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Dieses Götterpaar gehörte durch ganz Italien zu den ältesten und populärsten. So war in Rom das Heiligthum des 409 Saturnus beim Aufgange zum Capitol eins der ältesten Denkmäler der mit Aboriginern und andern mythischen Gestalten erfüllten Vorzeit von LatiumDionys. 1, 19, Justin. XLIII, 1, Macrob. I, 7, 28, Varro l. l. V, 74.; obwohl daneben auch die Sabiner des T. Tatius ihren eignen Saturnusdienst mit nach Rom gebracht haben sollen. Ja ein großer Theil von Italien soll einmal Saturnia geheißen haben, und Dionys. I, 34 versichert ausdrücklich daß man seinen Heiligthümern in diesem Lande sehr oft begegne und viele alte Städte und Stätten nach ihm benannt würden, namentlich die Höhen und die Berge, an denen das Andenken der alten nationalen Götter gewöhnlich am längsten haftet.
Ist Ops deutlich genug die gütige Mutter Erde, so ist Saturnus eben so deutlich der männliche Erdgott, zunächst als Gott der Saaten, denn Saturnus ist abzuleiten a satu oder a sationibusVarro l. l. V, 57. 64 und bei Augustin C. D. VI, 8, VII, 13, Tertull. ad Nat. II, 12, Fest. p. 186 Opima Spolia und p. 325 Saturno. Jene Inschrift des neuerdings bekannt gewordenen Gefäßes lautet SAETVRNI POCOLOM. Vgl. Ritschl de fictilibus litteratis latin. antiquiss. Berol. 1853.. In der alten Inschrift eines Gefäßes lautet der Name Săĕturnus und wahrscheinlich wurde er in dieser Form auch in den Saliarischen Liedern angerufen; daraus ist durch Contraction der beiden ersten Silben Säturnus entstanden. Indessen ist sein Wesen durch diese nächste Beziehung auf das Geschäft und den Segen der Aussaat keineswegs erschöpft, sondern er ist der Stifter und Vorsteher des italischen Ackerbaus im weitesten Sinne des Wortes, der eigentlich in die nationale Sage und einen entsprechenden Gottesdienst hinübergetretene Tellumo. So deutet die Sichel, das gewöhnliche Attribut des Saturn, darauf daß er auch als Erndtegott verehrt wurde, und wollten Andre in diesem Attribut ein Winzermesser erkennen, so ist es gewiß daß ihm auch die Stiftungen der Baumzucht und des Weinbaus gewöhnlich zugeschrieben wurdenFest. l. c, Macrob. S. I, 7, 24, vgl. ib. 25 Huic deo insertiones surculorum pomorumque educationes et omnium huiusmodi fertilium tribuunt disciplinas und Arnob. III, 29, VI, 12. Eine angeblich aus dem Lande der Peligner stammende griechische Inschrift Ἀμπελοφύτης Κρόνος C. I. Gr. III n. 5877c wird von Mommsen I. N. fals. n. 829 für unächt erklärt.. Ja man schrieb ihm mit den übrigen Erfindungen des Ackerbaus auch die der Düngung zu, daher Saturnus oder sein Sohn Picus in Latium nicht zum wenigsten deswegen gepriesen und unter dem Namen Sterculus oder Stercutus verherrlicht wurdeTertull. Apolog. 25, Ad Nat. II, 9, Augustin C. D. XVIII, 15, Lactant. 1, 20, Plin. H. N. XVII, 9, 6, bei denen die Formen Sterces, Sterculus und Sterculius, Stercutus und Stercutius neben einander vorkommen. In Rom soll es eine von Picus gestiftete ara Stercuti gegeben haben, Isidor. Orig. XVII, 1, 3. Vgl. oben S. 331.. Endlich ist er als Urheber des 410 Ackerbaus und seiner Segnungen auch der historische Repräsentant derselben, worüber er von selbst zum mythischen Könige wurde, welchen man, sobald man sich einmal von dem höheren Alterthum der griechischen Cultur überzeugt und in Griechenland den sinnverwandten Gott Kronos kennen gelernt hatte, von dort nach Italien einwandern ließ. So entstand die von römischen und griechischen Schriftstellern oft wiederholte ErzählungTertullian ad Nat. II, 12, Lactant. 