Ludwig Preller
Römische Mythologie
Ludwig Preller

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2. Jupiter.

Dieser Name ist ein Compositum wie Marspiter, die Wurzel der ersten Silbe aber ist Iov oder Iû, wie sie deutlicher in 165 dem der älteren Sprache noch sehr geläufigen Namen Diovis oder Jovis hervortritt. Jene Wurzel, ein Erbgut aller indogermanischen Stammsprachen und mythologischen Systeme, bedeutet in ihnen den lichten Himmel, die Tageshelle, den ätherischen Glanz des Lichtes der vom Himmel ausgeht; und sie hat allen jenen Völkern zur Bezeichnung des höchsten Gottes, ja der Götter überhaupt gedient, weil die natürliche Erscheinung des Himmels mit dem leuchtenden Gewölbe, dem Alles durchdringenden und belebenden Lichte, der furchtbaren Gewalt des Blitzes, dem befruchtenden und sättigenden Regen ihrer Vorstellung von der Natur der Götter am nächsten kamLucret. V, 1186

in caeloque deum sedes et tempta locarunt,
per caelum volvi quia lux et luna videtur,
luna, dies et nox et noctis signa serena,
noctivagaeque faces caeli flammaeque volantes,
nubila, sol, imbres, nix, venti, fulmina, grando
et rapidi fremitus et murmura magna minarum.

. So heißt der Himmel im Indischen djaus und die Perser nannten ihn und ihren höchsten Gott mit demselben Namen in wenig veränderter Form, Hesych. v. Δίαν, Herod. I, 131. Bei den Griechen ist der gewöhnliche Name Ζεὺς nur eine scheinbare Abweichung, da Ζ aus dj entstanden ist (ζυγόν = jugum), in den Declinationsformen Διός u. s. w. der alte Wurzelklang alsbald wieder hervorbricht, und bei den Kretern die Form Δήν für Ζήν im gewöhnlichen Gebrauche sich erhalten hatte. In Rom ist die Verwandtschaft von Diovis oder Jovis mit Divus, Dius, Dii von Varro, Verrius und andern Forschern anerkannt wordenVarro l. l. V, 66 oben S. 45, vgl. Lachmann z. Lucret. IV, 211, wo auch über sub diu und sub divo. Paul. p. 71 Dium antiqui ex graeco appellabant ut a deo ortum et diurnum sub caelo lumen, ἀπὸ τοῦ Διός. Unde adhuc sub diu fieri dicimus quod non fit sub tecto et interdiu cui contrarium est noctu. Ib. 87 Dialis autem appellatur (flamen) a dio, a quo vita dari putabatur hominibus, weil vom Himmel Licht und Leben kommt. Fest. p. 185 Dialis universi mundi sacerdos, qui appellabatur dium, wo mundus i. q. caelum ist, vgl. Lucret. V, 1434 vigiles mundi magnum versatili' templum Sol et luna suo lustrantes lumine circum., obgleich sie nicht die richtige Folgerung für die Wurzelbedeutung ihres Jupiter daraus zu ziehn wußten. Auch der etruskische Name des Tinia oder Tina, welcher dem griechischen Zeus entsprach, hängt gewiß mit demselben Stamme zusammen, mag man ihn nun für eine Nebenform des griechischen Δίς oder Δήν halten oder die Wurzel in nördlichen Göttersystemen suchen, endlich der 166 altdeutsche Zio, welchem ein gothisches Tius entsprach. In Italien war es die alte Gewohnheit der patriarchalischen Cultusanrufung (S. 51), welche neben der sonst herkömmlichen Form Diuvis, Diovis, IovisΔιουϝει Γερσορει ταυρομ, Oskische Inschrift b. Mommsen Unterital. Dial. S. 191. Anonym. b. A. Mai Auct. Class. V p. 151 Legimus in Capro hic Iovis. Etiam Naevius, Attius, Pacuvius, omnes isti utuntur exemplo. Diove statt Iove auf einem Erztäfelchen aus republikanischer Zeit, Archäol. Ztg. 1846 n. 257. die Zusammensetzung Jupiter oder Juppiter gebildet hat, die aus Iov oder Iû-pater zu einem Worte verschmolzen ist und als solches die andre Namensform aus dem gemeinen Sprachgebrauche zuletzt verdrängt hatVarro l. l. VIII, 74 nunc in consuetudine aliter dicere, pro Iovis Iuppiter, pro bovis bos. Sowohl Jupiter als Juppiter findet sich auf Münzen und Steinen guter Zeit, doch ist eigentlich kein Grund zu der Verdoppelung des p, da Iupiter aus Iu–pater gebildet ist wie ju–cundus aus jov–cundus, nuper aus nov–per, vgl. naufragium, auspex, augur, nicht aus Iovispater, wie man in Rom gewöhnlich erklärte, s. Gell. V, 12. Die iguvinischen Tafeln haben gewöhnlich Iuvepater, daneben aber auch Iupater. Interessant ist Δειπάτυρος bei einem epirotischen Volke, s. oben S. 50, 47.. Daneben hat sich, wie es scheint vorzüglich in der ritualen Praxis der Fetialen, als eine andre Zusammensetzung Diespiter erhalten d. i. speciell der Gott des lichten Tages, des Lichtes überhaupt in seiner physischen und moralischen Bedeutung.

Also einen Guten Vater im Himmel meinten die alten Völker Italiens, wenn sie zu ihrem Jupiter beteten, einen Vater des Lichts, der im Himmel wohne und von dort seine Zeichen sende und alle himmlische und irdische Natur als höchster Gott regiere, keineswegs einen abstracten Gott der Hülfe, wie man seit Ennius den Namen Iupiter a iuvando zu erklären pflegteEnnius Epicharm. p. 169 Haece propter Iuppiter sunt ista (die Luft, der Wind, der Regen) quae dico tibi, quoniam mortalis atque urbes beluasque omnes iuvat. Vgl. Cic. N. D. II, 25, 64, Gell. N. A. V, 12 Iovem Latini veteres a iuvando appellavere eundemque alio vocabulo iuncto patrem dixerunt.; vielmehr ist auch der Sinn dieses Wortes iuvare für alles Förderliche, Hülfreiche, Heilsame, Wohlthuende aus jener älteren Naturempfindung der Wurzel Iov zu erklären, die auch sonst noch in vielen bedeutsamen Worten und Zusammensetzungen ihre reiche Kraft bewährt. Die Sprache und die Gewohnheit war in dieser Hinsicht correcter als die gelehrte Etymologie, denn so lange man sub divo und interdiu sagte und in vielen Wendungen Jupiter anstatt des Himmels und seiner Erscheinungen nannteCic. N. D. II, 25, 65 Hunc igitur Ennius – nuncupat ita dicens: Aspice hoc sublime candens, quem invocant omnes Iovem. – Hunc etiam Augures nostri, quum dicunt Iove fulgente, tonante. Horat. Od. 1, 1, 25 sub Iove frigido. III, 10, 7 audis ut glaciet nives puro numine Iupiter. Virg. Ecl. VII, 60 Iupiter et laeto descendet plurimus imbri., 167 konnte die richtige Vorstellung nicht ganz verloren gehn. Auch sorgte der Cultus und manche alte Gebetsformel in Rom dafür, daß man bei diesem Namen immer zuerst seine Gedanken dahin richtete, wo der Mensch zu allen Zeiten die Quelle des Guten und alles göttlichen Segens gesucht hat und wo vollends die Völker, welche mit ihren Gedanken auf der Stufe der Naturreligion verweilten, im Hinblick auf alle die Wunder der himmlischen Erscheinungen und das tägliche Wunder des Lichtes, auf die Quelle des Regens, des niederfahrenden Blitzes und rollenden DonnersEnnius Ann. 561 divum domus altisonum cael. Non. p. 180 Varro Bimarco: Tunc repente caelitum altum tonitribus templum tonescit. Lucret. II, 1030 Suscipito caeli clarum purumque colorem quaeque in se cohibet palantia sidera passim, lunamque et solis praeclara luce nitorem. 1039 caeli lucida templa. nothwendig alles Höchste und Erhabenste suchen mußten, was sie auf dieser Stufe der religiösen Erkenntniß überhaupt zu erfassen vermochten.

Man darf für gewiß annehmen daß Jupiter nicht allein durch ganz Italien, sondern auch daß er überall im Wesentlichen als derselbe Gott verehrt wurde, als Gott der Höhen und des Himmels, als höchste Quelle aller Offenbarung durch seine himmlische Zeichen, auch als die aller Ordnung auf Erden, alles Sieges, aller letzten Hülfe und alles Heils; nur daß allerdings je nach der Natur der einzelnen Landschaften und dem Gemüth der Stämme auch die Auffassung dieses Gottes sich veränderte. So scheinen die Sabiner vorzugsweise von der Idee der lichten Reinheit und Heiligkeit des himmlischen Vaters, seiner höchsten Treue und der von ihm ausgehenden Stiftung alles Rechtes und aller Ordnung durchdrungen gewesen zu sein; wenigstens deuten darauf die vielen Reinigungen und Heiligungen, dem sich der von Numa eingesetzte Flamen Dialis unterwerfen mußte, der Dienst des Dius Fidius, der Fides, des Terminus, welche von den Sabinern abgeleitet wurden. Dahingegen bei den Etruskern Jupiter vorzugsweise für den Herrn der Blitze und aller Verhängnisse im Himmel und auf Erden galt, die er durch seine Blitze allein oder mit Hinzuziehung des Götterrathes lenkt (S. 61), da sich in diesem an Wundern und Erscheinungen besonders 168 reichen Lande die Beobachtung und Verehrung des Volks und seiner Priester am meisten auf diesen Punkt fixirt hatte. Indessen verehrten auch sie und die Latiner, so sehr muß man sich vor einer Trennung der einzelnen Religionen Italiens hüten, den Jupiter zugleich als die höchste Quelle des Lichts und aller Ordnung, da Jupiter Lucetius und die Bedeutung der Idus, ferner die Verehrung des Jupiter Terminus, des Jupiter Rex und Imperator auch bei ihnen verbreitet war. Selbst die gemeinschaftliche Verehrung der drei höchsten Götter auf dem Capitol, des Jupiter, der Juno und der Minerva, scheint in Italien allgemein herkömmlich gewesen zu sein, da auch die Sabiner des römischen Quirinals (S. 58) und die Etrusker (Serv. V. A. 1, 422) sich zu ihr bekannten.

Fassen wir zuerst die Bedeutung des Jupiter im Naturleben bestimmter ins Auge, so tritt in Italien noch mehr als in den stammverwandten Religionen, namentlich auch in Griechenland, die Bedeutung des Lichtgottes in den Vordergrund, wie dieses schon der alte Cultusname Diespiter lehrt, ferner der gleichfalls sehr alte und verbreitete Name Lucetius, unter welchem er namentlich in den Saliarischen Liedern angerufen und auch bei den oskisch redenden Völkern verehrt wurdePaul. p. 114 Lucetium Iovem appellabant quod eum lucis esse causam credebant. Macrob. 1, 15, 14 oben S. 140, Gell. V, 12, 6 itemque Iovis Diespiter appellatus i. e. diei et lucis pater. (Vielmehr gehört das s in Dies zum Stamme.) Idcircoque simili nomine Iovis Diiovis dictus est et Lucetius, quod nos die atque luce quasi vita ipsa afficeret et iuvaret. Lucetium autem Iovem Cn. Naevius in libro belli Poenici appellat. Serv. V. A. IX, 570 lingua Osca Lucetius est Iupiter dictus a luce, quam praestare dicitur hominibus. Vgl. Mommsen Unterital. Dial. S. 274. Und zwar ist Jupiter als Lichtgott nicht etwa blos der Urheber der täglichen Helle des Tages (dies), welchen die Sonne bringt, sondern auch der Gott der lichten Erscheinungen des Himmels überhaupt, auch des leuchtenden WetterstrahlsDas Gebet der Salier nach der Herstellung Bergks: Cume tonas, Leucesie, prae tet tremonti., auch des nächtlichen Vollmonds, welcher die dem Jupiter heiligen Idustage bringt, an denen die Tageshelle und die nächtliche Helle sich zu einer ununterbrochenen Lichtoffenbarung des himmlischen Vaters zusammenschloß, daher jeder Vollmondstag mit einem den Etruskern entlehnten Ausdruck Iovis fiducia genannt wurde, d. h. eine Bürgschaft des Jupiter, ein immer wiederkehrendes Unterpfand seiner himmlischen Gegenwart und seines göttlichen Segens. Es 169 ist schon oben S. 140 bemerkt worden, daß sowohl dieser schöne und tiefe Gedanke als das System der Idus etwas nicht blos Etruskisches zu sein scheine, sondern sich auch bei den Sabinern und Latinern wiederfindet, da überall dem Jupiter die Idus heilig waren und namentlich in Rom deshalb dem Jupiter an jedem Vollmondstage die Idulia Sacra gebracht wurden. Ueberdies scheint mir aber auch die Legende von dem Ursprunge der zwölf Ancilien, die sich unverkennbar auf die zwölf Monde des Jahres beziehn, aus demselben Ideenzusammenhange erklärt werden zu müssen, da Jupiter dem Numa das erste Ancile, das himmlische Urbild der übrigen, auf sein Gebet unmittelbar vom Himmel und zwar gleichfalls als Unterpfand (pignus) seines göttlichen Segens sendet. Endlich decken sich, worauf ich unten ausführlicher zurückkommen werde, in einer ganzen Reihe alter religiöser Begriffe, namentlich in dem Culte des Diespiter, der Fides und des Dius Fidius die Vorstellungen von Licht, Recht, Wahrheit und Treue, so daß dafür, wie mir scheint, ein alter italischer, namentlich sabinischer und latinischer Wurzelbegriff nothwendig angenommen werden muß.

