Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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1. Feronia,

welche Göttin vorzüglich bei den Sabinern, Umbrern und Etruskern, aber auch bei den Latinern und Volskern verehrt wurde. Eine sabinische Göttin nennt sie Varro l. l. V, 74 und so erscheint sie namentlich in der Tradition von dem Kriege des Tullus Hostilius mit den Sabinern bei Liv. 1, 30 und Dionys. III, 32, wo römische Bürger, die zur Messe der sabinischen Feronia gereist waren, festgehalten werden, worüber es zwischen den Römern und Sabinern zum Kriege kommt. Dionys setzt hinzu, 376 dieses Heiligthum der Feronia habe sowohl bei den Latinern als bei den Sabinern in großem Ansehn gestanden, auch daß die Griechen den Namen dieser Göttin bald durch die Blumengöttin oder Kranzliebende (Ἀνϑηφόρος, Φιλοστέφανος) bald durch den der Persephone zu übersetzen pflegten, welche Göttin bekanntlich zugleich Frühlings- und Todesgöttin war, so daß schon dadurch ihre nahe Verwandtschaft mit der Flora, der Libera, der Venus deutlich angegeben ist. Bei dem jährlichen Feste sei dort eine Menge Volks zusammengekommen, entweder um zu beten und zu opfern oder in Marktgeschäften, Kaufleute, Handwerker und Bauern, wie diese Messe denn zu den besuchtesten und lebhaftesten in ganz Italien gehörte. Fabretti hat durch die vortreffliche Untersuchung Inscr. Antiq. p. 451 sq. nachgewiesen daß dieses alte und berühmte Heiligthum bei Trebula Mutuesca, einem auch durch seinen T. des MarsIul. Obseq. 43. Vermuthlich stammte auch der Cult der römischen Novensides von dort, s. oben S. 90. und andre Gottesdienste bekannten Orte lag, wo er selbst mehrere auf den Cult der Feronia bezügliche Inschriften gefunden hat und von wo wahrscheinlich auch die beiden römischen Familien Petronia und Plaetoria stammten, die den Kopf der Feronia auf ihre Münzen gesetzt und uns dadurch ein Bild von dieser Göttin erhalten haben. Es ist das einer jugendlich blühenden Göttin, deren Haar mit Blumen geschmückt ist, was zu jenen Umschreibungen der Griechen vortrefflich paßt. Außerdem läßt sich der Cult dieser Göttin durch Inschriften auch in der alten sabinischen Metropole Amiternum, zu Aveja bei den Vestinern, in dem Orte Septempeda bei den Picentern und zu Pisaurum in Umbrien nachweisenMommsen I. N. n. 5753. 5983, Henzen z. Or. n. 6000, Ritschl de fictil. litt. p. 27, Maffei Mus. Veron. p. 471, 1., so daß er also bei der indigenen Bevölkerung des mittleren Italiens sehr verbreitet gewesen sein muß. Auch der picus Feronius, welcher neben dem picus Martius als ein für die auguralen Beobachtungen sehr wichtiger Vogel genannt wird (Fest. p. 197) hatte jenen Beinamen doch gewiß von der Feronia. Bei den Etruskern war das Heiligthum der Feronia am Fuße des Berges Soracte, der lucus Feroniae, woraus später ein eigner Ort geworden war, ursprünglich hatte es zum Gebiete der Stadt Capena gehört, nicht weniger berühmt und besucht als jenes sabinische bei Trebula Mutuesca. Alles Volk der Umgegend war gewöhnt die Erstlinge der Feldfrucht und viele Weihgeschenke dahin zu tragen, so daß 377 sich im Laufe der Jahre eine Menge Gold und Silber in dem Tempelschatze gesammelt hatte, welcher den Soldaten des Hannibal bei seinem Rückzuge von Rom zur Beute wurdeLiv. XXVI, 11, Sil. Ital. Pun. XIII, 84 ff., vgl. Strabo V p. 226, Plin. H. N. III, 5, 8, A. W. Zumpt Coramentat. epigr. Berol. 