1, 13, Minuc. Fel. Octav. p. 209, welche sich auf andre Schriftsteller, u. a. auf Varro berufen, Virg. Aen. VIII, 319 ff., Ovid F. I, 233 ff. Ennius scheint diese Sage in den Annalen kurz berührt, im Euhemerus ausführlich erzählt zu haben, s. Vahlen p. 169 sqq., daß Saturnus, nachdem Jupiter ihn vom Throne gestoßen, nach längerem Umherirren zur See nach Latium gekommen sei und sich hier verborgen habe, durch welche Verborgenheit gewöhnlich der Name Latium erklärt wurdeVirg. Aen. VIII, 321 Is genus indocile ac dispersum montibus altis composuit legesque dedit Latiumque vocari maluit, his quoniam latuisset tutus in oris. Ovid F. I, 236 Dicta quoque est Latium terra latente deo. Vgl. Ennius p. 171 ed. Vahlen.. In Rom erzählte man daß er zu Schiff den Tiberstrom bis zum Janiculum hinaufgefahren sei, hier beim Janus freundliche Aufnahme gefunden und an der andern Stromseite unter dem nachmaligen Capitole, welcher Hügel nach ihm zuerst der Saturnische genannt worden sei, seinen Sitz aufgeschlagen habe. Nehmlich an dem Fuße dieses Hügels und zwar am Aufgange vom Forum her, da wo der sogenannte Capitolinische Steig (clivus) begann, lag das sehr alte Heiligthum des Saturnus, dessen Stiftung bald dem Janus bald dem Hercules zugeschrieben wurde. Ja man wollte dort noch in späterer Zeit die Spuren einer förmlichen Ansiedlung, einer Stadt oder eines Castells nachweisen, so fest hatte sich die Vorstellung eingewurzelt daß Saturnus wie Janus, Picus, Faunus und andre Culturgötter der Vorwelt ein wirklicher König gewesenVarro l. l. V, 42 Hunc autem montem Saturnium appellatum prodiderunt et ab eo late Saturniam terram, ut etiam Ennius appellat. Antiquum oppidum in hoc fuisse Saturnia scribitur. Eius vestigia etiam nunc manent tria, quod Saturni fanum in faucibus, quod Saturnia porta, quam Iunius scribit ibi, quam nunc vocant Pandanam, quod post aedem Saturni in aedificiorum legibus privatis parietes postici muri sunt scripti. Vgl. Fest. p. 322 Saturnia, Solin. 1, 13, Virg. Aen. VIII, 355.. Auch 411 sprach man von einer ältesten Saturnischen Bevölkerung der Stadt und des Landes, in welchem Sinne, dieses erhellt daraus daß man von denen die in alter einfacher Sitte von dem Landbau lebten zu sagen pflegte, sie allein seien noch übrig von dem Stamme des Königs SaturnusVarro r. r. III, 1, 5 Nec sine causa Terram eandem appellabant Matrem et Cererem, et qui eam colerent piam et utilem agere vitam credebant, atque eos solos reliquos esse ex stirpe Saturni regis., und daß man das älteste kunstlose, aber nationale Versmaß, in welchem Faunus und die von ihm Begeisterten orakelt und die Dichter vor Ennius gedichtet hatten, das Faunische oder das Saturnische nannte (S. 339). Immer bringt Saturnus den Ackerbau und alle Segnungen desselben mit sich: mit welcher Vorstellung sich sowohl in der Sage als in seinem Gottesdienste das Bild jener seligen und goldnen Vorzeit verschmolz, wie es keinem Volke fehlt und von den Mühseligen und Beladenen im Volke, den arbeitenden und dienenden Klassen immer am eifrigsten festgehalten wirdLucret. II, 1168 tristis item vetulae vitis sator atque vietae temporis incusat momen caelumque fatigat et crepat antiquum genus ut pietate repletum perfacile angustis tolerarit finibus aevom.: ein Leben der reichlichsten Fülle, deren Genuß noch durch keine Theilung des Besitzes gestört gewesen sei, des beständigen Friedens, der allgemeinen Freiheit und Gleichheit, da namentlich von Sklaven und von Knechtschaft diese Zeit noch nichts gewußt habeVirg. Ge. II, 536, Aen. VIII, 324 ff., Iustin. XLIII, 1, Macrob. S. I, 7, 26.. Zuletzt ist Saturnus »verschwunden«, wie alle diese guten Könige und Wohlthäter der Vorzeit (S. 85), worauf Janus, welcher erst durch ihn die Elemente der Bildung, namentlich auch den Schiffbau und das Münzprägen lernte, sein Geld zur Erinnerung an solche Wohlthat und an den innigen Verein auf der einen Seite mit seinem eignen Kopfe, auf der andern mit dem Schiffe, welches Saturn nach Italien brachte, geprägt habe (S. 163). Sicher ist daß Janus und Saturnus sowohl im Culte, wo ihre Feste unmittelbar auf einander folgten, als in der gemeinen Vorstellung als Repräsentanten des Anfangs und der goldnen Vorzeit ein eng verbundnes Paar blieben.
