde des Volkes nach gegebenen örtlichen Merkwürdigkeiten bildeten und im Laufe der Zeit immer ungenirter fortwucherten. Als die Römer und Sabiner unter Romulus und T. Tatius um das Forum kämpften, habe der römerfreundliche Janus die durch das offene Thor andringenden Sabiner vermittelst eines plötzlich entsprungenen heißen Schwefelquells zurückgejagt, seit welcher Zeit das Thor ihm heilig geworden und nur in Friedenszeiten verschlossen sei, s. Ovid. Fast. I, 259 ff. Indessen wurde diese Legende nicht allein von diesem Thore, sondern auch von einem andern in einer andern Gegend der Stadt erzählt, wo auch ein solcher Sprudel und ein offenes Thor zu finden sein mochte, Macrob. I, 9, 17. Andre erklärten sich die Pforten dieses Janus als Pforten des Kriegs, als ob dieser Dämon in Friedenszeiten unter der Hut des Janus darin verschlossen sitze, im Kriege aber gegen die Feinde losgelassen werde, Virgil Aen. I, 293, VII, 607, Andre umgekehrt als Stätte des Friedens, als ob dieser bei verschlossenen Thoren vom Janus festgehalten werde, Ovid. Fast. I, 281 pace fores obdo, ne qua discedere possit, Horat. Ep. II, 1, 255 claustraque custodem pacis cohibentia Ianum. Am weitesten kommt man wohl wenn man sich den Janus auch hier als einen Gott alles Ein- und Ausgangs und alles geweiheten Anfangs denkt, mit dem der alte Glaube bei jedem wichtigen Unternehmen anhub, also gewiß auch bei jedem kriegerischen Unternehmen, zu welchem die Schaaren der bürgerlichen Jugend auf Leben und Tod ausrückten. Wie Janus seine Gläubigen auf allen Wegen behütete, so ganz vorzugsweise auf diesem, daher die Pforten seines Heiligthums offen standen so lange die Landesjugend im Felde war; denn die Oeffnung eines Tempels stellt symbolisch die begleitende Mitwirkung eines Gottes dar, daher der Tempel der Hora Quirini, einer alten sabinischen Segensgöttin immer offen gehalten wurde, weil man sie sich immer segnend und thätig dachte, Plutarch Qu. Ro. 46. Ist aber der Krieg glücklich beendet, das Heer zurückgekehrt, so wird der Tempel geschlossen, denn der Staat bedarf der Mitwirkung dieses Janus, des Janus Quirinus, des ausdrücklich für den glücklichen Anfang und Auszug zum Kriege geweiheten nun nicht mehr: eine Erklärung welche schon bei den Alten angedeutet 156 wirdServ. V. A. 1, 294 Ideo autem Ianus belli tempore patebat, ut eiusdem conspectus per bellum pateret, in cuius potestate esset exitus reditusque.. Gewiß ist daß bei diesem Tempel seit alter Zeit beim Ausbruch eines Krieges Opfer gebracht und gewisse sinnbildliche Gebräuche vorgenommen wurden, daher dieser Janus allein ein consecrirter war, Ovid. F. I, 257 cum tot sint iani, cur stas sacratus in uno? Virgil Aen. VII, 607 sunt geminae belli portae – religione sacrae et saevi formidine Martis. Virgil, der diese Gebräuche für ein altes latinisches Herkommen hielt, erzählt daß, sobald ein Krieg vom Staate beschlossen war, der Consul mit einer Quirinalischen Trabea angethan und nach Gabinischer Weise gegürtet, die Thore des Tempels geöffnet und zur Schlacht gerufen habe, welchen Ruf die Jugend und schmetternde Kriegstrompeten wiederholten. Höchst wahrscheinlich wurden auch beim Abschluß des Friedens und dem Wiedereinrücken der Bürger entsprechende Gebräuche verrichtet, zumal da Numa immer als der Friedensfürst geschildert wird und Janus seiner Natur nach mehr den Frieden als den Krieg lieben mußte. Indessen wurde ein Friede mit allen Nachbarn in Rom immer seltener; daher das außerordentliche Gewicht, welches auf die Schließung dieses Janus gelegt wurde. Nach Livius I, 19 war er seit der Zeit des Numa nur zweimal geschlossen worden, einmal im J. 235 v. Chr., sechs Jahre nach dem Frieden des ersten punischen Kriegs, wo er aber noch in demselben