1850 p. 347. Cäsar und August hatten ihre Veteranen u. a. in diesem Orte untergebracht.. Feronia wurde hier neben dem sogenannten Apollo Soranus verehrt und zwar fiel das beiden gemeinschaftliche Fest vermuthlich in den Frühling (S. 239); auch war sie hier wie an andern Orten eine Schutzgöttin der Freigelassenen, also eine Libera, daher auch die Libertinen in Rom ihre Gaben in dieses Heiligthum als das zunächst gelegene trugenLiv. XXII, 1, vgl. XXVII, 4.. Einen andern lucus Feroniae genannten Ort, welcher später Petra Sancta hieß, gab es im Innern von EtrurienS. die Urkunde bei Grut. p. 220, deren Aechtheit Holsten gegen Cluver dargethan hat, und Ptolem. Geogr. III, 1, t. VI.; auch wissen wir durch eine Inschrift aus Florenz, daß sie auch hier als Göttin der Freilassung verehrt wurde, ja es lassen sich die Spuren dieses Gottesdienstes bis nach Verona verfolgenOr. n. 1317. 1318.. Ferner muß unter den Latinern Praeneste dieselbe Göttin seit alter Zeit verehrt haben, da sie nach dortiger Sage für die Mutter des Herilus galt, den Evander d. i. Faunus als streitbarer Held erlegteVirgil Aen. VIII, 564 nascenti cui tris animas Feronia mater – dederat, terna arma movenda.. Endlich gab es an der Küste der Volsker, in der Nähe von Tarracina, ein oft genanntes und durch alte Sagen berühmtes Heiligthum der Feronia in der Umgebung eines anmuthigen Hains und einer Quelle, welche aus Horaz Sat. 1, 5, 24 bekannt istIn alter Zeit erstreckten sich die Befestigungswerke von Tarracina bis zu diesem Heiligthume, s. Plin. H. N. II, 55.. Auch hier wurden Feronia und Iupiter Anxur, welcher dem Apollo Soranus entspricht (S. 238), als Paar gedacht, Feronia als segnende Frühlings- und Quellengöttin des Thals und Jupiter als Gott der Höhe und der Sonne, s. Virgil Aen. VII. 799, zu welcher Stelle Servius eine Legende erzählt, welche sie als wohlthätige und fruchtbare Göttin des Hains characterisirt. Noch bemerkt Servius, daß Feronia in dieser Gegend als Iuno Virgo neben jenem Jupiter verehrt worden sei, und wirklich lassen sich verschiedene Inschriften nachweisen, welche einer Iuno Feronia gedenkenFabretti p. 452. Or. n. 1314. 1315. 1317., während jenes 378 Wort Virgo vermuthlich in demselben Sinne verstanden werden muß wie sonst von Divae Virgines die Rede ist (S. 88), also von einer Göttin der Vegetation und der Quellen. In einem andern Zusammenhange endlich berichtet derselbe Servius (zu Aen. VIII, 564), daß diese Nymphe Campaniens, so nennt er sie als Quellengöttin der Campagne, gleichfalls eine Göttin der Freigelassenen war, denen in ihrem Tempel das Haar geschoren und darauf der Hut als Symbol der Freilassung aufgesetzt wurde; auch habe sich in diesem Tempel eine Bank von Stein mit der Inschrift befunden: Benemeriti servi sedeant, surgent liberi. Varro wollte deshalb den Namen Feronia erklären durch Fidonia, da man doch eher an denselben Stamm wie in dem Namen der Quellengöttin Ferentina denken möchte, von welcher bei der Venus die Rede sein wird. Auch als eine hülfreiche Göttin der See scheint Feronia wenigstens an dieser Küste verehrt worden zu sein, wenn dieses anders aus der confusen Sage bei Dionys. II, 49 gefolgert werden darf, nach welcher die vermuthlich von Tarent bevorwortete Stammesverwandtschaft der Sabiner und Spartaner durch das Mährchen bewiesen werden sollte, daß zur Zeit des Lycurg eine Schaar ausgewanderter Spartaner an diese Küste verschlagen sei. Sie hätten darauf zum Dank für die glückliche Fahrt das Heiligthum der Feronia gestiftetDer Name wird dabei für einen griechischen genommen und ἀπὸ τῆς πελαγίου φορήσεως abgeleitet. So machte man aus einem alten, später zerstörten Orte dieser Küste Amuclae oder Amunclae ein spartanisches Amyclae, Plin. H. N. III, 5, 9. und seien endlich landeinwärts zu den Sabinern gezogen.


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