Andre nannten den König Tullus Hostilius den Stifter des römischen Saturnusdienstes, namentlich der Saturnalienfeier; dahingegen der erste Bau eines Tempels auch in diesem alten Heiligthum nach sichrer Nachricht erst durch den jüngeren Tarquinius eingeleitet, der Tempel selbst aber erst nach seiner 412 Vertreibung, im Jahre 256 oder 257 d. St. eingeweiht wurdeLiv. II, 21, Dionys V, 1, Macrob. S. I, 8, vgl. meine Regionen d. St. R. S. 145 ff. und Canina Indicazione topogr. di Roma antica p. 276 ed. 4, Annal. dell' Inst. 1849 p. 260.. Auch später wurde wiederholt daran gebaut und hergestellt und jedenfalls ist die jetzige Ruine der acht Säulen, welche mit größter Wahrscheinlichkeit für einen letzten Rest dieses Saturnustempels gehalten wird, eine Restauration der Kaiserzeit. Der Tempel war dem Saturnus und der Ops gemeinschaftlich gewidmet; vor ihm befand sich neben dem Altare eine Capelle des Gottes der Unterwelt Dis Pater, an welchen auch die Saturnalienfeier durch gewisse Gebräuche erinnerteMacrob. S. I, 11, 48 sacellum Ditis arae Saturni cohaerens. Vgl. I, 7, 31.. Unter dem Tempel befand sich in einem kellerartigen Gewölbe die römische Schatzkammer (aerarium Saturni), welche man in dem Glauben, daß unter Saturnus die goldne Zeit und allgemeiner Wohlstand geherrscht habe, unter den Schutz dieses Gottes gestellt hatte, wie denn auch der Kauf und Verkauf auf dem benachbarten Markte und die Markttage selbst dem Saturnus geweiht gewesen sein sollenMacrob. I, 8, 3, Plut. Public. 12, Qu. Ro. 42. Daß dieses Aerarium ein kellerartiges Gewölbe unter oder hinter dem Tempel war, folgt aus der Beschreibung bei Lucan. Pharsal. III, 153 ff. Auf einer Inschrift b. Or. 1507 führt S. den Beinamen Conservator.. Der auffallende Umstand daß das in dem Tempel befindliche Bild des Saturnus das ganze Jahr hindurch mit Ausnahme seiner Festtage im December an den Füßen mit wollenen Binden umwickelt und wie gefesselt warMacrob. I, 8, 5, daher Stat. Silv. 1, 6, 4 von den Saturnalien: Saturnus mihi compede exsoluta et multo gravidus mero December. Vgl. Arnob. IV, 24, Minuc. Fel. p. 184 pedibus Mercurius alatis, Pan ungulatis, Saturnus compeditis., erklärt sich am natürlichsten aus dem mehrfach hervortretenden Glauben der Alten, daß man sich durch Fesselung oder Anbindung eines Götterbildes des von dem Gotte ausgehenden Segens und seiner unsichtbaren Gegenwart talismanisch versichern könne. Der Ritus war bei diesem Gottesdienste insofern ein eigenthümlicher als man am Altare des Saturnus nicht wie gewöhnlich mit verhülltem Haupte (velato capite) opferte und betete, sondern mit entblößtem Haupte (aperto capite), was man auch lucem facere nannteFest. p. 322 Saturnia, Paul. p. 119 lucem facere, vgl. Dionys. 1, 38, Plut. Qu. Ro. 11, Macrob. I, 7, 27; 8, 2.: offenbar eine Einwirkung des griechischen Ritus, welche sich 413 dadurch von selbst erklärt, daß auch hier die sibyllinischen Bücher gelegentlich ein entscheidendes Wort gesprochen hatten. Die gewöhnliche Legende erzählte, daß der griechische Hercules bei seiner Anwesenheit in Rom die früheren Menschenopfer des Saturnus abgeschafft und bei dieser Gelegenheit jenen Altar und einfachere Opfer mit dem fremden Ritus gestiftet habe. Eben deshalb wurden die sogenannten Saturnii d. h. die mythischen Bewohner der Saturnusstadt von Andern für die zurückgebliebenen Begleiter des griechischen Hercules gehalten.