Jahre wieder geöffnet wurde, Varro l. l. V, 165, zum zweitenmal im J. 29 v. Chr., als August nach der Schlacht bei Actium und einem Aufenthalte in Griechenland, Asien und Aegypten den Frieden auf die Dauer gesichert zu haben glaubte. Indessen ist der Tempel auch damals nicht lange verschlossen geblieben, da August selbst sich rühmtMon. Ancyr. Cum post Romam conditam Ianum Quirinum (das war der officielle Name. Bei Horat. Od. IV, 15, 9 heißt es ungenau Ianum Quirini) bis omnino clausum ante me fuisse prodatur memoriae, ter me principe claudendum esse decrevit Senatus. Vgl. Sueton Octav. 22. daß der Janus dreimal von ihm geschlossen sei, nehmlich zum zweitenmal im J. 25 v. Chr. und zum drittenmal im Jahre der Geburt Christi. Nach ihm rühmte sich Nero noch einmal der Welt den Frieden gegeben und den Janus geschlossen zu haben, daher auf seinen Münzen dieser Tempel oft zu sehen ist, ein kleines und niedriges Gebäude mit verschlossener Thür und von außen angebrachten GewindenVgl. Ovid F. I., 275 Ara mihi posita est parvo coniuncta sacello, Haec adolet flammis cum strue farra suis..

157 Außer diesem Heiligthum des Janus scheint es ein gleichfalls sehr altes und angesehenes auf oder bei dem Janiculum gegeben zu haben, welches Castell bekanntlich von dem Könige Ancus Marcius zum Schutze des Uebergangs über den Tiber und des Verkehrs auf diesem Strom angelegt wurde, zumal da Janus nach herkömmlicher Ueberlieferung auf dem Janiculum gewohnt hatteVirgil Aen. VIII, 358, Ovid F. I, 245, Macrob. I, 7, 19 u. A. Jedenfalls war hier ein alter und wichtiger Durchgang, s. Paul. p. 104 Ianiculum dictum quod per eum (montem) Romanus populus primitus transierit in agrum Etruscum.. Auch befanden sich dort alte Altäre seines Sohnes Fons oder Fontus und in dessen Nähe das Grab des NumaCic. de Leg. II, 22, 56 wo mit den besten Handschriften zu lesen ist ad Fontis aras. Vielleicht sind zwei Altäre anzunehmen, wie bei der Quelle in der Nähe von Laurentum, s. S. 151. Vgl. Arnob. III, 29, Becker Handb. I, 656.. Weiter ist auszuzeichnen der Ianus Quadrifrons mit einem entsprechenden Gebäude im Velabrum, der erste in seiner Art, da das darin befindliche Bild mit vier Gesichtern von Falerii gebracht worden war, vermuthlich im J. 461 d. St., 293 v. Chr., Macrob. I, 9, 13, Serv. V. A. VII, 607. Bekanntlich hat sich dieses Gebäude, welches auf einem lebhaften Kreuzwege lag, in später Restauration bis auf diesen Tag erhalten. Ferner gab es einen Tempel des Ianus Geminus beim Theater des Marcell, gleich vor dem Carmentalischen Thore und wieder in einer sehr lebhaften Gegend, da der ganze Verkehr zwischen dem Ochsenmarkte und dem Circus Flaminius hier durchrauschte; C. Duilius hatte ihn im ersten punischen Kriege gestiftet und Augustus und Tiberius restaurirten ihn, daher die Kalender ihrer Zeit an bestimmten Tagen Opfer bei diesem Janus vorschreibenKal. Capranic. XVI Kal. Sept. Iano ad theatrum Marcelli. Kal. Amitern. XV Kal. Nov. Iano ad Marcelli. Vgl. Tacit. A. II, 49 und Becker S. 138. 259.. Endlich wurden alle diese Gebäude an Pracht und Größe bei weitem übertroffen durch den Ianus Quadrifrons auf dem Durchgangsforum (f. transitorium) des Nerva, wo Domitian dieses bis in das Mittelalter erhaltene Gebäude errichtet hatte, Martial. X, 28. Also lauter lebhafte Passagen, daher es kein Wunder ist wenn die Römer sich ihren Janus nicht blos als den allgemeinen Schließer sondern auch als rüstigen Wanderer dachten und deshalb seine Bilder, wenn er in ganzer Figur dargestellt wurde, außer dem Schlüssel mit einem Wanderstabe ausrüsteten, Ovid F. I, 99 ille tenens baculum dextra 158 clavemque sinistra, Macrob. I, 9, 7 cum clavi et virga figuratur, quasi omnium et portarum custos et rector viarum.