Ein andres Gebiet des Jupiter wie das aller ihm verwandten Götter der Griechen, der Deutschen u. s. w. ist das Wetter und Gewitter, von der segnenden Wolke bis zum zerstörenden Strahl der Wetterwolke; nur daß sich auch hier in Italien aus der gegebenen Vorstellung keine Bilder und Mythen, sondern nur Gebete und abergläubische Gebräuche entwickelt hatten. Eigentlich ist Jupiter heiter, serenus; wenn Jupiter lacht, so lacht der ganze Himmel, wie Ennius sich ausdrückteBei Serv. V. A. 1, 254 s. oben S. 52, 52, vgl. Virg. Aen. 1, 254 Olli subridens hominum sator atque deorum Vultu quo coelum tempestatesque serenat. Apul. de Mundo p. 371 Dicitur et Fulgurator et Tonitrualis et Fulminator, etiam Imbricitor et item Serenator, et plures eum Frugiferum vocant. Ennius b. Varro l. l. V, 65 Istic est is Iuppiter quem dico, quem Graeci vocant Aërem: qui ventus est et nubes, imber postea Atque ex imbre frigus, ventus post fit, aër denuo. Als Regengott heißt Iupiter pluvius bei Tibull. 1, 7, 26, pluvialis in einer Inschr. aus Pompeji b. Mommsen n. 2254. Imbricitor sagt Ennius auch vom Winde: spiritus Austri imbricitor, b. Macrob. VI, 2. Iup. Serenus oder Serenator ist vorzüglich der Aufheiternde nach dem Sturm, daher er neben der Fortuna Redux und in ähnlichen Verbindungen genannt wird, s. Or. n. 1262. 1761. 4310.. Doch ist er auch befruchtender Regengott, imbricitor, pluvius, pluvialis und als solcher befruchtend und nährend, sowohl für die Weide als für den Acker und Weinberg, daher man ihn als 170 alnius und frugifer anrief. Ueberhaupt sind alle Veränderungen der Luft sein Gebiet und seine Herrschaft, namentlich auch die Winde und Stürme, welche auch auf Italiens Bergen und Meeren tapfer zu hausen pflegen, daher Jupiter und die Tempestates d. h. die Gewitterstürme nicht selten zusammen genannt wurdenInschriften aus Lambaese in Numidien bei Marini Atti p. 774, Or. n. 1271, Renier Inscr. Ro. de l'Algérie, n. 6 Iovi O. M. Tempestatium Divinarum Potenti Leg. III etc. n. 7 Ventis Bonarum Tempestatium Potentibus Leg. III etc.. Vor allen übrigen Lufterscheinungen aber war es Blitz und Donner, in welchem man die Gewalt des höchsten Gottes im Himmel erkannte; daher die vielen darauf bezüglichen Beinamen, unter denen er verehrt wurde: Iup. Fulgur oder Fulgurator von dem leuchtenden Strahle, auch Iup. Fulgur Fulmen oder Fulminaris und Fulminator, wo der niederfahrende Donnerkeil des Blitzes (fulmen) zu dem aufleuchtenden fulgur hinzutritt, endlich auch als Tonans oder Tonitrualis, ein seit August in Rom beliebter Cultus, wo der erschütternde Donner zur Hauptsache geworden istIup. Fulgur b. Fest. p. 229, 2, Iovi Fulguri Fulmini b. Henzen z. Or. n. 5629, Iovi Fulminari ib. n. 5630, Iovi Fulgeratori Or. n. 1238. 1240. 3931, I. O. M. Fulm. Ful. ib. n. 1239, Iovi Fulmin. Fulg. Tonanti ib. 1241.. In ganz Italien sind die Gewitter häufig, vor allem im Frühlinge und im Herbste, wie Plinius auseinandersetztPlin. H. N. II, 50 vgl. Io Lydus de Ostentis 43, auch Lucret. VI. 357 ff. und die schöne Schilderung bei Virgil Ge. 1, 311 ff., und zwar pflegen solche Erscheinungen im Süden weit heftiger und plötzlicher aufzutreten als bei uns. Wie oft Rom von stürmischen Gewittern heimgesucht wurde, lehren die Verzeichnisse der Prodigien bei Livius und Julius Obsequens: und die Verehrung eines eignen Gottes der nächtlichen Blitze, des Summanus, ferner die des Iup. Elicius, der seit alter Zeit einen eignen Altar auf dem Aventin hatte, beweist daß man nicht blos in Etrurien mit einer sorgfältigen und superstitiösen Beobachtung, Beschwörung und Sühne der Blitze beschäftigt war. Namentlich soll auch Numa sich auf die Beschwörung der Blitze gut verstanden haben, nach der Legende bei Ovid u. A., weil Picus und Faunus, die mächtigen Waldgeister ihn den Zauber gelehrt hatten, den der fromme König nur zum Besten seiner Römer anwendeteOvid Fast. III, 261 ff., Plut. Numa 15, Valer. Antias b. Arnob. V, 1, vgl. Varro l. l. VI, 94, Liv. 1, 20.. So heftige und häufige Blitze schreckten Stadt und Land, daß er den Jupiter im Blitze vom Himmel beschwor, um von ihm selbst 171 ein sichres Mittel der Blitzsühne zu erfahren. Jupiter erschien und forderte das Haupt und die Seele eines Menschen, worauf Numa statt des Hauptes (caput) eine Zwiebel (cepa) darbrachte, statt des Menschenhauptes (caput hominis) dessen Haare (capillos), statt der lebendigen Seele (anima) den Fisch (maena), und Jupiter sich lächelnd auch damit zufrieden erklärte. Doch sollte die höchste Auszeichnung in solchen Künsten und Gebräuchen den abergläubischen Etruskern vorbehalten bleiben, die mit ihrer Kunst dann in Rom und sonst in Italien aushalfen. Hatte doch einst Volsinii, als ein schreckliches Ungeheuer sein Gebiet verheerte und die Stadt bedrohte, durch Blitzbeschwörung Rettung gefunden, und von dem Könige Porsenna wußte man gewiß daß er sich so gut als Numa auf diese Kunst verstanden hattePlin. H. N. II, 53 Exstat annalium memoria sacris quibusdam et precationibus vel cogi fulmina vel impetrari. Vetus fama Etruriae est impetratum Volsinios urbem depopulatis agris subeunte monstro quod vocavere Voltam, evocatum et a Porsenna suo rege. Et ante eum a Numa saepius hoc factitatum in primo annalium suorum tradidit L. Piso gravis auctor, quod imitatum parum rite Tullum Hostilium ictum fulmine. Noch zur Zeit des Alarich beschwören die etruskischen Priester ein Donnerwetter gegen die Barbaren, Zosim. V, 41.. Aus den langjährigen Gewitterbeobachtungen und Blitzsühnen der etruskischen Priester aber hatte sich eine Doctrin gebildet, welche praktisch in Rom durch die Haruspices (S. 14) sehr oft geübt wurde und theoretisch später auch zugänglich wurde, namentlich durch Aulus Caecina aus Volaterrä, welcher die Römer in seinem Werke über die etruskische Disciplin sowohl mit dem wesentlichen Inhalte der alten libri fulgurales und tonitruales als sonst mit den Grundzügen der Theologie und Divination seiner Heimath bekannt machteAuf die alten Beobachtungen der Etrusker deutet Lucret. VI, 379 ff. Von Caecina s. Cic. de Div. 1, 33. Wichtige Auszüge aus seinem Werke bei Seneca Qu. Nat. II, 32–49. Auch Varro, Nigidius Figulus u. a. hatten über die Lehre von den Blitzen nach römischem und etruskischem Gebrauch geschrieben, vgl. Plin. H. N. II, 52–54, Serv. V. A. 1, 42, Io Lydus d. ostent. 21–52, O. Müller Etrusker 2, 31 ff.. Der oberste Grundsatz auch dieses Systems war, daß die Blitze eine Offenbarung des Willens der Götter seien, und zwar hielt man sie in Etrurien für die sichersten und zuverlässigsten unter allen himmlischen Zeichen. In der weitern Ausführung wurden verschiedene Arten von Blitzen unterschieden, die Götter von welchen sie geschleudert wurden, ihre Bedeutung und Veranlassung, nach denen sie verschiedentlich benannt wurden. In Rom galten solche Blitze immer für 172 die bedenklichsten, welche geheiligte oder für das öffentliche Leben wichtige Stätten trafen, die alten Haine der Götter oder ihre Tempel, die geweihten Denkmäler des bürgerlichen Lebens der Stadt, oder wohl gar das hehre Capitol und den eignen Tempel des JupiterBei Seneca Qu. N. II, 49 werden u. a. genannt regalia fulmina d. h. solche quorum vi tangitur vel comitium vel principalia urbis tiberae loca, quorum significatus regnum civitati minatur. Ein Blitz in das Prätorium des Lagers bedeutet Eroberung desselben und Tod des Feldherrn, Dionys IX, 6, ein Blitz in den T. der Juno Gefahr der Frauen, Liv. XXVII, 27.. Auch gab es eine eigne ars fulguritorum, welche für eine Eingebung der etruskischen Nymphe Begoe gehalten und seit August mit andern Schriften der Art im Tempel des Palatinischen Apollo aufbewahrt wurdeServ. V. A. VI, 72, Paul. p. 92 fulguritum id quod est fulmine ictum, qui locus statim fieri putabatur religiosus, quod eum deus sibi vindicasse videretur., d. h. eine technische Anweisung zur Weihe der vom Blitz getroffenen Stätten und Gegenstände (fulgurita), welche für heilig galten, weil Jupiter selbst davon Besitz genommen zu haben schien. War der Blitz in die Erde gefahren, so wurde die von dem himmlischen Feuer berührte Erde zuerst sorgfältig gesammelt und eingescharrt (fulgur condere), dann die Stätte durch das Opfer eines zarten Lamms (daher bidental) geweiht und endlich in Forni einer Brunnenmündung (puteal) bedeckt und ummauert; daher das puteal Libonis oder Scribonianum auf dem römischen Forum, von welchem die Denare der Familie Scribonia eine Ansicht geben, und andre derartige Blitzgräber, welche in Rom und Italien etwas sehr Gewöhnliches gewesen sein müssenBecker Handb. d. R. A. 1, 280, t. 5, 6, Marquardt IV, 250.. Waren die Bäume eines Hains getroffen, so wurden sie nach sorgfältigen Sühnungen entfernt und mit gleicher Sorgfalt neue gepflanztActa fr. Arv. I. 43, Paul. p. 295 strufertarios.. Auch der vom Blitz erschlagene Mensch galt nach einem Gesetze Numas für geweiht, nach welchem man die Leiche nicht wegtragen und bestatten durfte, sondern an Ort und Stelle liegen lassen und einscharren mußte. Wurden aber Personen hohes Standes von dem Blitze nur berührt, ohne getödtet zu werden, so durften sie dieses für ein sichres Zeichen der höchsten Ehre für ihre Nachkommen haltenFest. p. 178, Plin. H. N. II, 54. Vgl. Serv. V. A. II, 649 und den Fall bei Ammian. Marc. XXIII, 5, 13. Ein Q. Fabius Eburneus, welchen ein Blitz am After getroffen hatte, bekam darüber den Spitznamen Pullus Iovis, Fest. p. 245.. – Endlich gab es eine der 173 Blitzbeschwörung entsprechende Kunst der Wolken- und Regenbeschwörung, welche man aquilicium nannte und gleichfalls vorzüglich den Etruskern verdankte. Sie wurde bei großer Dürre angewendet, wo das römische Volk, Männer und Frauen, auch wohl mit bloßen Füßen auf das Capitol zu eilen und die Beschwörung durch brünstige Gebete zum Jupiter zu unterstützen pflegteTertullian Apolog. 40, vgl. Petron Sat. 44 und die ähnlichen Gebräuche bei Grimm D. M. 159. Etwas Anderes ist der Tuscus aquilex bei Varro Non. Marc. p. 69, s. O. Müller Etr. 2, 340..

