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Als der Gottesdienst der Großen Mutter von Pessinus während des zweiten punischen Kriegs in Rom zugelassen wurde, hielt man es für nothwendig seinen Fanatismus und das ausländische Wesen so viel als möglich zu beschränken; die Megalesien, das einzige Fest, war nur ein Gedächtnißfest der Ankunft und des ersten Empfanges (S. 450). Doch liegt es in der Natur dieser Zeiten und dieser immer stark mit Pfaffenthum gewürzten Religionen aus Asien, daß auch solche Sacra beim gemeinen Mann bald lebhaften Anklang fanden. Verschiedene Vorfälle beweisen daß ihr Einfluß seit der Zeit des Marius und Sulla im Zunehmen warPlut. Mar. 17, Dio XLVIII, 43., und die römischen Dichter beschäftigen sich seit Lucrez und Catull so gern und häufig mit der Schilderung des Phrygischen Gottesdienstes, seiner auffallenden Gebräuche, des Lärmens seiner gellenden Rohrflöte und der ehernen Handpauken, des rasenden Orgiasmus der Gallen und ihrer Selbstverstümmelung, daß man auch daraus sieht wie er sich immer mehr einnisteteLucret. II, 610 ff., Catull in seinem Gedichte vom Atys (63), Varro in den Resten seiner Satiren p. 121 ed. Oehler, Maecenas in den Galliamben Anthol. lat. n. 82, Ovid F. IV, l82 ff. u. A. Auch sonst in Italien war der phrygische Dienst allgemein verbreitet, im südlichen Italien ohne Zweifel weit früher als in Rom, s. Or. n. 1896 ff., Mommsen I. N. n. 1090, 2558, 2597, 3583, 4054, 5204, 5354 u. a.. Der vollständige Gottesdienst, namentlich das im März 736 um die Zeit des Frühlingsanfangs begangene Fest der Großen Mutter und des Attis, in welchem die ganze Mythologie und Symbolik dieses Kreises nach phrygischem Herkommen sich ausbreitete, scheint durch den Kaiser Claudius in Rom zugelassen zu seinDen Kaiser Claudius nennt ausdrücklich Io Lydus d. Mens. IV, 41. Zur Bestätigung dient daß kein Schriftsteller vor ihm dieses Märzfest kennt, wohl aber bald nach seiner Zeit in verschiedenen Andeutungen davon die Rede ist, vgl. Lucan I, 599, Stat. Silv. I, 2, 176, Sueton. Otho 8. Ueber das ganze Fest vgl. Zoëga Bassiril. I p. 45–60, 81–105, Marquardt Handb. d. R. A. IV, 316 ff.. Die Sinnbilder und der Geist dieses Festes sind im Wesentlichen dieselben wie bei den Festen der Isis, der Aphrodite, der Demeter, eine suchende Mutter die ihren einzigen Liebling, den AttisAuch diese Gestalt hat sich seitdem in Rom und der romanischen Welt eingebürgert, s. Urlichs in den Jbb. d. V. d. A. F. im Rheinl. XXIII S. 49 ff. und A. Haakh in den Verhandlungen der Philologenversammlung zu Stuttg. 1857. verloren hat und wiederfindet, mit dem tieferen Grunde eines ausgelassenen Naturschmerzes und eines eben so ausgelassenen Naturjubels. Das ganze Fest dauerte nach dem Kalender des Constantius (die Kalender der augusteischen Zeit kennen dieses Fest noch nicht) vom 22. bis 27. März. Der erste Festtag, am 22. März, hieß Arbor intrat, weil dann »die Fichte« d. i. das Symbol des entmannten und gestorbenen Attis unter den heftigsten Klagen in den Tempel der Großen Göttin getragen und dort mit wollenen Binden umhüllt und mit Blumen geschmückt wurde: wie einst jene Fichte, unter welcher Attis seine blühende Jugend dahingegeben hatte, mit Veilchen, die aus seinem Blute entsprangen, und mit wärmenden Binden wie eine Leiche geschmückt, von der Großen Mutter in ihre Höhle getragen und dort unter den heftigsten Klagen von ihr beweint worden warArnob. V, 7 und 16, Iul. Firm. 3 p. 3 B., Bötticher Baumcultus S. 142 ff.. Nach diesem Acte begann eine Zeit des FastensArnob. l. c. Quid (significat) temperatus ab alimonio panis, cui rei dedistis nomen castus? Nonne illius temporis imitatio est, quo se numen ab Cereris fruge violentia moeroris abstinuit? Diese ganze Zeit der Trauer nennt Macrob. S. I, 21, 10 die catabasis, wahrscheinlich weil die Fichte zu Pessinus wirklich in eine höhlenartige Gruft getragen wurde. Vgl. Sueton. Otho 8 die quo cultores Deum Matris lamentari et plangere incipiunt, und Io Lyd. l. c. πρὸ δεκαμιᾶς Καλανδῶν Ἀπριλίων (a. d. XI K. Apr.) δένδρον πίτυς παρὰ τῶν δενδροφόρων