Wie Janus aber als Gott des glücklichen Ein- und Ausgangs in allen Häusern, allen Straßen, allen Städten gedacht wurde, so scheint er auch ein Gott der Häfen gewesen, also als Portunus verehrt worden zu sein, obwohl dieser Name später gewöhnlich auf den griechischen Melikertes übertragen wurde. Portus war in der älteren Sprache ein Gebäude zum Ein- und AusgehnIn den Zwölftafelgesetzen stand portus noch für domus, s. Fest. p. 233. Die Wurzel ist πόρος, vgl. hortus von chors. Ueber Portunus vgl. Paul. p. 56 claudere et clavis ex Graeco descendit, cuius rei tutelam penes Portunum esse putabant, qui clavim manu tenere fingebatur et deus putabatur esse portarum. Die Inschrift b. Or. n. 1585 Iano Portuno ist verdächtig., also auch das Haus, daher Portunus ganz richtig für einen Gott sowohl der Thore als der Häfen genommen ward und so gut wie Janus den Schlüssel in der Hand führte, also in der That eigentlich Janus war, nur daß die gemeine Praxis des Hafen- und Seelebens aus der besondern Eigenschaft des allgemeinen Geleitgottes einen besondern Hafengott gemacht hatte. Als solcher hatte er einen Tempel am Tiberhafen in der Nähe des pons Aemilius, wo am 17. August eigne Portunalia gefeiert wurden, unter dem Aventin, wo noch jetzt die Tiberschiffe anzulanden und auszuladen pflegenVarro l. l. VI, 19 Portunalia dicta a Portuno, cui eo die aedes in portu Tiberino facta et feriae institutae. Intp. Veron. Aen. V, 241 Portunus, ut Varro ait, deus port[uum porta]rumque praeses. Quare huius dies festus Portunalia, qua aput veteres claves infocum add . . . mare institutum. Ich lese: quo apud veteres aedes in portu et feriae institutae. Vgl. die alten Kalender XVI Kal. Sept.. Daß dieser Cultus alt und volksthümlich war beweist der plebejische Flamen Portunalis b. Fest. p. 217. Es kommt hinzu, daß Janus für den Gemahl der See- und Quellengöttin Venilia galt, endlich daß Janus auch für den Erfinder des Schiffbaues gehalten wurde; wenigstens erklärte man sich so das gewöhnliche Gepräge des römischen As, Januskopf und Schiff, obwohl Andre dabei an das Schiff dachten, welches den Saturnus über See zum Janus brachteAthen. XV p. 692 E. vgl, Ovid F. I, 233 ff., Plutarch Qu. Ro. 41, Macrob. S. 1, 7, 22.. Ist jene Erklärung richtig, und sie wird dadurch daß Janus der eigentliche italische Gott des Geschäftsverkehres zu Wasser und zu Lande war, sehr empfohlen, so würde sich dadurch auch das gleichartige Gepräge der etruskischen Seestadt Telamon erklären.