Als Regengott war Jupiter zugleich der Befruchtende, der Nährende, in welcher Eigenschaft er besonders auf dem Lande viel verehrt wurde. So pflegte ihm der Landmann vor der Aussaat im Herbste oder im Frühjahre ein Mahl (daps) zu bereiten und dazu Wein zu spenden und zu dem Iupiter dapalis um Regen für seine Felder und sein Ackervieh zu betenCato r. r. 50. 131. 132, Paul. p. 68 daps apud antiquos dicebatur res divina quae fiebat aut hiberna sementi aut verna. Vgl. Grimm D. M. 1185 ff. und auch vor der Erndte wurde zu ihm und der Juno gebetet, ehe der Ceres die herkömmliche porca praecidanea geschlachtet wurde (Cato d. r. r. 134). Eben deshalb nannte man ihn almus und frugifer und Ruminus d. i. der Alles wie an seiner Brust (ruma) NährendeAlmus und Ruminus heißt er bei Augustin C. D. VII, 11 quod aleret omnia, quod ruma i. e. mamma aleret omnia. Ib. VII, 12 et Pecunia vocatur, quod eius sint omnia., auch Pecunia, welches Wort sich gewiß ursprünglich auf den Segen des Viehstandes bezog. Dahingegen der Beiname Pistor, unter welchem Jupiter auf dem Capitole verehrt wurde, doch wohl besser durch »Zerschmetterer, Blitzschleuderer« übersetzt wird, obwohl man später aus Misverstand des Wortes pistor an Gebäck und die Gallische Noth zu denken pflegte; Jupiter habe damals den Belagerten die List an die Hand gegeben, den Feinden wie im Ueberflusse Brode ins Lager zu werfenOvid F. VI, 343 ff., Lactant. 1, 20, 33. Man gefiel sich sehr die Noth der damaligen Belagerung auszumahlen und bezog darauf auch einen Altar des Iup. Soter auf dem Capitol, s. Serv. V. A. VIII, 651. Doch gab es bis zu dem Kriege mit Perseus keine pistores in Rom, auch bedeutet pinsere überhaupt tundere, molere, frangere, s. Plin. H. N. XVIII, 11, 28, Varro b. Non. Marc. p. 152.. Wohl aber gehört hieher der in Italien weit und breit verehrte Iupiter Liber, ein um so mehr bemerkenswerther Cultus, da er wesentlich und eigenthümlich italisch ist, denn die 174 Griechen haben für diese Thätigkeit einen eignen Gott, den Sohn ihres Zeus, Dionysos angenommen. Wir kennen diesen Jupiter Liber durch Inschriften aus Capua (Mommsen I. N. n. 3568) und aus dem Gebiete von Furfo im Lande der Vestiner (Or. n. 2488, Mommsen I. N. n. 6011), ferner durch ein Gewicht in der Form eines alterthümlichen Jupiterkopfes mit oskischer Inschrift (Mommsen Unterital. Dial. S. 170 t. VII), endlich durch eine Inschrift aus Amiternum, der alten Hauptstadt der Sabiner, welche in ihrem Stammvater Sabus oder Sabinus den ersten Winzer verehrten (Mommsen I. N. n. 5760). Dazu kommt ein durch verschiedene Inschriften bekannter Iupiter Libertas, welcher namentlich in Latium und Rom verehrt wurde, s. Or. n. 1249 und die Inschrift aus Tusculum n. 1282, ferner gab es in Rom auf dem Aventin drei Tempel der Minerva, der Juno Regina und des Jovis Libertas, ein Neubau des Augustus nach dem Monumentum Ancyranum, dessen griechischer Text ungenau Ζεὺς Ἐλευϑέριος übersetzt. Diese Namen Liber und Libertas können nichts wesentlich Anderes bedeuten als bei der Benennung des Liber Pater und der Libera, also Fülle und üppigen Segen und die damit verbundene Stimmung ausgelassener Lust, wie sie ein reicher Erndtesegen vollends der Weinberge von selbst mit sich bringt. Auch wissen wir daß in Latium der Weinbau und die Weinlese vorzugsweise unter den Schutz des Jupiter und der Venus gestellt war, welche letztere der Libera entspricht. So waren die ländlichen Vinalien, welche schon am 19. August gefeiert wurden und unter der Betheiligung der Priester das Signal zur Weinlese im September und October gaben, diesen beiden Göttern geweiht, s. Varro l. l. VI, 20, Paul. und Fest. p. 264. 265 Rustica Vinalia. Namentlich wurde dann vom Flamen Dialis, also dem Jupiterspriester, die Weihe der Weinlese in der Weise vorgenommen, daß er zuerst einige Trauben abschnitt und dabei zur Weinlese feierlich aufrief, darauf dem Jupiter ein Lamm als Opfer schlachtete und, während man mit der Zubereitung desselben beschäftigt war, abermals mit seiner auspicirenden Weinlese fortfuhrVarro l. l. VI, 16 Vinalia a vino. Hic dies Iovis, non Veneris. Huius rei cura non levis in Latio, nam aliquot locis vindemiae primum ab sacerdotibus publice fiebant, ut Romae etiam nunc. Nam flamen Dialis auspicatur vindemiam (dieses auspicari ist immer zugleich ein inchoare der einzuweihenden Handlung, s. oben S. 161) et ut iussit vinum legere (dieses ist das kalare des Anschlags in hortis Tusculanis) agna Iovi facit, inter quoius exta caesa et porrecta flamen prorsus (codd. porus) vinum legit. Müller hat diese Stelle nicht richtig verstanden.. Darum war in den 175 Weinpflanzungen der Tusculaner das ausdrückliche Verbot angeschlagen, man solle keinen neuen Wein in die Stadt fahren, ehe die Vinalien ausgerufen wärenIb. In Tusculanis ortis est scriptum: Vinum novum ne vehatur in urbem ante quam Vinalia kalentur, Paul. p. 264 Rustica Vinalia XIV Kal. Sept. celebrabant, quo die primum vina in urbem deferebant. Für ortis haben die Ausgaben sacris, doch hat der cod. Flor. sortis und es ist kein Grund zu andern, vgl. Varro l. l. VI, 20 Vinalia Rustica dicuntur a. d. XIV Kal. Sept., quod tum Veneri dedicata aedes et orti ei deae dicantur. Hortus ist in der älteren und ländlichen Sprache jeder eingehegter Platz, sowohl eine Pflanzung als der ganze bäuerliche Hof, also auch eine Weinpflanzung. Vgl. Mommsen Unterital. Dial. S. 131., wie denn auch eben dieses Hineinschaffen des ersten heurigen Weins in die Stadt mit besondern Feierlichkeiten verbunden gewesen zu sein scheint. Auch die Meditrinalia am 11. Octbr. waren nach dem Kalender von Amiternum mit einer religiösen Feier des Jupiter verbunden. Wie bei der Feier der Dea Dia im Mai, welche hinsichtlich der Feldfrüchte dem Feste der ländlichen Vinalien und jenen Cerimonien des Flamen Dialis entsprach, die Arvalbrüder zugleich von den frischen Früchten des neuen Jahres und von denen des vergangenen Jahres genossen, so kostete man an diesem Feste zugleich den heurigen und den alten Wein und sprach dazu die Worte, indem man sich der heilenden Kraft des Weins erfreute (Meditrinalia a medendo): Neuen Wein, alten Wein trinke ich, mit neuem Weine, altem Weine heil' ich michNovum vetus vinum bibo, novo veteri vino morbo medeor. Varro l. l. VI, 21.. Auch im nächsten Frühjahre, wo man am 23. April wieder Vinalia feierte, auch diese dem Jupiter und der Venus, gedachte man, ehe der junge Wein angezapft wurde, zuerst des Jupiter mit einer Spende, welche man nach dem dabei gebrauchten Gefäße calpar nannte, s. Paul. p. 46 und 65, Ovid Fast. IV, 863 ff., Kal. Maff. Praen.

Unter den Eigenschaften, welche den Jupiter mit den Menschen und dem Nationalleben verbanden, sei zuerst seiner kriegerischen gedacht, welche in der älteren Zeit sogar am meisten hervortraten, so daß Jupiter durch ganz Italien neben Mars als der eigentliche Entscheider der Schlachten und Gott des Sieges verehrt wurde. Diese Eigenschaften, die des Stator und Feretrius, werden auch in der Römischen Geschichte zuerst genannt und Augustin C. D. VII, 11 hat, vermuthlich aus Varro 176 und alten Gebeten, eine ganze Reihe alter Cultusnamen erhalten, welche Jupiter als den Gott der Schlachten nach Art der Indigitamenta in verschiedenen Acten des Kampfes schildern: Dixerunt eum Victorem, Invictum, Opitulum, Impulsorem, Statorem, Centumpedam, Supinalem, wo Centumpeda der wie auf hundert Füßen Stehende ist, eine so feste Stütze bot er den Seinigen, Supinalis der die Feinde rückwärts HinstreckendeQuod haberet impellendi, statuendi, resupinandi potestatem, setzt Augustin hinzu. Mit Furcht erfüllte Jupiter auch die Plebs auf dem Mons sacer, daher sie sich zur Rückkehr nach Rom entschloß und jenen Hügel unter einem entsprechenden Beinamen dem Jupiter weihte, s. Paul. p. 319, Dionys VI, 90.. Als Stator ist Jupiter zugleich Versor der Feinde (τροπαῖος), unter welchem Beinamen ihm in einer oskischen Inschrift bei Mommsen Unterital. Dial. S. 191 ein Stier geweiht wird. Endlich ist er auch Praedator, als welcher er einen eignen Cultus in Rom hatte, in welchem Stücke der Beute geweiht wurden, Serv. V. A. III, 222. Die wichtigsten Culte dieses kriegerischen Jupiter sind aber doch die des Stator, des Feretrius und des Victor. Als Stator hatte ihm Romulus den Tempel am Aufgange von der Via Sacra auf den Palatin gewidmet, wo die Römer sich von neuem zum Kampfe mit den Sabinern gesammelt hatten. Später gelobte der Consul M. Atilius Regulus in einer heißen Schlacht mit den Samnitern im J. 460 d. St., 294 v. Chr. einen zweiten Tempel, welcher wahrscheinlich in der Gegend des Circus Flaminius erbaut wurdeLiv. X, 36 vgl. Varro b. Macrob. III, 4, 2, Orelli n. 33, Becker Handb. I, 608. Ein signum Iovis Statoris bei Arretium erwähnt Cic. de Divin. 1, 35, 77. Iup. Stator in Alba Fucentia b. Mommsen I. N. n. 5628–5633. Vgl. Or. n. 1263. 1264. 2155. 5644 und eine Inschrift aus Thagaste: Iovi Opt. Max. Statori et Iun. Aug. Reg. b. Renier Inscr. de l'Algérie 1 n. 2898.. Auch war derselbe Cultus sonst in Italien und in den romanisirten Gegenden verbreitet. Iupiter Victor, der höchste Gott des Siegs, scheint seinen ersten Tempel in Rom durch den berühmten Sieger der Samniterkriege Q. Fabius Maximus Rullianus auf Veranlassung einer Schlacht vom J. 457 d. St., 297 v. Chr. erhalten zu habenLiv. X, 29. Wenige Jahre darauf, nach dem glorreichen Siege des L. Papirius Cursor bei Aquilonia im J. 461 (293) ist wieder von diesem Jup. Victor die Rede, Liv. X, 42.. Später gab es mehr als einen Tempel desselben, einen dessen Dedications- und Festtag auf die Iden des April fiel (Ovid F. IV, 621) und einen andern welcher an den Iden des Juni dem Iupiter Invictus 177 gestiftet war (Ovid F. VI, 644, Kal. Venus.). Einer von diesen Tempeln lag auf oder an dem Palatin, vermuthlich in der Nähe des Iup. StatorCic. de Leg. II, 11, 28 cognomina Statoris et Invicti Iovis. Vergl. Becker Handb. 1, 422., ein andrer auf dem Capitol, wo dieser Jupiter des Siegs wenigstens in späterer Zeit einen eignen Tempel hatte, in welchem er in der Umgebung von Victorien thronte, einen Eichenkranz auf dem Haupte, eine Victoria auf der RechtenEr wird bald nach dem Tode Cäsars und seitdem wiederholt erwähnt. Dio Cass. XLV, 17 wo der Blitz einschlägt ἐς τὸν ϑεὼν τὸν τῷ Διῒ τῷ Καπιτολίῳ ἐν τῷ Νικαίῳ ὄντα. XLVIII, 40 ἐς τὸν τοῦ Νικαίου Διὸς βωμόν. LX, 35 ἡ αὐτόματος τοῦ ναοῦ τοῦ Διὸς τοῦ Νικαίου ἄνοιξις. Also ein eigner T. des Iup. Victor, einer von den vielen, die den größeren Tempel des Capitolinischen Jupiter umgaben. Das Bild vergegenwärtigt eine Inschrift aus Cirta bei L. Renier Inscr. de l'Alg. 1 n. 1890 in einem Verzeichniß von Tempelschätzen: Iovis Victor argenteus in Kapitolio habens in capite coronam argenteam querqueam folior. XXV, in qua giandes n. XV, ferens in manu dextra orbem argenteum et Victoriam palmam ferentem . . . XX et coronam folior. XXXX . . . ., sinistra hastam arg. tenens. Ohne Zweifel nach einem Vorbilde des Römischen Capitols.. Endlich das Heiligthum des Iupiter Feretrius war bekanntlich das älteste Capitolinische und eins der ältesten auf römischem Grund und Boden überhaupt. Der Sage nach wurde es von Romulus gestiftet, als er gleich nach dem Raube der Sabinerinnen im Kampfe mit den Latinern oder Sabinern von Caenina deren König Acron, einen Sohn des Hercules, erschlagen und die nahe bei Rom gelegene Stadt erobert hatte. Bei der Rückkehr mit dem siegreichen Heere habe er selbst die Spolien des feindlichen Königs auf dem dazu bereiteten Gestell (feretrum) getragen, sei mit denselben triumphirend aufs Capitol gestiegen und habe sie dort unter einer heiligen Eiche niedergelegt (S. 96). Bei dieser Eiche soll Romulus jenes Heiligthum des Iup. Feretrius gegründet haben, welcher nach seinem Vorgange speciell der Siegesgott der Spolia opima war d. h. solcher Spolien, welche wie damals von einem Anführer des römischen Heeres einem feindlichen Könige oder Heerführer im Zweikampfe abgenommen wurden (Liv. 1,10). Der Name Feretrius ist von feretrum abzuleiten, das ist jenes aus Baumstämmen gezimmerte Gestell, auf welchem die Spolien d. h. die dem Feinde abgenommenen Stücke der Rüstung getragen und aufgestellt zu werden pflegtenVirg. Aen. XI, 83 Indutosque iubet truncos hostilibus armis Ipsos ferre duces inimicaque nomina figi.. Numas Gesetz bestätigte die Stiftung (Fest. p. 189) und Ancus Marcius soll den 178 Tempel erweitert haben (Liv. 1, 33), welcher in der Nähe des großen Capitolinischen Tempels gelegen zu haben scheint. Nur zwei Römer waren so glücklich zu jenen Spolien des Romulus neue hinzuzufügen: A. Cornelius Cossus, welcher als Führer der römischen Reiterei im J. 317 d. St., 437 v. Chr. dem Vejenterkönige Tolumnius, dem Führer der feindlichen Reiterei, in einer Schlacht vor den Mauern Fidenä's die Rüstung abgewann, welche er neben jener des Acron von Caenina mit dem üblichen Dedicationstitel aufstellte (Liv. IV, 20), und M. Marcellus, nachdem er als Consul im J. 532 d. St., 222 v. Chr. den celtischen König und Führer der insubrischen Gallier Viridomar während einer Schlacht am Po in ritterlichem Zweikampfe bezwungen hatte (Liv. Epit. XX, Plut. Marc. 7 u. A.). Andre, wie T. Manlius Torquatus, Valerius Corvinus, Scipio Aemilianus, hatten zwar auch mit gleicher Tapferkeit feindliche Heerführer im Zweikampfe getödtet, aber sie mußten auf die gleiche Ehre verzichten, weil sie nicht unter eigner, sondern unter eines Andern Anführung diese That gethan hattenValer. Max. III, 2, 3, vgl. Hertzberg in Schneidewins Philol. I p. 331–339.. Der alte, gewöhnlich verschlossene Tempel war mit der Zeit so verfallen, daß Augustus ihn wiederherstellen mußte. Eine Vorstellung von seiner Gestalt giebt der kleine Rundtempel des Mars Ultor, welchen derselbe Augustus bald darauf für die von den Parthern ausgelieferten Adler des Crassus als Gegenstück erbauen ließ, wie uns die Münzen der Zeit denselben vergegenwärtigenDio Cass. LIV, 8, Vgl. Pinder in den Abh. der philol. histor. Kl. d. Berl. Akad. 1855 S. 612 und t. IV, 3..