ἐφέρετο ἐν τῷ Παλατίῳ· τὴν δὲ ἑορτὴν Κλαύδιος ὁ βασιλεὺς κατεστήσατο. Ueber das Fasten mehr bei Iulian Or. V p. 174 sqq., über die Dendrophori Matris Deum Magnae Or. n. 1602, Boissieu Inscr. de Lyon p. 31. Ein Bild des Archigallus bei Marini Atti Arv. p. 315. und der Trauer, 737 welche ihren höchsten Gipfel am 24. März erreichte, einem Tage blutiger Selbstverstümmelung, welcher eben deshalb schlechthin der Tag des Blutes hieß, Sanguen oder Dies Sanguinis. Es war der Tag wo die heilige Wuth der Galli, an ihrer Spitze des Archigallus, sich in ihrer höchsten Glorie zeigte; die christlichen Schriftsteller erzählen oft davon, vor allen ausführlich Prudentius, wie sie dann tobten und rasten, ihren Leib verwundeten und ihr Blut vergossen, sich castrirten, brannten, oft darüber starben und dann mit großem Gepränge begraben wurdenTrebell. Poll. Claud. 4, Iulian l. c, Tertull. Apolog. 14, Prudentius Peristeph. X, 1061 sqq. u. A.. Gleich darauf folgte, wie es bei solchen Gottesdiensten gewöhnlich der Fall ist, ein Tag der Freude und der Auferstehung aus dem Grabe, der mit einem für solche Tage gebräuchlichen griechischen Namen Hilaria (τὰ Ἱλάρια) genannt wurdeLamprid. Alex. Sev. 36, Aurelian 1. Hilaribus, quibus omnia festa et fieri debere scimus et dici. Damasc. v. Isidori 13, von einem Traum, als wäre er Attis und als ob die Göttermutter ihm die Hilarien feiere, ὅπερ ἐδήλου τὴν ἑξ ἅδου γεγονυῖαν ἡμῶν σωτηρίαν. Vgl. Dionys. Areop. ep. VIII p. 790 ed. P. 1644 Vol. I und dazu S. Maximus Schol. p. 319.; es war der 25. März, wo der Tag zuerst wieder den Sieg über die Nacht gewinntMacrob. S. I, 21, 10 quo primum ternpore sol diem longiorem nocte protendit. Iulian de D. Matre V p. 168 Sp. τέμνεσϑαι γάρ φασι τὸ ἱερὸν δένδρον καϑ’ ἣν ἡμέραν ὁ ἥλιος ἐπὶ τὸ ἄκρον τῆς ἰσημερινῆς ἁψῖδος ἔρχεται. und Attis der Mutter wieder gegeben wurde. Dann folgte am 26. ein Tag der Ruhe (Requietio) und endlich am 27. eine große Procession der Art wie sie bei keinem größeren Feste in Griechenland und dem Orient fehlte. Es war dieses nehmlich der Tag des Bades der Großen Mutter (Dies Lavationis), des Bades im Almo, auf welches schon die Legende der Ankunft bei Ovid deutet (S. 450), so daß also vielleicht schon früher ein Umzug der Galli an diesem Tage stattgefunden hatte. Jetzt war ein sehr bunter und lustiger Festtag für ganz Rom daraus geworden, eine Art Carneval, wo jeder Spaß erlaubt war und allgemeine Maskenfreiheit herrschte; auch pflegten sich alle Stände bei dem Zuge zu betheiligen und namentlich die vornehme Welt noch immer ihre Vorliebe für den Cultus der Göttermutter zu beweisenHerodian 1, 10, Augustin C. D. II, 4, Ammian M. XXIII, 3, 7, Anthol. lat. n. 606 u. A.. Alles 738 drängte sich um den Wagen, auf welchem das Bild mit dem heiligen Steine aus Pessinus (S. 417) saß, um sich durch die Stadt bis zum Almo gleich vor Porta S. Sebastiano fahren zu lassen und dort ein Bad zu nehmen, welches die doppelte Bedeutung hatte ihre Rückkehr aus der Gruft des Todes und des Schmerzes an die Welt des Lichtes und der Oberwelt auszudrücken und an die erste Ankunft in Rom zu erinnernStat. Silv. V, 1, 222, Martial. III, 47, Val. Flacc. Argon. VIII, 239 ff., Sil. Ital. VIII, 363, XIV, 680, Claudian Bell. Gildon. 117 ff., Prudentius Peristeph. X, 153 ff. Vgl. Griinm D. M. 233.. Zu bemerken ist daß die Oberaufsicht über diese Procession und das Bad den Palatinischen Quindecemvirn zustand, derselben alten auf Veranlassung der sibyllinischen Sprüche eingesetzten Priesterbehörde, welche durch August vom Capitol auf den Palatin versetzt worden war und hier bei der nahen Nachbarschaft der Tempel des Palatinischen Apollo und der Magna Mater die oberste Aufsicht über beide Culte erhalten zu haben scheintLucan I, 599 qui fata deum secretaque carmina servant et parvo lotam revocant Almone Cybeben. Stat. Silv. I, 2, 176 iam nunc Cybeleia novit limina et Euboicae carmen legit ille Sibyllae. Vgl. Marquardt R. A. IV, S. 341. Auch die XV viri der Taurobolienaltäre hängen damit zusammen, s. Anthol. Gr. App. ep. 164, Boissieu Inscr. de Lyon p. 24..