Regelmäßige Festtage des Janus waren alle ersten 159 Monatstage, wo dem Ianus Iunonius neben der Juno geopfert wurde, daher ihm, leider ist nicht gesagt wo und von wem, zwölf Altäre für eben so viele Monate geweiht waren, und zwar bestand das gewöhnliche Opfer an diesen Tagen in einem Opferkuchen, den man Ianual nannteVarro b. Macrob. I, 9, 16, Paul. p. 104. Vgl. Io Lyd. d. Mens. IV, 2. wo u. a. ὁ δὲ Βάρρων – καὶ Ποπάνωνα (αὐτὸν λέγεσϑαι) διὰ τὸ ἐν ταῖς καλάνδαις ἀναφέρεσϑαι πόπανα.. Ohne Zweifel war unter diesen Festtagen der erste Januar in dem nach ihm benannten Monate von jeher besonders feierlich. Außerdem wurde in diesem Monate der neunte Tag durch eine Opferhandlung in der Regia ausgezeichnet, welche mit einem alterthümlichen, der Opferpraxis entlehnten Worte Agonia oder Agonalia genannt ward und in den römischen Kalendern zu wiederholten malen vorkommt, aber dem Janus soviel wir wissen nur an diesem Tage des Januar galtVarro spricht von mehreren Tagen, l. l. VI, 12 Agonales (dies) per quos rex in regia arietem immolat, dicti ab agone? eo quod interrogatur a principe civitatis et princeps gregis immolatur. Vgl. Paul. p. 10 Agonium und Ovid F. I, 317 ff. In den Kalendern sind noch drei andre Tage mit AGON, AGO oder AG bezeichnet, der 17. März, der 21. Mai und der 11. December, doch ist dabei nur an den alterthümlichen Ritus, nicht an ein und dasselbe Fest zu denken. Ovid F. V, 721 ad Ianum redeat qui quaerit Agonia quid sint verweist seine Leser auf das was er über diesen Ausdruck im Mt. Januar gesagt habe.. Das Characteristische bestand an demselben darin daß ein Widder, und zwar als Führer seiner Heerde (princeps gregis) geopfert wurde und daß der opfernde Priester der Rex Sacrorum, ursprünglich ohne Zweifel das wirkliche Haupt des Staates (princeps civitatis) war, indem übrigens die bei allen Agonien herkömmliche Förmlichkeit beobachtet wurde. Der Opfernde that nehmlich die solenne Frage agone? d. h. soll ich das Opfer herbeiführen? und erst nachdem es ihm ausdrücklich geheißen war, brachte er das Opfer dar. Unverkennbar entsprechen sich bei jenem alten Gebrauche der princeps civitatis d. i. der Rex und der princeps gregis d. i. der Widder als Opfer, höchst wahrscheinlich sollte aber auch hier der Gott Janus als der Erste, der Anfängliche, als princeps deorum gefeiert werden, und vermuthlich geschah dieses ursprünglich mit Beziehung auf die Jahreszeit, da die Tage eben wieder anfingen länger zu werden, das uranfängliche Licht der Sonne zur Erde zurückzukehren. Eine bedeutendere und allgemeine Neujahrsfeier zu Ehren des Janus war freilich erst dann möglich als die Kalenden nach dem kürzesten Tage von Staatswegen Neujahrsanfang geworden waren, d. h. seit dem J. 601 d. St., 160 153 v. Chr., seit welcher Zeit die Consuln ihr Amt Kalendis Ianuariis antraten, was zu der allgemeinen Lust des Tages den eben so feierlichen als stattlichen Act des Zuges der neuen Consuln auf das Capitol hinzufügte. Durch die ganze Stadt, ja durch ganz Italien und alle von römischer Sitte bestimmte Provinzen war der erste Januar nun der Tag des neuen, des glücklichen Anfangs, wo man sich auf jede Weise des Guten und Glücklichen zu versichern suchte, so daß der alte Gott des neuen Anfangs nun erst recht zu Ehren kam. Alles bat ihn gleich mit dem ersten Tagesanbruch um günstige Zeichen, Alles vermied auf das ängstlichste jede Störung, jeden Streit, jede Mühe, da nach römischem Glauben bei jedem Werke unendlich viel auf einen guten Anfang ankam: Alles wünschte sich unter einander Glück und beschenkte sich mit geringen, aber Glück und Annehmlichkeit und einen gesegneten Anfang bedeutenden Geschenken, s. Ovid F. I, 71 ff, Plin. H. N. XXVIII, 2, 5. Vorzüglich beliebt waren