Nächst dem wurde die sittliche Idee des Rechtes und der Treue früh und mächtig angeregt durch den mit dem Institute der Fetialen innig verwachsenen Cult des Diespiter und den der Fides, des Dius Fidius, des Terminus und andre alterthümliche Traditionen, auf die ich zurückkommen werde. In Rom scheint die Regia und die Capitolinische Arx durch T. Tatius und Numa ganz vorzugsweise dem Culte dieses alten Vaters des himmlischen Lichtes und der himmlischen Erscheinungen geweiht worden zu sein, worauf die an beiden Punkten an den Kalenden, Nonen und Idus gebrachten Opfer deuten, namentlich die letzteren, welche dem Jupiter der Idus galten. Leider erfahren wir nur wenig von diesen Sacra Idulia, doch wissen wir daß sie aus dem Opfer eines ausgewachsenen weißen Lammes bestanden, welches der 179 Flamen Dialis dem Jupiter darbrachte, und zwar so daß zugleich gewisse sühnende und weihende Umzüge auf der daher Sacra Via genannten Straße von der Regia bis zur Arx stattfandenPaul. p. 104 Idulis ovis dicebatur quae omnibus Idibus Iovi mactabatur. Fest. p. 290 Sacram Viam, – quod eo itinere utantur sacerdotes idulium sacrorum conficiendorum causa. Itaque ne eatenus quidem, ut vutgus opinatur, sacra appellanda est, a Regia ad domum Regis Sacrificuli, sed etiam a Regis domo ad sacellum Streniae et rursus a Regia usque in Arcem. Varro l. l. V, 47 qua sacra quotquot mensibus feruntur in Arcem. Vgl. Macrob. I, 15, 16, Ovid F. I, 55 und 587.. Ein andres Merkmal aber des Begriffs von höchster Reinheit und Heiligkeit, welchen Numa mit dem Namen des Jupiter, dem er selbst als Priester diente (S. 19, 7), verbunden hat, sind die in dieser Hinsicht höchst merkwürdigen Vorschriften für das persönliche Verhalten des Flamen Dialis und seiner Gemahlin, der Flaminica, welche vermöge derselben gewissermaßen wie lebende Bilder jener Götter des Lichtes, denen sie dienten, vor dem Volke wandeln sollten. Der Wiederherstellung jener priesterlichen Würde durch August (S. 25) verdanken wir wohl die ausführlichen Nachrichten darüberBesonders bei Gellius N. A. X, 15, welcher seine Mittheilungen mit den Worten beginnt: Cerimoniae impositae flamini Diali multae, item castus multiplices, quos in libris qui de sacerdotibus publicis compositi sunt, item in Fabii Pictoris librorum primo scriptos legimus. Anderes ist durch Festus und Paulus, Servius zum Virgil und Plutarch erhalten. Vgl. Marquardt Handb. d. R. A. IV, 271., wobei allerdings zu bedenken bleibt, daß die alten Bestimmungen des Numa in manchen Punkten durch spätere Zusätze erweitert oder verändert wurden. Dem Range nach war er unter allen Flamines der höchste und angesehenste; so war auch seine Kleidung, seine Gewöhnung, sein Auftreten im Publicum ein sehr würdiges und feierliches. Nur durfte er allein unter allen Priestern, obgleich der Senat für ihn immer offen stand, kein weltliches Amt bekleiden noch sich um ein solches bewerben, eine Bestimmung, welche ursprünglich gleichfalls seine specifisch geistliche Dignität ausdrücken sollte, bei den nachmals vorherrschend weltlichen Interessen aber freilich von den Patriciern, die zu den Stellen der drei flamines maiores allein wählbar blieben, sehr schwer empfunden wurde. Ferner durfte der Flamen Dialis allein nie ein Pferd besteigen, keine bewaffnete Mannschaft außerhalb des geweihten Pomoeriums sehen, wie die Vestalinnen nie einen Eid schwörenGellius l. c. Iurare Dialem fas nunquam est. Daher weiterhin die Worte aus dem Edict. Perpet. des Praetors: Sacerdotem Vestalem et Flaminem Dialem in omni sua iurisdictione iurare non cogam. Der Grund ist auch hier die besondre Heiligung und Reinheit der Person. Ein bloßes Ja sollte genügen., 180 keinen geschlossenen Ring an seiner Hand, keinen Knoten an seinem Apex oder seiner Gürtung oder sonst an seinem LeibeGellius l. c. Annulo uti nisi pervio cassoque fas non est. – Nodum in apice neque in cinctu neque alia in parte ultam habet. Es sollte nichts Bindendes, nichts Fesselndes an diesem geweihten Leibe sein. Denn auch der geschlossene Ring ist eine Art von Fessel, wie in der Mythe vom Prometheus. Der apex ist eigentlich das Reis vom Oelbaume auf dem galerus, dann der geweihte Hut. Es wurde gewöhnlich mit geweihten wollenen Fäden befestigt, auf dem Hute des Dialis also ohne Knoten. Der galerus selbst war ein albogalerus d. h. genommen von einer hostia alba Iovi caesa, Paul. p. 10. Auch darin ist die Symbolik des Lichtes durchgeführt., sondern nur Spangen an seiner Kleidung haben. Sein Haar und Bart durfte nur von einem freien Manne und mit einem ehernen Messer geschoren werden; die Abschnitte seiner Nägel und seiner Haare mußten unter einem fruchttragenden Baume eingescharrt werden. Eine Ziege, einen Hund und rohes Fleisch, den umstrickenden Epheu und die den Todten geweihte Bohne durfte er nicht anrühren, ja nicht einmal nennen, auch einen in der Gährung begriffenen Teig nicht berühren und unter geile und verstrickte Schößlinge eines Weinstocks oder eine von solchen Schößlingen gebildete Laube nicht treten. Die Füße seines Bettes mußten mit einem leichten Anstrich von Lehm versehen sein, auch durfte er nicht drei Nächte hinter einander außerhalb dieses Bettes zubringen noch durfte ein Andrer in demselben schlafenEr durfte nach der ältern Bestimmung keine Nacht außerhalb der Stadt zubringen, auch nach Augusts Bestimmung nicht mehr als zwei Nächte und nur zweimal in demselben Jahre und mit Erlaubniß des Pont. Max. abwesend sein. s. Liv. V, 52, Tacit. Ann. III, 71.; am Fußende des Bettes aber mußte immer eine Lade mit den gewöhnlichen Opfergaben (capsula cum strue atque ferto) zur Hand sein. Niemals durfte er unter freiem Himmel ohne seinen Apex sein; daß er ihn zu Hause abnehmen durfte, war erst später durch einen eignen Beschluß der Pontifices erlaubt worden, welcher auch sonst Manches milderte; noch L. Corn. Merula hatte, als er in dem blutigen Jahre des Marius und Cinna (87 v. Chr.) seiner Ermordung durch Selbstmord zuvorkam, eine eigne Urkunde darüber hinterlassen, daß er seinen Apex bevor er sich die Adern geöffnet abgenommen habe. Ferner durfte der Dialis sich nie unter freiem Himmel entkleiden, 181 damit Jupiter nicht den ihm geweihten Priester entblößt säheGellius l. c. tunicam intimam nisi in locis tectis non exuit, ne sub caelo tanquam sub oculis Iovis nudus sit. Vgl. Plut. Qu. Ro. 40.. Jeder Tag war für ihn ein Feiertag. Niemals durfte Feuer aus seinem Hause genommen werden, es sei denn daß es zu einer heiligen Handlung dienen sollte. Er und sein Haus waren eine Zuflucht der Gefesselten und zur Hinrichtung Geführten. Gelang es einem solchen dem Dialis zu Füßen zu fallen, so durfte die Hinrichtung an dem Tage nicht vorgenommen werden und Gefesselte wurden, wenn sie in sein Haus traten, alsbald gelöst, ihre Fesseln aber durch den innern Hof des Hauses auf das Dach und von dort auf die Straße geschafft. Heirathen durfte er nur einmal und unter den alten religiösen Formen der confarreatio. Eine Scheidung der Ehe war für ihn nur durch den Tod möglich; starb aber die Frau vor ihm, so mußte er sein priesterliches Amt aufgeben. Einen Ort, wo sich ein Grab befand, durfte er nicht betreten, einen Todten nicht anrühren, einem Leichenbegängnisse zwar beiwohnen, aber die klagenden Weisen der dabei gebräuchlichen Flöten nicht hören. Dazu kamen noch höchst rigorose Vorschriften hinsichtlich seiner priesterlichen FunctionenVal. Max. 1, 1, 4 Consimili ratione P. Cloelius Siculus, M. Cornetius Cethegus, C. Claudius propter exta parum curiose admota deorum immortalium aris variis temporibus bellisque diversis flaminio abire iussi sunt coactique etiam. At Sulpicio inter sacrificandum e capite apex prolapsus eidem sacerdotium abstulit. Vgl. Liv. XXVI, 23, Plut. Marc. 5., bei denen er entweder durch seine eignen Söhne oder durch Opferknaben von edler Geburt, denen Vater und Mutter noch lebten, unterstützt wurdePaul. p. 93 Flaminius camillus. Eine ähnliche camilla ging der Flaminica zur Hand, s. ib. v. Flaminica.. Seine Frau, die Flaminica Dialis, war zugleich eine priesterliche Dienerin der Juno und das Modell einer römischen Matrone nach den Gebräuchen und Sitten der alten Zeit. So durfte der Dialis nur eine solche Toga tragen, welche seine Frau gewebt hatteEs war eine toga praetexta aus schwerer Wolle, daher laena genannt. Auch die Flaminica und überhaupt die Priester trugen Wolle., während sie selbst das Haar nach alter Sitte in dem pyramidalen tutulus, aber mit einem purpurnen wollenen Bande durchflochten trug. Außerdem gehörte zu ihrer unterscheidenden Kleidung die sogenannte rica, ein großes Kopftuch von dunkelrother oder blauer Farbe, welches von edlen und unverwaisten Jungfrauen aus frisch vom Lamm genommener Wolle gewebt und gefärbt wurde. Bei jeder heiligen Handlung trug sie auf dem Haupte ein sogenanntes 182 arculum oder inarculum d. h. den Zweig eines Granatbaums, welcher zusammengebogen (arcuare) und an den Enden mit einem Faden von weißer Wolle zusammengebunden warServ. V. A. IV, 137, Paul. p. 113 Inarculum. Offenbar ist der Zweig der Granate ein Sinnbild der Fruchtbarkeit, welche eben so sehr zum Wesen der Juno als zu dem einer guten Hausfrau gehörte. Der geweihte Oelzweig auf dem Apex des Dialis und der andern Priester ist analog aufzufassen, also etwa als Symbol des Segens und der Fruchtbarkeit.. Dabei durfte sie weder Schuhe noch Sohlen von dem Leder eines gefallenen Viehs tragen noch sich über die Kniee aufgürten noch eine sogenannte griechische Treppe höher als die ersten drei Stufen steigen. Andre Vorschriften galten für gewisse heilige Gebräuche und Zeiten des Jahres, z. B. daß sie im März, solange die Ancilia umgingen, im Juni, solange das Heiligthum der Vesta gereinigt wurde, weder ihr Haar machen noch ihre Nägel schneiden noch ihren Mann berühren durfte, endlich daß sie auch beim Argeenopfer mit ungekämmtem Haar und ohne den gewöhnlichen Kopfputz erscheinen mußte.