Die Bedeutung des eben so alten als beliebten und zu allen Zeiten sehr volksthümlichen Festes der Saturnalien läßt sich theils aus der Zeit, in welcher es gefeiert wurde, theils aus den dabei beobachteten Gebräuchen abnehmen. Der eigentliche Festtag war der 17. December, nach dem römischen Kalender so lange dieser Monat blos 29 Tage hatte a. d. XIV Kal. Ian., seit Cäsar, durch welchen er 31 Tage bekam, a. d. XVI Kal. Ian.: also jedenfalls mitten im Winter und um die Zeit der größten KälteSo sagt ein Atellanendichter Mummius bei Macrob. I, 10, 3 Nostri maiores velut bene multa instituere, optime a frigore fecere summo septem Saturnalia. Vgl. ib. 19. so daß von einer Erndtefeier, an welche alte und neue Mythologen gedacht haben, doch wohl nicht die Rede sein kann. Vielmehr ist Saturnus um diese Zeit recht eigentlich der verborgene Gott der Tiefe, nach welchem Latium das Land des verborgnen Gottes hießHerodian 1, 16 διὰ ταῦτά τοι καὶ μέχρι νῦν Ἰταλιῶται τὰ μὲν Κρόνια προεορτάζουσι ϑεῷ τῷ λαϑόντι, τὴν δὲ τοῦ ἔτους ἀρχὴν ἱερομηνίαν ἄγουσι τῷ τῆς ’Ιταλίας ϑεῷ d. h. dem Ianus., d. h. der Gott der Saaten, der Segenspender aus der Tiefe, wie der nahe verwandte Consus und Dis Pater, von welchen Göttern dieser neben dem Saturnus verehrt, jener wenige Tage vor ihm gefeiert wurde; wie denn auch die gleichartige Segens- und Todesgöttin Acca Larentia und in einigen Familien die Todten überhaupt nicht im Februar, sondern im December ihre Opfer bekamenPlut. Qu. Ro. 34., welcher wegen der Nähe der Sonnenwende und des kürzesten Tages von selbst zu solchen Betrachtungen einlud. Indessen scheint man seit alter Zeit die Saturnalien vom 17. Dec. an sieben Tage lang gefeiert, also bis in diese Zeit des kürzesten Tages, unserer Weihnachten hinübergezogen und eben deshalb, wie diese Jahreszeit in so vielen Religionssystemen die Bedeutung einer gesegneten und die einer allgemeinen Erneuerung der Natur hat, zugleich als solche 414 begangen zu haben; wenigstens ist diese Bedeutung des Segens und der Fülle sowohl bei den Saturnalien als bei den dann gefeierten Göttern, dem Saturnus und der Ops, von jeher die populäre gewesen. Noch sind sie verborgen, aber schon kommen sie wieder und bringen mit sich alle guten Gaben und die ganze gesegnete Vorzeit des goldnen Zeitalters; daher der vorherrschende Character dieses Festes der einer sinnbildlichen Rückkehr in die glücklichen Zeiten war, wo Saturnus wirklich unter den Menschen gelebt hatte: lauter Freude und Freiheit, ein ausgelassenes Jubeln, Schmausen und Schenken durch die ganze Stadt. Besonders gut hatten es die Sklaven, welche an diesem Feste in Erinnerung an die allgemeine Freiheit und Gleichheit der Saturnischen Vorzeit von den Herrn wie ihres Gleichen behandelt, vor der Herrschaft oder mit ihr gespeist, ja wohl gar von derselben bei Tafel bedient wurden und sich überhaupt sehr viel herausnehmen durftenHorat. Sat. II, 7, 4 und Od. III, 17, 4, wo der Dichter gleichfalls die Saturnalien im Sinne hat, vgl. Martial. XIV, 70. Mehr bei Macrob. I, 7, 26. 