zu diesem Behuf die sogenannten strenae, von denen sich eine letzte Spur bekanntlich in den französischen étrennes erhalten hat. Das war ein sehr alter Brauch, dessen Name mit dem Culte der sabinischen Segensgöttin Strenia, einer Art von Salus zusammenhängt, aus deren Hain schon zur Zeit des T. Tatius d. h. seit der ersten Begründung des sabinischen Auguralwesens auf der Arx (S. 110) beim Jahresanfang Glück verheißende Zweige auf die Arx getragen sein sollen. Aus diesem alten Gottesdienste war der populäre Gebrauch entstanden, sich in Erinnerung der alten Heilsgöttin allerlei Glück und Heil verheißendes Laub, jetzt namentlich die Apollinischen Lorbeer- und Palmzweige mit entsprechenden Glückwünschen und mit allerlei Geschenken zuzuschicken, welche vorzugsweise in allerlei süßen Dingen bestanden, Feigen, Datteln und Honigkuchen, zum guten Omen daß das neue Jahr nur Süßes und Angenehmes bringen möge, s. Ovid F. I, 185 ff., Martial. VIII, 33, 11; XIII, 27. Dazu fügte man auch eßbare Eicheln, welche an die älteste Vorzeit des Waldes, und einige Stücke der altherkömmlichen Asses mit dem Januskopfe und dem Schiff, welche an die gesegnete Vorzeit des Janus und Saturnus und den neuen guten Anfang in allen Dingen erinnern sollten, sammt andern Münzen mit andern zu der Weihe des Tages passenden Symbolen; daher auf jenen Asses die häufige Bekränzung des Janus mit Lorbeer, wie man denn nun dem alten Gotte auch die Erfindung des Kranzes zuschriebAthen. XV p. 692 E, Klausen Aeneas u. d. P. 714.. Endlich fügte 161 man einen guten Wunsch hinzu und bediente sich zu diesem Zwecke, um alle diese Dinge in einem Miniaturbilde zu vereinigen, gerne jener eben so unscheinbaren als zierlichen Lampen von Thon oder Bronze mit dem Bilde einer Victoria, die einen Schild mit der Inschrift Annum Novum Faustum Felicem mihi oder tibi sit in der Hand trägt und von den kleinen Bildern eines Lorbeerblatts, eines Zweiges mit Datteln, eines Haufens gepreßter Feigen, einer Eichel, einem As mit dem Januskopfe und andern Münzen umgeben ist, wie sich davon verschiedene erhalten habenZ. B. die irdene bei Passeri luc. fictil. 1, 6 und die bronzene aus Pompeji in der Sammlung von Roux VI t, 48, vgl. Böttiger kl. Schr. 3, 307 ff., Fabretti Inscr. p. 500 n. 36. 37, Mommsen I. N. 6308, 2–4. Für Hadrian und Antoninus Pius bestimmte Münzen mit der Inschrift S. P. Q. R. A. N. F. F. d. h. Senatus Populusque Romanus Annum Novum Faustum Felicem bei Eckhel D. N. VI p. 508; VII p. 11.. Namentlich wurden die vornehmen Gönner von ihren Clienten mit solchen Gaben begrüßt, ja selbst die Kaiser verschmähten es nicht sich von ihren getreuen Unterthanen an diesem Tage mit vollen Händen beschenken zu lassen und wieder zu schenken; der finstre Tiberius mußte dem Andrang der Gaben und Glückwünsche, welche sich nicht immer am ersten Tage des neuen Jahres anbringen ließen, durch ein eignes Edict steuernSueton Octav. 57, Dio Cass. LIV, 31, Sueton Tiber 34, Calig. 42, Nero 46. Die Sitte dauerte bis auf Arcadius und Honorius.. Auch pflegte ein Jeder sein tägliches Geschäft an diesem Tage durch einen kurzen und glücklichen Anfang, aber nur durch diesen für das ganze Jahr zu weihen, sowohl auf dem Lande als in der Stadt, so sehr war man davon überzeugt daß was an diesem Tage gut von statten gehe auch für die Folge glücken müsseOvid F. 1, 167 Quisque suas artes ob idem delibat agendo Nec plus quam solitum testificatur opus. Vgl. Seneca Ep. 83, Columella d. r. r. XI, 2, 98.. Die größte Feierlichkeit aber für die ganze Stadt war jenes erste Hervortreten der neu gewählten Magistrate, namentlich der Consuln an demselben ersten Januar, indem auch sie nun an diesem Tage ihr Amt unter feierlichen Opfern und Gebeten antraten. Vor