Als den Gott der innern Monatsabtheilung bewährt Jupiter sich auch dadurch, daß ihm an allen Nundinen von der Flaminica in der Regia ein Schaafbock geschlachtet wurde, worauf diejenigen sich beriefen, welche diese Tage für alte Festtage gehalten wissen wollten, während andre Alterthumsforscher und mit ihnen Varro behaupteten, daß eine religiöse Feier der Nundinen erst nach Vertreibung der Könige und zwar zuerst zum Andenken an den guten König Servius Tullius aufgekommen seiMacrob. S. 1, 16, 28 ff. Vgl. Niebuhr R. G. 2, 242 ff, Becker Handb. II, 3, 61.. Gewiß ist daß die neuntägige Woche in Rom und in Italien etwas Altes war, auch bei den Etruskern, welche nono quoque die ihren König zu begrüßen und sich gemeinschaftlich zu berathen pflegtenMacrob. 1, 15, 13 vgl. Varro r. r. II praef., Dionys. II, 28, Orelli Inscr. II p. 406 sq., Merkel Ovid Fast. p. XXXI sq. Von der Verbreitung und Einführung der siebentägigen Woche im Occident s. Grimm D. M. 111.; ja diese Woche ist in Italien und in der romanischen Welt bis zum Schlusse des zweiten Jahrhunderts die officielle geblieben. In den älteren römischen Zeiten, wo die Bürger, namentlich die vermögenden Plebejer meist auf dem Lande lebten, hatte diese Eintheilung zugleich die Bedeutung, daß man sieben Tage lang seines Geschäftes auf dem Lande pflegte, am achten aber jedesmal einen Feiertag machte, um zur Stadt und auf den Markt zu gehn und bei dieser Gelegenheit 183 auch alle städtischen Geschäfte abzumachen; daher bis zum J. 287 v. Chr. keine Comitien an solchen Tagen gehalten werden durften.

Auf die Zeiten des Numa folgten die der Tarquinier und damit ein neuer Aufschwung des Jupiterdienstes, sowohl des latinischen als des römischen, freilich mehr ein politischer und in culturgeschichtlicher Hinsicht merkwürdiger, als religiöser, wie ich die neue Entwickelung dieser Zeit schon oben S. 127 ff. angedeutet habe. So entstand der Cultus des Iupiter Optimus Maximus auf dem Capitol d. i. des idealen Staatsoberhauptes, welches im Sinne der Zeit Rex genannt wurde, wie höchstwahrscheinlich auch der pränestinische Iupiter Imperator, dessen Bild man später auf dem römischen Capitole sah, die Bedeutung eines solchen höchsten Staatsoberhauptes hatte, in dessen Namen das wirkliche Staatsoberhaupt oder die höchsten Magistrate handeltenCic. de Rep. III, 13, 23 Sunt enim omnes qui in populum vitae necisque potestatem habent tyranni, sed se Iovis Optimi nomine malunt reges vocari. Vgl. Cäsars Worte b. Dio Cass. XLIV, 11, als Antonius ihn zum Könige machen will, ὅτι Ζεὺς μόνος τῶν Ῥωμαίων βασιλεὺς εἴη, worauf er das Diadem auf dem Capitole niederlegen läßt. Jupiter wird nur ausnahmsweise Rex genannt, weil das Wort der Republik überhaupt fatal war, desto häufiger Juno neben ihm Regina. Der Iup. Imperator von Praeneste (Liv. VI, 29) ist zu verstehen wie Ennius Ann. 86 omnibus cura viris uter esset induperator, nehmlich ob Romulus oder Remus. Auch der Iupiter Maius der Tusculaner wurde erklärt a magnitudine et maiestate, Macrob. 1, 12, 17. Doch halte ich es für richtiger ihn mit der Maia zu verbinden.. In Rom ist die ganze Anlage und Ausführung des Capitolinischen Jupiterdienstes ein redender Beweis, daß man bei diesem Jupiter vorzugsweise weltliche Macht und Ehre, Triumph und Majestät vor Augen hatte, nicht mehr jene superstitiöse, aber stille und andächtige und von einem tiefen religiösen Gefühl durchdrungene Heiligkeit und Reinheit des alten Lichtgottes. Und in diesem Sinne sind auch jene beiden Beinamen Optimus und Maximus zu erklären, welche durch den Capitolinischen Jupiter zu einem so wesentlichen Merkmal der höchsten Majestät des römischen Namens wurden, daß sie sich allmälich, je mehr die Macht des römischen Staates sich ausbreitete, über das ganze Reich ausgedehnt und wie ein römischer Grundton in die verschiedensten Göttersysteme eingeschlichen haben. Zwar pflegte man später gerne das Optimus von der höchsten moralischen Güte zu verstehen, wie Cicero sagt, Jupiter werde zuerst Optimus, dann 184 Maximus genannt, weil Güte göttlicher sei als MachtCic. N. D. II, 25, 64 Iupiter i. e. iuvans pater (s. oben S. 166, 272) – a maioribus nostris dictus Optimus Maximus, et quidem ante optimus i. e. beneficentissimus quam maximus, quia maius est certeque gratius prodesse omnibus quam magnas opes habere. Die Pontifices beteten weislich: Iupiter Optime Maxime sive quo alio nomine te appellari volueris. Serv. V. A. II, 351.. Aber ursprünglich sollte Optimus gewiß nichts Anderes bedeuten als der an Macht und Ehre Vorzüglichste, der Höchste unter allen GötternDas Wort hängt zusammen mit optare und ist wie optimas von dem angesehensten Bürger zu verstehn, vgl. Mercklin die Cooptation d. R. S. 6. Als höchster von allen Göttern wurde dieser Iupiter O. M. oft einfach neben den übrigen genannt, vgl. die alte Formel der Votivinschrift des Cincinnatus b. Liv.VI, 29 und die Formel Iovi Optimo Maximo ceterisque diis deabusque immortalibus bei Orelli n. 1211. 1218, Henzen n. 5654, 7414 γ p. 495, 7414 αβ p. 498 u. a. Vgl. Horat. Od. I, 12, 17 Unde nil maius generatur ipso, Nec viget quidquam simile aut secundum: Proximos illi tamen occupavit Pallas honores., dahingegen Maximus speciell Majestät im politischen Sinne des Wortes bedeutet, d. h. die Fülle von Macht und Hoheit, wie sie sich unsichtbar in dem Capitolinischen Jupiter als höchstem Oberhaupte des römischen Staates darstellte, sichtbar in den Königen, später im Römischen Volke und seinen höchsten BehördenVgl. Becker Handb. II, 2 S. 69., noch später in den Kaisern. Daher die Dichtung bei Ovid Fast. V, daß zu Anfang der Dinge noch keine feste Ordnung gewesen sei, bis Honor und Reverentia sich der Gewalt bemächtigt hätten. Von diesen stamme die Maiestas, welche, umgeben von Pudor und Metus, über alle Welt, alle Götter und Geister herrsche und neben dem Jupiter thronend seine treueste Dienerin sei und es ihm möglich mache ohne Gewalt zu regieren. Selbst die spätere Uebertragung des Titels Optimus Maximus auf die Person des KaisersZuerst beim Caligula, Marini Atti p. 359. ist nur insofern ein Frevel, als er dem höchsten Gotte entlehnt war. Seiner ältesten und eigentlichen Bedeutung nach paßte er eben so gut auf den Kaiser als auf den Jupiter.

Ehe ich diese neue Richtung der Tarquinier und ihre Folgen für den römischen Jupitercultus weiter verfolge, genüge es das Bild dieses Gottes, wie es sich mit der Zeit den Römern gestaltete, auch von andern Seiten her abzurunden. So war Jupiter, wie er auf dem Lande für Fruchtbarkeit und Wachsthum sorgte, auch in der Stadt der Mehrer der Jugend, daher er selbst als Iuvenis, Iuventus und Adultus und in seinem Tempel die Göttin 185 Iuventas als eigne Personification verehrt wurde. Ferner wurde er auch in den Häusern viel verehrt als deus penetralis d. h. als höchster Glücks- und Segensgott der Familie, wie der griechische Ζεὺς ἑρκεῖος, und als hospitalis d. h. als ξένιος, als Gott der Gastfreundschaft und ihrer RechteCic. de Fin. III, 20, Paul. p. 101 Herceus Iuppiter intra conseptum domus cuiusque colebatur, quem etiam deum penetralem appellabant. Vgl. den Iup. O. M. Domesticus bei Or. n. 1236.. Endlich war er der allgemeine Gott der Hülfe, des Segens, der gütige und gnädige Gott schlechthin, daher die später allgemeine Erklärung des Jupiter durch Iuvans Pater. Auch in diesem Sinne heißt er Opitulus und Opitulator d. i. opis lator (Paul. p. 184, oben S. 176), auch Praestes d. h. der Gott der sichern ErfüllungEin sacellum Iovis Praestitis bei Iul. Capitol. Max. et Balbin. 5. Vgl. die Inschrift aus Tibur: Iovi Praestiti Hercules Victor, Or. n. 1253. Bullet. Archeol. 1846 p. 91., und Obsequens d. h. der Gott aller gnädigen Erhörung und HülfeOr. n. 1249, Henzen n. 5638. 5639.. Hatte ihm doch Hercules, selbst ein Glücksgenius, nachdem er seine Rinder wiedergefunden, unter dem Aventin einen eignen Altar als Patri Inventori gestiftet (Dionys I, 39). Andre Beinamen der Art entsprechen schon meist dem griechischen Ζεὺς Σωτὴρ und Ἀλεξίκακος, dessen Cultus zu Rom in den späteren Zeiten großen Anklang fand. So wurde Jupiter nun in öffentlichen und privaten Angelegenheiten als ConservatorIn Privatangelegenheiten als Bewahrer des Hauses und Hofes z. B. bei Henzen z. Or. n. 5619 Iovi O. M. Conservatori possessionum Rosciorum. Iup. Tutator wird auf Münzen und Inschriften wiederholt genannt, Iup. Tutor in einer Inschrift aus Ostia bei Henzen n. 5650. Iup. Vindex bei Tacit. Ann. XV, 74. Ultor bei Iul. Capitol. Pertin. 11. und als Custos verehrt, unter welchem Namen ihm Domitian einen prächtigen Tempel auf dem Capitol stiftete, auch als Tutor und Tutator, oder auch als Vindex und Ultor, wenn es Verbrechen zu bestrafen galt. Doch ist er gewöhnlich Salutaris, ein Gott des Heils und der Erlösung von leiblichen und geistigen Uebeln, wie er namentlich in schweren und bedrängten Zeiten angerufen wurdeCic. de Fin. III, 20 Atque etiam Iovem quum Optimum et Maximum dicimus quumque eundem Salutarem, Hospitalem, Statorem, hoc intelligi volumus, salutem hominum in eius esse tutela. Vgl. Or. n. 1260 Iovi Salutari Ulpianus gravi infirmitate liberatus. Treb. Poll. Gallien. 5, nachdem das Reich von schwerem Unglück heimgesucht worden : Pax igitur deum quaesita inspectis Sibyllae libris factumque Iovi Salutari ut praeceptum fuerat sacrificium.. Auch als Iup.Valens 186 wurde dieser Gott neben andern Heilsgöttern gefeiertInschrift aus Lambaese in Numidien bei L. Renier Inscr. de l'Alg. 1 n. 28 Iovi Valenti, Aesculapio et Saluti., desgleichen als Liberator, unter welchem Namen er auf dem Aventin verehrt wurdeTacit. Ann. XV, 64; XVI, 35. In den sinkenden Zeiten wurde er im Monate October durch Spiele gefeiert. Vgl. m. Regionen d. St. Rom S. 192.. Endlich gehört dahin der gleichfalls vorzugsweise in den sinkenden Zeiten genannte Iup. Depulsor, welcher bei drohenden Zeichen und Prodigien angerufen wird, oder auch in Fällen von Noth und Krankheit für die bedrohte Person, namentlich des KaisersPlaut. Amphitr. II, 2, 107 nennt ihn Iup. Prodigialis, vgl. Phlegon Trall. Mirab. 6, wo der Kaiser Claudius auf Veranlassung der Geburt eines Hermaphroditen dem Ζ. Ἀλεξίκακος auf dem Capitole einen Altar stiftet, und Or. n. 1230 Iovi Depulsori pro salute Dom. N. Imp. M. Aur. Antonini., hin und wieder aber auch als Schutzgeist einer bestimmten Stätte z. B. eines BadesHenzen n. 5621 Iovi Depulsori, Genio Loci. Or. n. 1231 Iovi Depulsori et Nymphis. A. de Roissieu Inscr. de Lyon p. 3 n. 1 I. O. M. Depulsori et diis deabusque omnibus et Genio loci etc., in einem Rade gefunden.. Auch der Iup. Propugnator in Palatio, welcher wiederholt in Bruchstücken der Fasten eines priesterlichen Collegiums der späteren Zeit erwähnt wird (S. 39, 32), hatte wohl nur die beschränktere Bedeutung eines Schutzgeistes des kaiserlichen Palastes und Hauses.