37 ; 24, 23, Iustin. XLIII, 1, Dio LX, 19, Athen. XIV p. 639B, Arrian Epictet. Diss. IV, 1, 58 u. A.. Doch sollte in diesen Tagen nicht blos die Ungleichheit der Stände aufgehoben, sondern alle Feindschaft, alle Strafe, alle Ahndung bürgerlicher Vergehen wenigstens ausgesetzt werden, daher die Gerichte im December ruhten, Schuldige in dieser Zeit nicht bestraft wurden, und selbst einen Krieg oder eine Schlacht während der friedlichen Saturnalien zu unternehmen galt für bedenklichMacrob. I, 10, 1; 16, 16, Sueton Octav. 32.. Ein eigenthümlicher Gebrauch war, sich bei diesem Feste allerlei Geschenke, darunter namentlich Wachskerzen (cereos) und sogenannte oscilla oder sigillaria zu überreichen, kleine Figuren von Thon, wie sie sonst vorzugsweise den Kindern geschenkt wurdenMacrob. I, 11, 1.. Hinsichtlich der oscilla mag Varro Recht haben, wenn er annimmt daß sie ursprünglieh dem Todesgotte Dis Pater gegolten hatten und aus der Zeit der Menschenopfer als stellvertretender Gebrauch beibehalten warenMacrob. I, 7, 28 ff. vgl. 11, 48, Dionys. 1, 19, Lactant. 1, 21, 6, vgl. oben S. 105. Nach Einigen galten auch die Gladiatorenspiele vorzugsweise dem Saturnus, s. Lactant. VI, 20, 35, Auson. ecl. de fer. Rom. 33, wobei aber doch nur späterer Gebrauch zu Grunde liegen kann. Vielleicht wirkte hier der Dienst des punischen Saturnus ein, auf welchen wohl auch Tertull. testim. An. 2, de Pallio 4 zu beziehn ist.. Gewiß aber war dieses nicht bei den Wachskerzen der Fall, welche nachmals vorzüglich von den ärmeren Clienten ihren 415 vornehmen Patronen als Angebinde zu diesem Feste überreicht wurdenVarro l. l. V, 64, Paul. p. 54, Macrob. 1, 7, 33., sondern diese hatten schwerlich eine andre Bedeutung als die der Freude und des wieder erstehenden Lichts, zumal da der Gebrauch von brennenden Lichtern, Lampen und Fackeln bei gottesdienstlichen und festlichen Gelegenheiten auch sonst in Rom und überhaupt bei den Alten nichts Seltenes warMarini Atti p. 290, Bötticher Tektonik 2, 337, Baumeultus S. 49. Vgl. über das Feuer um Weihnachten in Frankreich und Deutschland Grimm D. M. 593. und der Gebrauch der Lichter oder des Feuers um die Weihnachtszeit d. h. um die Zeit des kürzesten Tages gewiß auch nichts Anderes als Freude und die Erneuerung des Lichtes bedeuten soll. Eben dahin gehören die vielen Gelage und Glücksspiele dieser Tage, wobei man sich der Würfel bediente und um Nüsse spielte, welche als Sinnbilder der Fruchtbarkeit und des üppigen Segens den Römern auch sonst bekannt waren, oder auch wohl um Geld, was sonst verboten warMartial V, 30, 8, XIV, 1, 3, Macrob. I, 5, 11.. Die Jugend pflegte damit den Scherz zu verbinden, daß wer den besten Wurf gethan hatte der König bei Tafel wurde und als solcher für die geselligen Spiele zu sorgen hatteTacit. Ann. XIII, 15, Arrian Diss. Epict. 1, 25, Lucian Saturn. 3..