Tagesanbruch erhoben sie sich, um unter freiem Himmel nach günstigen Zeichen zu suchen, legten darauf in ihrem Hause die amtliche Kleidung an, empfingen die Glückwünsche von ihrem Anhange und den Senatoren und zogen darauf, während alle Altäre dampften, in der Begleitung des Senats, der Ritterschaft und einer zahlreichen Menge hinauf 162 zum Capitol, um dort dem Jupiter O. M. als höchstem Schutzherrn des römischen Staates das gewöhnliche Opfer auserlesener weißer Farren darzubringen und gleich darauf die erste Senatssitzung zu haltenOvid ex Ponto IV, 9, 7, Fast. 1, 75 ff, Becker Handb. II, 2, 122 ff. Die Beschreibung bei Io Lyd. IV, 3 kann höchstens für die Zeit der späteren Kaiser gelten.. Der zweite Tag galt in jedem Monate für einen unglücklichen (S. 143), daher auch in diesem erst der dritte zu einer neuen Feier bestimmt war, nehmlich zu der der Gelübde für das Wohl des Kaisers, weshalb dieser Tag gewöhnlich zum Unterschiede von den Opfern der Kalendae Ianuariae schlechthin der Tag der Vota genannt wurde. Es waren dieses die üblichen Vota pro salute principis d. h. Opfer und Gebete, welche von den höchsten Magistraten unter Mitwirkung der Pontifices und andrer Geistlichen für das Wohl des Kaisers und des kaiserlichen Hauses, wie sie im vorigen Jahre gelobt worden waren, den Göttern dargebracht und von neuem versprochen und in dieser Form von Jahr zu Jahr immer zugleich geleistet und von neuem concipirt wurdenMarini Atti Arv. p. 56, Avellino Opusc. III p. 241 sqq.; Marquardt Handb. d. R. A. IV, 219, wo ich aber den Beweis vermisse, daß am ersten Januar von den neuen Consuln vota pro salute reipublicae concipirt wurden. Dio Cass. 21, 19 spricht von öffentlichen Gebeten der Priester im Allgemeinen. Tacitus IV, 70 unterscheidet ausdrücklich die Sacra des ersten und die Vota des dritten Januars.. Beide Feierlichkeiten, sowohl die Sacra des ersten Januars als die Vota des dritten, haben sich bis in sehr späte Zeit erhalten.

Neben diesen Festlichkeiten bildete und erhielt sich allerlei volksthümliche Ueberlieferung vom Janus, in welcher er bald als der erste und anfängliche Landeskönig erscheint, bald als Gatte und Liebhaber von verschiedenen Nymphen und Göttinnen, wie sie eben zu seiner Natur paßten. Es war eine heilige und selige Zeit, erzählte man sich, als Janus regierte, eine Zeit wo Götter und Menschen noch in ununterbrochenem Verkehre standenOvid F. 1, 247 Tunc ego regnabam patiens cum terra deorum esset et humanis numina mixta locis.. Alles war voll Unschuld und Sicherheit und immer dampften die Altäre von lodernden Opfern, daher dem Janus alle Eingänge und Ausgänge der Häuser geheiligt blieben und, weil er die Menschen opfern und beten gelehrt, bei jedem Opfer immer zuerst seiner gedacht wurde. Seine Residenz sei das Janiculum gewesen, behauptete man in Rom, doch habe er anfangs 163 gemeinschaftlich mit einem andern eingebornen Könige Cameses regiert, nach welchem das Land Camasene genannt worden sei, dann aber allein und mit solcher Umsicht und Weisheit, daß man ihm deshalb später das doppelte Gesicht zugeschrieben habeEin beliebter Witz, s. Seneca de morte Claudii 9 qui semper videt ἅμα πρόσσω καὶ ὀπίσσω. Pers. 1, 58 O Iane , a tergo quem nulla ciconia pinsit.. Hernach sei Saturnus über See zu ihm gekommen und dem Janus ein Lehrer im Ackerbau und vielen nützlichen Erfindungen geworden, namentlich im Münzprägen und im Schiffbau. Andre Schriftsteller nennen Camesene oder Camasene die Schwester oder die Frau des Janus, mit welcher er den Flußgott Tiberinus erzeugt habeServ. V. A. VIII, 330, Demophilus b. Athen. XV p. 692 E., Plutarch Qu. Ro. 22, welche Schriftsteller mit thessalischen und epirotischen Völkernamen bei diesem Paare anknüpfen. Camese