Unter den Stiftungen der Tarquinier mag zuerst von der erneuerten Stiftung der latinischen Ferien, dann von der Gründung des Capitolinischen Dienstes mit seinen weitern Folgen die Rede sein.

Iupiter Latiaris oder LatialisCic. pr. Mil. 31, 85 Latiaris sancte Iupiter. Lucan Phars. I, 198 et residens celsa Latialis Iupiter Alba. Die Schreibart schwankt, weil die Aussprache zwischen l und r schwankte, wie Palilia und Parilia u. dgl. Doch gilt Latiaris für die bessere, s. die Ausleger zu Sueton Calig. 22 und zu Liv. XXI, 63, 8. Bei Henzen n. 7415 p. 499 findet sich Iup. Latius. ist das höchste Oberhaupt des latinischen Bundes in demselben Sinne wie der Capitolinische Jupiter das höchste Oberhaupt des römischen Staates und Staatscultus sein sollte. Mithin gehört seine volle Bedeutung dem höheren römischen Alterthum an, wo Rom noch als Glied und Hauptstadt des latinischen Bundes mit den übrigen Städten und Gemeinden desselben zu demselben Jupiter betete, bis diese Städte von ihrem Haupte am Tiberstrom immer abhängiger 187 wurden und zuletzt, nach dem Kriege vom J. 414 d. St., 340 v. Chr. sich zu gänzlicher Abhängigkeit bequemen mußten. Ohne Zweifel war die Verehrung des Jupiter auf dem schönen Berge über Alba Longa, dem sogenannten Mons Albanus, eine sehr alte, und schon jener ältere Vorort mochte hier die mit ihm verbündeten oder von ihm abhängigen Städte zur gemeinschaftlichen Festfeier versammelt habenDaher die Ueberlieferung daß das Fest ex imperato Fauni (S. 92) oder nach dem Verschwinden des Königs Latinus gestiftet worden, b. Fest. p. 194 Oscillantes und Schol. Bobiens. Cic. pr. Plancio IX, 23, obwohl der Iupiter Latiaris in der Geschichte des Latinus anders zu erklären sein möchte, s. oben S. 84. Auch die Prodigien auf dem Mons Albanus b. Liv, 1, 31 deuten auf sehr alten Gottesdienst.. Indessen verfiel diese mit der Zerstörung von Alba Longa, bis die Tarquinier, deren Macht sich vornehmlich auf dem Beistande der Dynasten von Latium stützte, den Bund und das Bundesfest wieder herstellten und zu ihren Zwecken ausbeuteten, natürlich in der Form daß Rom nun als das Haupt des Bundes und der römische König als dessen oberster Vorstand anerkannt wurde. Den Tarquinius Superbus nennt Dionys IV, 49 als Urheber dieser Erneuerung, aber derselbe Schriftsteller berichtet VI, 95, daß der erste und älteste Festtag nach einem Siege über die Etrusker gestiftet worden sei, welcher kein andrer sein kann als der von ihm selbst III, 57 ff. und Florus I, 5 erwähnte Sieg des Tarquinius Priscus, welcher vermuthlich mit Hülfe der Latiner gewonnen wurde. Ein zweiter Festtag soll nach der Vertreibung der Könige aus Rom hinzugefügt worden sein, welche insofern die Latiner und die Römer gemeinschaftlich betraf, weil die Tarquinier sich in den meisten Bundesstädten mit den edelsten Familien verschwägert hatten (Liv. I, 49), so daß die Reaction der Aristokratie gegen die Dynastie der Tarquinier und ihren Anhang sich in vielen Städten wiederholt haben mag. Im J. 260 d. St. erfolgte die Auswanderung der römischen Plebs auf den heiligen Berg und die Herstellung der Eintracht nach Einsetzung des Volkstribunats, im J. 261 die Erneuerung des Bündnisses mit den Latinern durch den Consul Sp. Cassius: bei welcher Gelegenheit zu den latinischen Ferien ein dritter Festtag zur Erinnerung an die Aussöhnung Roms mit seiner Plebs hinzugefügt wurde, mit Dankopfern und Spielen, welche die mit den Volkstribunen zugleich eingesetzten Volksädilen zu besorgen hatten (Dionys VI, 95): so nahe schien diese Aussöhnung das gesammte Latium anzugehn, welchem die 188 römische Plebs nach ihrer Abstammung bekanntlich zum größten Theile angehörte. Ja es soll noch im J. 387 d. St. (367 v. Chr.). als wieder einmal die Eintracht zwischen den Patriciern und Plebejern hergestellt worden war, ein vierter Festtag zu den latinischen Ferien hinzugefügt worden seinSo berichten Dionys a. a. O. und Plutarch Camill. 42, doch liegt hier wahrscheinlich eine Verwechslung mit den römischen Spielen zu Grunde, s. Mommsen Rö. Gesch. 1, 429.. Auch war der vorherrschende Character des ganzen Festes der des Friedens und der allgemeinen Befreundung der sonst oft getrennten Latiner, daher während des Festes die bestehenden Verträge von Jahr zu Jahr erneuert und durch ein gemeinschaftliches Opfer und Opfermahl und Gebete der verschiedenen Theilnehmer für einander aufs feierlichste bekräftigt wurdenDionys VI, 49 vgl. Macrob. l. c. Latinarum tempore, quo publice quondam induciae inter populum Romanum Latinosque firmatae sunt.. Selbst nach der Unterwerfung der Latiner im J. 340 v. Chr. wurde wenigstens das fortbestehende Bündniß mit den Laurentern jährlich gleich nach den latinischen Ferien erneuert (Liv. VIII, 11), und immer galt es in Rom für sehr bedenklich in dieser einst durch ganz Latium den Gefühlen des Friedens und der Stammgenossenschaft geweihten Zeit einen Krieg zu beginnen oder eine Schlacht zu wagen (Macrob. I, 16, 16). Eine feste Zeit hatte das Fest nicht, sondern es wurde in jedem Jahre von neuem concipirt d. h. von den römischen Consuln gleich nachdem sie ihr Amt angetreten hatten, auf einen bestimmten Tag angesetzt und durch ganz Latium angesagt. Dieses nannte man concipere Latiar oder ferias Latinas, von welchen Ausdrücken jener wahrscheinlich speciell das dem Iupiter Latiaris dargebrachte Opfer bezeichnete, dieser die ganze Dauer des Festes und die beiden folgenden Tage, welche auch für religiosi galtenCic. ad Qu. Fr. II, 4. Latiar ist wie Palatuar zu verstehen, s. Fest. p. 148 cui sacrificium quod fit Palatuar dicitur. Vgl. Lupercal, Ianual u. dergl.. Die Zeit scheint ehedem der Beginn des Frühlings gewesen zu sein, im April oder Anfang MaiVgl. die Data bei Marquardt IV, 443. Im März hatten die Römer wegen der Feier der Salier nicht gekonnt und auf den April lauten die meisten Angaben. Bei Cic. de Div. 1, 11, 17 ist von Schnee die Rede, der sich dort oben sehr lange hielt. Die Reste der Fasten s. bei Marini Atti p. 129, Or. n. 2471. 2472, Mommsen I. N. 6750., dahingegen es in der späteren Zeit, aus welcher verschiedene auf dem Albaner Berge gefundene Bruchstücke der auch hier 189 geführten Fasten vorhanden sind, vom Juni bis zum August begangen wurde. Eigentlich sollten immer die Consuln das Opfer bringen und nicht eher als nachdem sie diese religiöse Pflicht erfüllt in ihre Provinzen gehn, doch finden sich Ausnahmen und namentlich wurde bisweilen eigens zu dieser Handlung ein Dictator ernannt (dictator feriarum Latinarum causa), während die Consuln, so lange sie wegen dieses Festes außerhalb der Stadt blieben, in derselben von einem dazu ernannten Praefectus Urbis feriarum Latinarum vertreten wurdenVgl. Marquardt S. 441 und über den Praef. Urbi Latinarum causa Gellius XIV, 8, Becker Handb. II, 2, 149.. Außer den Consuln waren auch die andern Magistrate zugegen, selbst die Tribunen und die Aedilen der Plebs, welche im Namen der letzteren die sie betreffenden Dankopfer brachten und dabei in königlichem Schmucke auftraten (Dionys VI, 95; VIII, 87), endlich die Magistrate und Stellvertreter sämmtlicher übrigen Städte und Staaten, welche theilnahmen. Dieser waren bei der Erneuerung des Festes durch Tarquinius Priscus oder Superbus, wo neben den Römern und Latinern auch die Herniker und Volsker sich betheiligten, 47 gewesenDionys. IV, 49. Plinius H. N. III, 5, 9 giebt ein alphabetisches Verzeichniß verschollener Städte, welche einst am Opfer und an dem Fleische des Opferstiers theilgenommen haben sollen, cum his carnem in monte Albano soliti accipere populi: Albenses (dieses sind die Einwohner von Alba Fucentia, die auch bei Strabo V p. 240 zu Latium gerechnet werden, vgl. Klausen Aeneas S. 794), Albani, Aesulani, Accienses, Abolani, Bubetani u. s. w., indem er zuletzt hinzusetzt: Ita ex antiquo Latio LIII populi interiere sine vestigiis., eine Anzahl welche sich mit der Zeit natürlich sehr verringerte, obgleich die einmal eingeschriebenen Mitglieder auch in der Zeit des Verfalls bis zum letzten Athemzuge ihrer Existenz an diesen alten und erinnerungsreichen Festlichkeiten festhielten. Denn es ist zu vermuthen daß nicht allein die Römer, sondern auch die übrigen Latiner, namentlich in der älteren Zeit, das Andenken an Epoche machende Vorfälle ihrer Geschichte durch entsprechende Acte an diesem Stammfeste gepflegt hatten.