Die Festordnung war im zweiten punischen Kriege, im Jahre vor der Schlacht am l. Trasimenus in Folge von Prodigien und auf Veranlassung der sibyllinischen Bücher dahin bestimmt worden, daß a. d. XIV Kal. Ian. beim T. des Saturn erst ein Opfer dargebracht, ein Lectisternium bereitet und ein öffentliches Gastmahl gehalten, nach demselben aber durch die ganze Stadt an diesem Tage und in der folgenden Nacht der oft erwähnte Festruf Io Saturnalia! erlaubt sein sollte, welcher als Aufruf zur ausgelassenen Freude und zur Befreiung von so vielen Rücksichten des Gesetzes und der Convenienz eine sprichwörtliche Bedeutung bekommen hatteLiv. XXII, 1, Macrob. I, 10, 18, vgl. Petron. Sat. 58, Martial. XI, 2, 5 clamant ecce mei iam Saturnalia versus, Dio LX, 19 von den Soldaten in Britannien: συμβοήσαντες ἐξαίφνης τοῦτο δὴ τὸ ϑρυλούμενον Ἰὼ Σατουρνάλια, ἐπειδήπερ ἐν τοῖς Κρονίοις οἱ δοῦλοι τὸ τῶν δεσποτῶν σχῆμα μεταλαμβάνοντες ἑορτάζουσι.. Die mit diesem Ruf eröffnete volksthümliche und private Festlust dauerte sieben Tage lang; daher der Ausdruck Septem Saturnalia für die ganze Woche vom 17. bis 416 zum 23. DecemberMacrob. I, 10, 3, wo verschiedne Stellen aus Atellanendichtern für diesen Sprachgebrauch angeführt werden. Natürlich waren die Saturnalien auf der Volksbühne sehr populär. Laberius hatte einen Mimus desselben Inhalts gedichtet, Gell. N. A. XVI, 7, 11.. Um so leichter mochten sich mit der Zeit auch die öffentlichen Festtage ausdehnen, zumal nachdem durch Cäsars Kalenderreform der alte Festtag vom a. d. XIV Kal. Ian. auf a. d. XVI Kal. Ian. verschoben worden war, seit welcher Zeit gewöhnlich die dreiTage vom 17. bis 19. Dec. gefeiert wurden. Dafür entschied auch ein Edict des August und zwar so, daß der 17te (a. d. XVI K. Ian.) dem Saturn, der 19te (a. d. XIV K. Ian.) der Ops heilig sein sollteMacrob. 1, 10, Fest. p. 185 Opalia, Merkel Ovid F. p. XX. Die Kalender wissen zwar nur von einem Tage des Saturn, dem 17., und einem der Ops, dem 19., aber auch hier scheint die Sitte bald weiter gegangen zu sein und sowohl dem Saturn als der Ops zwei Tage gefeiert zu haben.; worauf, wie es scheint, im Publicum der 17. und 18. gewöhnlich dem Saturn, der 19. und 20. als Opalia der Ops gefeiert wurden. Endlich fügte Caligula noch einen fünften Tag hinzu, welcher dies Iuvenalis hieß, also wohl ganz speciell jenen Spielen und Tafelfreuden der Jugend gewidmet warSueton Cal. 17, Dio LIX, 6, LX, 25.. Im populären Gebrauche aber behielten immer die vollen sieben Tage ihre Geltung und die Dichter und Schriftsteller der Kaiserzeit wissen nicht genug von der »triefenden Lust« dieser Tage zu erzählenMartial. XI, 6 unctis falciferi senis diebus. XIV, 1, 9 quid agam potius madidis Saturne diebus. Stat. Silv. 1, 6, 5 multo gravidus mero December. Vgl. Seneca Ep. 18, Martial. XIV, 1, 1, Tertull. Apolog. 42., während welcher man das gewöhnliche Bad, welches immer der Mahlzeit voranging, gleich am frühen Morgen zu nehmen und die bequemere Synthese, mit welcher man bei Tische die Toga vertauschte, gar nicht wieder abzulegen pflegte. Im December, sagt Seneca ep. 18, ist das Wohlleben an der Ordnung; überall Lärmen und Aufregung, um zu diesem Feste zu rüsten und es aus dem Grunde zu genießen, als ob jetzt noch ein Unterschied sein könnte zwischen diesem Monate und dem ganzen Jahre. Und Lucian Saturn. 2 läßt den Saturn von seinem siebentägigen Regimente erzählen, wie er dann nichts Ernstes und kein Geschäft dulde, sondern Alles müsse trinken und guter Dinge sein, lärmen und scherzen und würfeln und Könige der Festlust wählen; vor Allen aber müßten die Sklaven schmausen und singen und springen, daß es eine Lust sei, gelegentlich auch mit 417 geschwärztem Gesicht in das kalte Wasser sich hineinstoßen lassenAuf ähnliche Späße deutet Martial. XIV, 1, 4 cum videat gelidos tam prope verna lacus.. Daneben behaupteten sich auch die sogenannten Sigillaria immer sehr in der Gunst, zunächst jene kleine Figuren von Thon, welche den Kindern geschenkt wurden und mit denen die Fabrikanten in dieser Zeit einen eignen Markt hielten, dann allerlei andre Geschenke, welche sich die Erwachsenen unter einander machten, Tücher und Löffel, Zahnstocher und Becher, die beliebten Wachskerzen und Papier zu kurz angebundenen Späßen und Versen, wie deren Martial. epigr. 1. XIV eine ganze Sammlang hinterlassen hatVgl. Martial. V, 18, VII, 53 u. a.. Auch die Kaiser pflegten an solcher Heiterkeit gerne Theil zu nehmen, sich beschenken zu lassen, aber auch ihrerseits zu schenken, wie namentlich von den bald sehr kostbaren bald trivialen und mit geschraubten Epigrammen übersendeten Geschenken Augusts bei den Saturnalien und älmlichen Gelegenheiten die Rede istSueton 75, vgl. Stat. Silv. 1, 6 und Spartian Adr. 16 Saturnalia et Sigillaritia frequenter amicis inopinantibus misit et ipse ab his libenter accepit et alia invicem dedit.. Domitian ließ sogar einmal an den Saturnalien über sämmtliche Sitzreihen des im Colosseum versammelten Volkes Leckerbissen aller Art ausstreuen und darauf alle Anwesenden an ihren Plätzen reichlich speisen und tränken, während gleichzeitig unten in der Arena allerlei lustige und lärmende Schauspiele gegeben wurden.