könnte stehen für Camere, vgl. Tutere.; wobei entweder eine den römischen Carmentes und Casmenen verwandte Quellengöttin oder eine Erinnerung an den alten umbrischen Stammnamen der Camertes zu Grunde liegt, welcher sich in der Umgegend von Clusium lange behauptet hatte. Andre Ueberlieferungen nannten die Fluß- und Seegöttin Venilia seine Gattin und Canens, die schöne und gesangreiche Nymphe, die zärtliche Gattin des laurentischen Picus, seine Tochter, Ovid Met. XIV, 335 ff., wieder andre nannten ihn Gemahl der durch ganz Latium verehrten Heil- und Segensgöttin Juturna und Vater des Fontus, Arnob. III, 9, lauter Erzählungen in denen seine alte Natur des Ursprungs- und Quellengottes deutlich durchblickt. Dahingegen das naiv drollige Volksmährchen von seiner Liebe zur Carna bei Ovid F. VI, 101 ff. speciell den Gott alles Aus- und Eingangs vor Augen hatte, wie diese Göttin alle Liebe und Liebhaber floh, bis kein Versteck sie vor dem Doppelgesicht des Janus zu schützen vermag und der mächtige Gott dann ihre Hingebung mit dem Ehrenamte über alle Thüren und Schwellen und mit der Gabe des Weißdorns belohnt, einem wirksamen Gegenzauber gegen jede Anfechtung der StrigenBei Martian. Cap. 1, 4 Ianusque Argionam utraque miratur effgie ist wohl zu lesen Carnam..

Schließlich mag von dem bekannten Doppelkopfe des Janus und von andern bildlichen Darstellungen des auch in dieser Hinsicht eigenthümlichen Gottes die Rede sein. Obwohl es die Frage ist ob der Doppelkopf eine eigenthümliche Erfindung des 164 alten Italiens ist oder ob auch dieses Symbol den Etruskern und Römern von den Griechen zukam, da es sich bei diesen in sehr verschiedner Anwendung findet, namentlich auch in dem alten Bilde des gestirnten Himmels Argos, den Hermes tödtet. Genug man findet diesen Doppelkopf nicht blos auf römischen Münzen, sondern auch auf den etrurischen von Volaterrä und Telamon und den campanischen von Capua; ja nach Athen. XV p. 692 E hätten auch sonst viele Städte in Griechenland, Italien und Sicilien mit dem Januskopfe und einem dem römischen As entsprechenden Reverse gemünzt. Was Rom betrifft so ist es kaum wahrscheinlich daß dieses Gepräge dort erfunden wurde, daher man aus dem Schiffe auf der Kehrseite nicht zu viel folgern sollte. Immer sind beide Gesichter des Doppelkopfs von derselben Bildung, in Rom bärtig, in Volaterrä und Capua beide unbärtig, wobei vielleicht die Verehrung des Quellengottes Fontus, des jüngeren Janus zu Grunde liegt, dessen Doppelkopf auf den Münzen der römischen Familie Fonteia gleichfalls unbärtig erscheint. Wie nahe die bärtige griechische Doppelherme dem römischen Januskopfe stand, sieht man daraus daß Augustus ein Bild für diesen, man wußte nicht ob es ein Werk des Scopas oder des Praxiteles war, aus Aegypten (doch wohl aus Alexandrien) mitbrachte, Plin. H. N. XXXVI, 5, 4, 28. Eine Bildung, wo der eine Kopf bärtig, der andre unbärtig wäre, dürfte aus älterer Zeit nicht nachzuweisen sein, doch sieht man einen Janus in ganzer Figur mit solchem Doppelkopfe auf Münzen des Kaisers Gallien. Ueberhaupt scheinen die Bilder in ganzer Figur auch beim Janus mit der Zeit gewöhnlich geworden zu sein. Bereits erwähnt ist die mit den Attributen des Schlüssels und des Stabes: bei andern hatte man die Finger der rechten Hand so gestellt, daß sie die Zahl CCC, die der linken daß sie die Zahl LXV, also beide zusammen die Zahl der 365 Tage des Jahres darstelltenPlin. XXXIV, 7, 16, Macrob. S. 1, 9, 10, Suid. v. Ἰανουάριος, Io Lyd. IV, 1. Ein Janusbild mit dem Stabe hat Panofka auf einer Gemme nachgewiesen. Auf der M. Galliens erscheint Janus stans togatus d. vateram s. sceptrum. Eckhel D. N. VII p. 396..


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