Der religiöse Mittelpunkt des Festes war wie gewöhnlich das Opfer mit dem Gebete und das darauf folgende Opfermahl, zu welchem Behuf das Opferthier in gewissen herkömmlichen Stücken unter den Theilnehmern des Bundes und des Bundesfestes vertheilt wurdeVon dem Opfermahl spricht ausdrücklich Dionys. a. a. O. ἵνα συνερχόμενοι καϑ’ ἕκαστον ἐνιαυτὸν εἰς τὸν ἀποδειχϑέντα τόπον πανηγυρίζωσι καὶ συνεστιῶνται καὶ κοινῶν ἱερῶν μεταλαμβάνωσιν. Auch liegt es in dem Ausdrucke visceratio von der Vertheilung des Fleisches bei Serv. V. A. 1, 211. Von den Theilnehmenden heißt es gewöhnlich carnem petere, weil Jeder ein Recht auf sein Stück hatte, s. Cic. pr. Plancio IX, 23 nisi forte te Labicana aut Gabina aut Bovillana vicinitas adiuvabat, quibus e municipiis vix iam qui carnem Latinis petant reperiuntur. Varro l. l. VI, 25 Latinae feriae – a Latinis populis, quibus ex Albano monte ex sacris carnem petere fuit ius cum Romanis. Dionys. a. a. O. ἑνὸς δὲ ταύρου κοινῶς ὑπὸ πασῶν ϑυομένου μέρος ἑκάστη τὸ τεταγμένον λαμβάνει. ϑύουσι δὲ ὑπὲρ πάντων καὶ τὴν ἡγεμονίαν τῶν ἱερῶν ἔχουσι Ῥωμαῖοι.. Das Opfer war, wie bei den größeren 190 Jupitersfesten gewöhnlich, namentlich auch bei den Römischen Spielen, ein junger, eben von der Mutter genommener, von keiner Arbeit berührter Stier (iuvencus) von weißer Farbe, zu welchem Zweck es eigne Gezüchte von Jupitersstieren gab, namentlich auf den schönen Wiesen in der Gegend von Falerii und in der von Mevania am ClitumnusOvid F. 1, 83, Virg. Ge. II, 146. Vgl. Arnob. II, 68 in Albano antiquitus in monte nullos alios licebat quam nivei tauros immolare candoris. Es sind iuvenci, Farren, männliche Kälber, welche frisch von der Weide und der Mutter kommen, s. die schönen Verse bei Lucret. II, 352 ff. und Virgil Aen. IX, 625 ff. Die Hörner waren bei solchen Opferstieren immer vergoldet, sie selbst mit Binden behangen, daher Virg. Aen. V, 366 velatum auro vittisque iuvencum, IX, 627 aurata fronte iuvencum candentem. Einige Alterthümler behaupteten, dem Jupiter dürften keine tauri geopfert werden, s. Macrob. S. III, 10, 3 und Serv. V. A. III, 21, doch sind junge Stiere auch Stiere, daher sich auch Virgil Aen. III, 20 nicht genirt zu sagen superoque nitentem Coelicolum regi mactabam in litore taurum, vgl. die oscische Inschrift bei Mommsen Unterit. Dial. S. 191 t. XII Diovei Versorei taurom. Ja Numa selbst hatte das Opfer eines bos für die Spolia Opima erster Ordnung an den Iup. Feretrius vorgeschrieben, Fest. p. 189.. Das Opfer wurde in Gegenwart aller übrigen Behörden der Städte von dem Consul dargebracht und dazu von den Anwesenden Gebete gesprochen, in welchen Rom für die Latiner und alle Latiner für Rom um Heil und Segen zum Jupiter flehtenLiv. XLI, 16, wo von mehreren Opferthieren die Rede ist, bei denen indessen der eine weiße Bundesstier recht wohl bestehen kann, vergl. Dionys a. a. O. καὶ φέρουσιν εἰς ταύτας αἱ μετέχουσαι τῶν ἱερῶν πόλεις αἱ μὲν ἄρνας αἱ δὲ τυροὺς αἱ δὲ γάλακτός τι μέτρον etc. Von einer Spende mit Milch zur Einweihung des Festes, die der Consul brachte, spricht Cic. de Div. 1, 11, 17, von einer lactata potio Schol. Bob. Cic. pr. Plancio IX, 23.. Der Bundesstier wurde von allen Theilnehmern gemeinsam gestellt, während andre Lieferungen an Lämmern, Käse, Milch, Opferkuchen u. s. w. den einzelnen Mitgliedern oblagen. Das gemeinschaftliche Opfermahl hatte ursprünglich gewiß, wie das epulum Iovis bei den Römischen Spielen und andre Festlichkeiten der Art, den Character eines 191 Liebes- und Verbrüderungsmahls. Außerdem werden gewisse volksthümliche Feierlichkeiten erwähnt, namentlich die sogenannten Oscilla (S. 105), welche später für eine Gedächtnißfeier des mythischen Königs Latinus und des Aeneas galten. Da bei dem ganzen Feste, sowohl beim Concipiren als bei dem Opfer, dem Gebete und der Vertheilung des Fleisches viele Rücksichten auf so viele Betheiligte zu nehmen waren, so kommt bei diesen latinischen Ferien besonders oft eine sogenannte Instauration vor d. h. eine Wiederholung einzelner Acte oder auch des ganzen Festes in Folge der vorgefallenen VersehenS. Liv. V, 17 und Plut. Gamill. 4, wo etwas bei der Conception versehen ist, Liv. XXXII, 1, wo Ardea sein Stück Fleisch nicht bekommen hat, XXXVII, 3, wo die Laurenter nicht das rechte Stück Fleisch bekommen haben, XLI, 16, wo der Magistrat von Lanuvium das Gebet nicht richtig gesprochen hat. Vgl. oben S. 118 und Ritschl Parerga Plautina S. 309 ff., Friedländer b. Marquardt Handb. d. R. A. IV, 476.. Während dieses Opfer auf dem ganz Latium überragenden Berge im Namen Aller dargebracht wurde, scheinen auch die einzelnen Städte daheim den Jupiter Latiaris durch entsprechende Gebräuche gefeiert zu haben. Wenigstens wissen wir von solchen in Rom. Es floß hier nehmlich nach dem einstimmigen Zeugnisse vieler SchriftstellerTertull. Apolog. 9, Scorp. 7, Lactant. 1, 21, 3, Minuc. Fel. 13: 30, 4, Prudent. adv. Symmach. I, 379, Porphyr de Abstin. II, 56 u. a. Auch gab es in Rom seit alter Zeit einen collis Latiaris, Varro l. l. V, 52. in denselben Tagen dem Jupiter Latiaris zu Ehren das Blut eines zum Tode verurtheilten Verbrechers (bestiarius), und auf dem Capitole wurde ein Wettrennen mit Quadrigen gehalten, bei welchem der Sieger Absinth zu trinken bekam, zur Andeutung der Gesundheit und körperlichen Rüstigkeit, die seine Anstrengungen lohnen werdePlin. H. N. XXVII, 7, 28, vgl. Quintil. III, 1, 5 parum hic liber mellis, absinthii multum, salubrior quam dulcior.. Auf dem Albaner Berge aber wurde Jupiter wenigstens später wie auf dem Capitole als Optimus Maximus und neben der Juno und Minerva verehrt, neben welchen auch die Vesta Albana erwähnt wirdVom Bilde des Jupiter ist wiederholt bei Dio die Rede, s. XXXIX, 15, XLVII, 40, vom T. der Juno ib. XXXIX, 20. Vgl. Or. n. 1288 Iunoni Albanae und n. 1393 Iovi Optimo Maximo, Minervae, Iunoni, Vestae Alban. Sacr. Ein eignes Haus zum Aufenthalte für die Consuln erwähnt Dio LIV, 29.. Noch jetzt sieht man auf dem Gipfel des Berges in den Mauern des dort liegenden Passionistenklosters die Ruinen eines Tempels, auf einer schönen Höhe mit weiter Aussicht über das Gebirge, die Campagne 192 und das Meer. Auch hat sich am Abhange des Berges ein ansehnlicher Rest der heiligen Straße erhalten, auf welcher einst die Bürger und die Processionen von Rom und ganz Latium zu dieser ehrwürdigen Stätte hinaufzogen.

Auch der Triumph auf dem Albaner Berge beruhte wahrscheinlich auf Vorgängen der Zeit, wo Rom und Latium zu gleichen Rechten verbündet ihre kriegerischen Erfolge nicht blos ein jeder daheim in seinen Mauern, sondern auch auf dieser Allen gemeinsamen und heiligen Höhe des Iupiter Latiaris feierten. Später wurde er bekanntlich von solchen römischen Feldherrn gehalten, denen der Triumph in Rom nicht bewilligt wurde, also ohne Bevollmächtigung von Seiten des Staates und nur als militärisches Schauspiel. C. Papirius Maso, Consul des J. 523 d. St., 231 v. Chr., war der erste welcher nach einem siegreichen Feldzuge in Corsica auf diese Weise triumphirte, und seinem Beispiel folgten viele Andre. Der Ehrenkranz bei diesem Triumphe war nicht der Lorbeer, sondern die Myrte, wie bei der Ovation, einer geringern Art des Triumphes, welche gleichfalls auf dem Albaner Berge begann, von wo der Sieger nicht auf einem Wagen, sondern zu Pferde, in alter Zeit sogar zu Fuße, und auch sonst mit geringerer Auszeichnung in Rom ein und auf das Capitol zog: so daß sie vielleicht ursprünglich nur der letzte Act eines Triumphes auf dem Albaner Berge war, wie er ehemals im Namen des verbündeten Latiums gefeiert sein mag. Jedenfalls deutet die Myrte auf den Dienst der Venus, einer Göttin die wir unten näher als eine alte latinische Bundesgöttin kennen lernen werden.

Endlich der Iupiter Optimus Maximus auf dem Capitol. Die ersten Anfänge auch dieses Cultus fallen in die Zeit des Tarquinius Priscus. Er gelobte den Tempel in einem Kriege mit den Sabinern und legte den Grund dazu, indem er den bis dahin für eine solche Anlage ungünstig beschaffenen Hügel durch außerordentliche Anstrengungen zu einer breiten Fläche umschufLiv. 1, 38, Dionys. III, 69, vgl. meinen Aufsatz ›Zur Gesch. und Topogr. des röm. Capitols‹ im Philologus 1 S. 72.. Auf derselben wurde dann der Tempel von Tarquinius Superbus erbaut, mit Hülfe der Beute von Pometia und vieler Künstler aus Etrurien, während das römische Volk in harter Arbeit karren und Ziegel streichen mußte. Die Einweihung erfolgte im ersten Jahre der Republik, man wußte nicht bestimmt durch welchen Consul. Bei den Vorbereitungen zum Bau ereigneten sich die bekannten 193 Wunder, daß von den sabinischen Heiligthümern, welche seit T. Tatius auf dieser Höhe angesiedelt waren, das des Terminus und der Juventas nicht weichen wollte, ein sichres Zeichen daß die neue Anlage ewig währen und ewige Jugend haben werde. Und als man den Grund legte, fand sich in der Tiefe des Felsens ein menschliches Haupt mit unzerstörten Gesichtszügen (integra facie), welches die etruskischen Seher alsbald dahin deuteten, daß diese Stätte in Zukunft das Haupt des Reiches und der Welt sein werde. Daher der Name Capitolium, welcher vielmehr eigentlich Burg bedeuteteVgl. das Capitulum Hernicum b. Plin. H. N. III, 5, 9, 63, Strabo V p. 238 und Scaliger und J. G. Vossius b. Schwegler Rö. Gesch. 1, 793. Die gewöhnliche Legende b. Liv. 1, 55. Bei Plin. XXVIII, 2, 4 ist sie schon erweitert. Noch später wird der Kopf der eines berühmten etruskischen Sehers Olus oder Aulus, noch später ein caput humanum litteris tuscis scriptum Caput Oli Regis, s. Arnob. VI, 7, Serv. V. A. VIII, 345, Catal. Imper. p. 645 Mommsen, Isidor XV, 2. Natürlich spricht dann auch die Sibylle ein Wort mit, s. Dio Cass. fr. 25, 9 ὅτι Σιβύλλης χρησμὸς ἔφασκε τὸ Καπιτώλιον κεφάλαιον ἔσεσϑαι τῆς οἰκουμένης μέχρι τῆς τοῦ κόσμου καταλύσεως., indem die mit der Zeit noch weiter ausgesponnene Legende erst aus dem gegebenen Namen entstanden ist, wie jene Legende vom Terminus und der Juventas daraus daß beide im Tempel des Jupiter, also als zu ihm gehörige Personificationen verehrt wurden. Der in dieser ummauerten und verschließbaren Burg gelegene und nach ihr gleichfalls Capitolium benannte Tempel war nach der sogenannten toskanischen Ordnung erbaut und hatte für die drei Götter drei Cellen, in deren mittler Jupiter thronte, während die zu seiner Rechten für Minerva, die zur Linken für Juno bestimmt warVgl. Eckhel D. N. VI p. 327, O. Jahn Archäol. Beitr. S. 80. Gewöhnlich sind alle drei Götter thronend abgebildet, bisweilen die beiden Göttinnen stehend. Auf den Platz der Minerva zur Rechten beziehn sich die oben S. 184, 318 citirten Worte des Horaz. Die gewöhnliche Formel der Anrufung war dagegen Iovi Iunoni Minervae s. Marini Atti p. 104.. Es konnte den Tarquiniern dabei sowohl das Beispiel der Sabiner als der Etrusker vorschweben (S. 168), doch deutet der weltliche und fürstliche Character der ganzen Anlage, wie ihre architectonische und übrige Ausstattung entschieden nach Etrurien. Denn auch das Tempelbild war die Arbeit eines etruskischen Künstlers aus Veji, welcher den Römern auch ihr ältestes Bild des Hercules geschaffen haben soll. Es war von Thon und mit dem Attribute des Blitzes in der Rechten ausgerüstetPlin. H. N. XXXV, 12, 45 Praeterea elaboratam hanc artem (plasticen) Italiae et maxime Etruriae, et Volcanium (?) Veiis accitum, cui locaret Tarquinius Priscus Iovis effigiem in Capitolio dicandam; fictilem eum fuisse et ideo miniari solitum. – Ab hoc eodem factum Herculem qui hodieque materiae nomen in Urbe retinet. XXXIII, 7, 36 Enumerat auctores Verrius, quibus credere necesse sit, Iovis ipsius simulacri faciem diebus festis minio inlini solitam triumphantiumque corpora; sic Camillum triumphasse. Hac religione etiamnum [minium] addi in unguenta cenae triumphalis et a censoribus in primis Iovem miniandum locari. Roth ist nehmlich die Farbe der festlichen Freude und des Glücks, der felicitas, auch eine Symbolik der Etrusker, s. Macrob. S. III, 7. Uebrigens vgl. Arnob. VI, 25 riciniatus Iupiter atque barbatus, dextra fomitem sustinens perdolatum in fulminis morem. Ovid F. 1, 202 inque Iovis dextra fictile fulmen erat., übrigens nach Art der älteren griechischen 194 Tempelbilder ein Gegenstand zahlreicher Bedienung und Aufwartung (S. 128); namentlich pflegte es an Festtagen auch mitzufeiern und zu dem Ende das Gesicht an solchen Tagen mit Mennich roth angestrichen zu werden. Das Tempelgebäude war von einem geräumigen Tempelplatze (area) umgeben, welcher sich mit der Zeit mit allen höchsten und heiligsten Erinnerungen und Andenken an Tapferkeit, Sieg und Ehre der römischen Geschichte anfüllte. Was die Lage des Tempels betrifft, so wird ihm sowohl durch deutliche Aussagen der alten Schriftsteller als durch eine örtliche Tradition, welche sich bis in das Mittelalter verfolgen läßt, der dem Palatin und Aventin zunächst gelegene Hügel, auf welchem jetzt der Palast Caffarelli liegt, angewiesen. Wenn dessenungeachtet die römischen Topographen und Architecten behaupten, daß der Tempel auf der Höhe von Araceli gelegen haben müsse, so liegt dabei eigentlich nur das Postulat zu Grunde, daß man die Facade vom römischen Forum habe sehen müssen. Ja dieses Postulat ist im Sinne der alten Zeit nicht einmal zulässig, da zur Zeit des Tempelbaus das römische Forum seine spätere Bedeutung noch nicht hatte, während die Gegend wohin der nach Mittag gerichtete Tempel (Dionys IV, 61) und die Götter in ihm blickten, das Palatium mit seinen alten Heiligthümern und Erinnerungen, die Ara Maxima des Hercules, endlich der gleichzeitig erbaute Circus Maximus, entweder für den Glauben und die Geschichte der Römer im höchsten Grade bedeutsam waren oder, wie namentlich der Circus Maximus, mit dem Culte und der Festfeier der Capitolinischen Götter unmittelbar zusammenhingen.