Die gute Mutter Ops oder Opis galt gewöhnlich für die Gattin des Saturnus und wurde als solche sowohl in jenem alten Heiligthume am clivus Capitolinus neben ihm verehrt als an dem Decemberfeste mit ihm gefeiert, bis zur Kalenderreform des Cäsar an einem und demselben Tage, dem 17ten, später wie bemerkt an einem besondern, dem 19tenVarro 1. l. VI, 22, Macrob. I, 10, 18. Auch die Anspielungen auf einen Schatz im T. der Ops bei Cic. Philipp. I, 7, 17, II, 14, 35 beziehen sich wohl auf das Aerarium des Saturn. Vgl. Or. n. 1506 locus adsignatus aedi Opis et Saturni.. Die Grundbedeutung der Erdgöttin tritt vorzüglich in dem alterthümlichen Gebrauche hervor, der Ops sitzend und die Erde geflissentlich berührend Gelübde zu thunMacrob. I, 10, 21 Huic deae sedentes vota concipiunt terramque de industria tangunt. Vgl. ib. III, 9, 12 (S. 402, 980) und II. IX, 567 ff., Hymn. in Apoll. 332., wie die Griechen bei Beschwörungen der Unterirdischen auf den Knieen hockend die Erde mit den Händen schlugen. 418 Im Uebrigen theilt sie die Eigenschaften des Saturnus, namentlich den Begriff der Fülle und des üppigen Segens, wie dieses schon der Name Ops ausdrückt, dessen Stammbedeutung Fülle und Ueberfluß istPaul. p. 187 Opis dicta est coniux Saturni, per quam voluerunt terram significare, quia omnes opes humano generi terra tribuit, unde et opulenti terrestribus rebus copiosi et hostiae opimae praecipue pingues et opima magnifica et ampta spolia. Vgl. Fest. p. 186 opima spolia undVarro l. l. V, 57. 64. Daher ops in der ältern Sprache für opulentus und das Gegentheil inops, Fest. p. 190, und copi, copem für copioso und copiosum, Non. Marc. p. 84, desgleichen copia, inopia u. s. w.. Auch der ältere Name für den südlichen Hauptstamm der italischen Bevölkerung, Opici oder Opsci, woraus mit der Zeit Osci geworden, hängt offenbar mit demselben Stammworte und dem mythischen Stammbegriffe iner gesegneten Urzeit zusammen, wie die alten Benennungen Latium und Saturnia auf die ländliche Verehrung des bald verborgnen bald in der reichen Frucht der Aecker prangenden Erdgottes zurückweisen und selbst der Name der Siculi d. h. der ältesten Einwohner von Latium nicht unwahrscheinlich durch »Schnitter« der Saturnusgaben übersetzt wird. Auch wurde Ops ausdrücklich als eine Göttin der Saaten und der Erndte verehrt, nehmlich als Consivia, unter welchem Namen sie wahrscheinlich seit Numa in der Regia angebetet wurde, in einem Heiligthume zu welchem nur die Vestalischen Jungfrauen und die Pontifices Zutritt hatten und wo ihr am 25. Aug., also in der Erndtezeit unter dem Namen Opeconsiva ein Dankopfer gebracht wurdeVarro l. l. VI, 21, Fest. p. 186, Macrob. III, 9, 4, Kal. Maff. Capran. Allif. a. d VIII K. Sept.. Wie aber die Gottheiten der Erde und des Ackerbaus fast überall in der übertragenen Bedeutung des Säens auf menschliche Empfängniß und Geburt zugleich für Götter der Anfänge des menschlichen Lebens und der Kinderpflege gelten, so auch dieses alte italische Götterpaar. Namentlich wurden Saturnus und Ops in diesem Sinne in den Indigitamenten unter den Göttern der Geburt und der ersten Kindespflege angerufen, Saturnus neben Ianus Consivius als Pfleger des Keims im mütterlichen Leibe, Ops als gütige Mutter, welche das neugeborne Kind an ihrem Busen aufnimmtAugustin C. D. IV, 11 ipse opem ferat nascentibus excipiens eos sinu terrae et vocetur Opis. Vgl. ib. 21 und Plin. H. N. II, 63 quae nos fiascentes excipit etc..
Sehr merkwürdig ist die Lua Saturni, welche bei Gellius N. A. XIII. 23 unter den ältesten römischen Gottheiten genannt 419 und beiläufig auch bei Varro l. l. VIII, 36 erwähnt wird. An andern Stellen wird sie Lua Mater und unter den Göttern genannt, welchen nach alter Sitte nach einer gewonnenen Schlacht die Spolien der Feinde geweiht und auf dem Schlachtfelde verbrannt wurdenLiv. VIII, 1, XLV, 33.. Endlich wird sie bei Serv. V. A. III, 139 neben dem Saturn als eine Göttin der Unfruchtbarkeit und der Verwüstung genanntIunoni procreationem liberorum, sterilitatem horum tam Saturno quam Luae (v. Lunae). Hanc enim sicut Saturnum orbandi potestatem habere.. Höchst wahrscheinlich ist auch dieses die Erdgöttin, nur als Gegentheil von der fruchtspendenden Ops gedacht, daher sie von dieser unterschieden und besonders benannt wurde, die winterliche Erd- und Todesgöttin, wie ja auch Saturnus sich im kalten Winter dem Todesgotte Dis gesellt. So würde sich auch der Name Lua am natürlichsten von luere in der Bedeutung auflösen (solvere) erklärenVgl. diluere und die Persephone λέπτυνις der Griechen, Gr. Myth. 1, 496..
Es konnte nicht fehlen, daß auch diese beiden Götter unter der Einwirkung der allgemeinen Gräcisirung des römischen Cultus an ihrem alten und eigenthümlichen Wesen manche Einbuße litten. Saturnus wurde seit Ennius gewöhnlich mit dem griechischen Kronos, Ops mit der Rhea identificirtPlaut. Cistell. II, 1, 39, Ovid F. VI, 279., daher Saturnus auf den römischen Münzen ganz wie jener gebildet ist und zuletzt mit ihm zum bloßen Sinnbilde der ewigen Zeit hinabsankDer Kopf ist mit reichlichem Barte versehn, daneben sieht man auf einigen Münzen die gezahnte Sichel, auf andern die orientalische Harpe. Auch wurde er gewöhnlich wie Kronos obvoluto capite abgebildet, Serv. V. A. III, 407. Auf spätern Kaisermünzen bedeutet er die ewige Zeit, s. Eckhel D. N. VII p. 381., während Ops als Mutter des Jupiter nun auch neben diesem auf dem Capitole verehrtLiv. XXXIX, 22 aedis Opis in Capitolio de caelo tacta. Auch ihr wurde am 25. Aug. geopfert, s. Kal. Capranic. Vgl. die Inschr. aus Praeneste bei Grut. p. 26, 4 Opi Divinae et Fortunae Primigeniae sacrum, aus der Zeit des Kaisers Pertinax. und für eine der höchsten Schicksalsgöttinnen menschlicher Verhängnisse gehalten wurde. In demselben Sinne wurden im J. 7 n. Chr. am 10. August im Vicus Iugarius zwei Altäre der Ceres Mater und der Ops Augusta gestiftet, ohne Zweifel zu Ehren der LiviaS. die Kalender zum 10. August. Vgl. die Ops Augusta auf Münzen des Antonin b. Eckhel D. N. VII p. 143., die sich auch sonst gerne als Rhea gebehrdete. 420