Wie dieser Cultus von allen römischen der angesehenste war und in allen öffentlichen Angelegenheiten am meisten gefeiert wurde, so waren auch seine Opfer, Opfermahlzeiten und 195 Feste die stattlichsten und für das römische Staatsleben, seine Erinnerungen und seine Auszeichnungen, bedeutungsvollsten. Es gehören dahin die ludi Romani, Magni, Plebeji und Capitolini, von welchen im Folgenden zunächst die Rede sein wird. Bei allen wird festzuhalten sein daß sie sowohl aus dem religiösen Acte eines Opfers und Opfermahles, des epulum Iovis, als aus dem festlichen der Procession und der Spiele bestanden, welche letztere anfangs blos circensische waren, bis später auch die scenischen hinzutraten. Ferner daß der Hauptfeiertag, also namentlich das Opfer mit dem dazu gehörigen Gebete und dem epulum, immer auf den Tag der Idus, den alten Festtag des Jupiter (S. 140) gefallen sein wird, bei den Römischen Spielen, so viel ich sehe, auf die Idus des September, bei den Plebejischen auf die des November, bei den Capitolinischen auf die des October.

Daß die Römischen Spiele (ludi Romani) in den Septb. fielen, von Tarquinius Priscus gestiftet wurden und in ihrer Art d. h. als circensische Spiele, die mit großem Aufwande, zunächst nach dem Vorbilde etruskischer Ritterschaft und Sitte gefeiert wurden, die ältesten waren, ist sonst bekanntLiv. 1, 35, Plin. III, 5, 9 vgl. oben S. 129. Cic. in Verr. V, 14, 36 Nunc sum designatus Aedilis: – mihi ludos antiquissimos, qui primi Romani sunt nominati, maxima cum dignitate ac religione Iovi Iunoni Minervaeque esse faciendos. Vgl. de Rep. II, 20, 35.; daß der wichtigste Tag des Festes auf die Idus des September fiel, folgt schon daraus daß an diesem Tage der Tempel eingeweiht wurde, im ersten Jahre der Republik, im J. 245 d. St., 509 v. Chr. (Plut. Popl. 14). Es kommen aber auch noch andre Umstände hinzu, um diesen Tag als sehr wichtig und bedeutsam für den älteren römischen Staatscultus erscheinen zu lassen, namentlich daß nach einem alten Gesetze der Republik der höchste Magistrat (qui praetor maximus sit) an den Iden des September den Nagel in die rechte Wand des Jupitertempels einschlagen sollte (Liv. VII, 3), ferner daß die Consuln in den ersten Jahren der Republik an diesem Tage ihr Amt antratenDionys V, 1 vgl. Becker Handb. II, 2, 95. So wurde auch die Mola Salsa von den Vestalinnen an den Lupercalien, den Vestalien und den Idus des September bereitet, Serv. V. Ecl. VIII, 82, endlich die corona graminea oder obsidionalis, die höchste aller militärischen Auszeichnungen vom Senate dem August an den Idus des September überreicht. Plin. H. N. XXII, 6, 6.. Dazu kommt daß die Plebejischen Spiele, welche nach dem Vorbilde 196 der Römischen im November gefeiert wurden, ihr epulum Iovis gleichfalls an den Idus dieses Monates feierten. Endlich bemerkt wenigstens das Kal. Antiatinum auch an den Iden des September ein epulum IovisKal. Antiat. Id. Sept. EPVL I LV, d. h. epulum Iovis ludorum causa, vgl. S. 202, 373. Das Kal. Capranic. bemerkt zu demselben Tage IOVI. Unter Tiberius wurde die Vereitelung der Verschwörung des Libo an den Iden des Sept. gefeiert, s. Tacit. Ann. II, 32, Kal. Amitern.. Der Opferschmaus setzt aber nothwendig ein Opfer voraus, welches auch bei dieser Gelegenheit, wie bei den latinischen Ferien und dem gewöhnlichen Amtsantritt der Consuln ein junger Stier von weißer Farbe und mit vergoldeten Hörnern war, zu welchem für Juno gewöhnlich eine Kuh hinzugefügt wurdeServ. V. A. IX, 628, Marini Atti p. 47.. Das Opfermahl war zugleich eine Speisung für die drei Capitolinischen Götter, denn auch Juno und Minerva nehmen an dieser Ehre TheilValer. Max. II. 1, 2 Iovis epulo ipse in lectulum, Iuno et Minerva in sellas ad coenam invitabantur, quod genus severitatis aetas nostra diligentius in Capitolio quam in suis domibus conservat. Vgl. Plin. XXV, 9, 59 hac Iovis mensa verritur. und ein Liebes- und Verbrüderungsmahl für sämmtliche höhere Beamten des römischen Staats und den Senat, welche dann auf dem Capitol vor dem Angesichte des höchsten Gottes gespeist wurdenVgl. die Geschichte von P. Africanus d. Ä. und T. Gracchus den Vater b. Gell. N. A. XII, 8, Liv. XXXVIII, 57 und die Anecdote vom Lucull. b. Plin. H. N. XXVIII, 5. Es ging bei dieser Mahlzeit, wie bei den pontificalen und saliarischen, sehr hoch zu, s. Martial. XII, 48,11 Non Albana mihi sit commissatio tanti nec Capitolinae Pontificumque dapes. Daher Lucilius b. Non. p. 204 Idem epulo cibus atque epulatio (1. epulo est) Iovis Omnipotentis. Auch die Epulones waren speciell Epulones Iovis O. M., s. Cic. d. Harusp. resp. 10, 21, oben S. 129., umgeben von den großartigsten Erinnerungen der Vorzeit und auf die mächtige Stadt zu ihren Füßen hinabschauend. Auch ist dieses epulum Iovis auf dem Capitol immer einer der festlichsten Tage im römischen Kalender gebliebenVgl. Dio XXXIX, 30, Sueton Domit. 13, Ael. Lamprid. Alex. Sev. 36..

Nicht minder wesentlich als das epulum Iovis gehörten die Procession in den Circus und die dortigen Spiele zum Capitolinischen Culte der Tarquinier; in welcher Beziehung das Symbol der Quadriga interessant ist, welches vielleicht ursprünglich nur ein Attribut des Donnergottes Jupiter war, bei den Etruskern aber und in Rom ganz wesentlich königliche Ehren und Sieg und Triumph bedeuteteDionys II, 34 von dem Triumphe des Romulus: ἵνα τὸ βασίλειον ἀξίωμα σώζη τεϑρίππω παρεμβεβηκώς. Vgl. ib. 54 und Plut. Rom. 24 von der ehernen Quadriga, welche Romulus als Siegeszeichen auf dem Vulcanal aufstellt.. Ja eine alte Quadriga von Thon und 197 etruskischer Abkunft, welche auf dem Giebel des Capitolinischen Tempels stand, hatte sogar die Bedeutung des Sieges über alle Siege, daher sie für eine der vielen Bürgschaften einer ewigen Wohlfahrt galt, deren sich Rom zu rühmen wußte. Vor der Einweihung des Tempels, so erzählte die Legende, und kurz vor seiner Vertreibung hatte Tarquinius jene Quadriga in Veji bestellt. Sie geht im Ofen nicht zusammen wie gewöhnlich, sondern sie schwillt und schwillt, daß man Decken und Wände einreißen muß, um sie nur aus dem Ofen nehmen zu können. Die Seher weissagen daß diese Quadriga ihren Besitzern die höchste Macht sichere, daher sich die Vejenter der Auslieferung weigern. Aber als bald darauf Spiele in Veji gefeiert werden, rennt die Quadriga des Siegers in wilder Hast davon und nach Rom, wo der Sieger bei der porta Ratumena gleich unter dem Capitole vom Wagen stürzt und seinen Geist aufgiebt, worauf die Vejenter erschreckt die Quadriga ausliefernNach einer andern Version der Legende erobern die Römer die Quadriga, worauf jenes Viergespann aus Veji gelaufen kommt, der Sieger bei der p. Ratumena stirbt und die Pferde sich erst beim Anblicke der Quadriga auf dem Gipfel des Tempels beruhigen, s. Fest. p. 274 Ratumena porta, Plut. Poplic. 13, Serv. V. A. VII, 188.. Genug das Viergespann gehört eben so wesentlich zum Capitolinischen Jupiter als der Dreifuß zum Pythischen Apollo, daher es wiederholt unter den Weihgeschenken des Jupiter genannt wird (Liv. X, 23; XXXV, 41). Ferner gehörten zu jener Procession und den Spielen im Circus Maximus, welcher immer als nothwendiger Anhang des Capitolinischen Cultus zu denken ist, nicht minder wesentlich die sogenannten tensae d. h. die Processionswagen der drei Capitolinischen Götter mit ihren exuviis d. h. ihren Attributen, welche man an solchen Tagen den Göttern abnahm und anstatt der Götter selbst vom Capitol hinab in den Circus führte, wo sie auf dem sogenannten Pulvinar niedergelegt wurdenFest. p. 364 Tensam (von tendere) ait vocari Sinnius Capito vehiculum, quo exuviae deorum ludicris Circensibus in Circum ad pulvinar vehuntur. Fuit et ex ebore et ex argento. Vgl. Serv. V. A. 1, 17, Ascon. in Verr. p. 200., so daß die Spiele gleichsam unter der persönlichen Betheiligung der Götter gehalten wurden. Und zwar sind die exuviae Iovis Opt. Max., welche bei dieser Gelegenheit 198 erschienen und auf der ihm geweiheten tensaNach Sueton Vespas. 5 erhielt Nero vor seinem Sturze im Traume die Mahnung, ut tensam Iovis O. M. e sacrario in domum Vespasiani et inde in Circum deduceret, vgl. Dio LXVI, 1. Das sacrarium ist der besondre Raum für die Tensen auf dem Capitol, auf den einige Militärdiplome deuten: tabula aenea, quae fixa est in Capitolio ad latus sinistrum thensarum extrinsecus. Die tensa Iovis zerbricht bei Dio L, 8, die der Minerva b. Dio XLVII, 40. Alle drei Capitolinische Götter und ihre Tensen sind zu sehen auf den Denaren der Rubria, die des Jupiter mit dem Blitz, worüber eine Victoria schwebt, die der Juno mit dem Pfau, die der Minerva mit der Eule. Merkwürdig ist die Goldmünze mit dem Kopfe Octavians bei Riccio 59, 27, wo eine Quadriga als Symbol des Jupiter in einer Tense zum Circus gefahren wird. in den Circus gefahren wurden, wieder die Attribute seiner königlichen Weltherrschaft und des Sieges und Triumphs, der Blitz und das Adlerscepter und der goldne Kranz, endlich die tunica palmata und toga picta, von denen das Adlerscepter und die zuletzt genannten Kleider sammt dem Stuhle von Elfenbein in Etrurien und seit Tarquinius Priscus in Rom den königlichen Ornat bildeten, während später nur noch von den Führern der großen Procession und den Triumphirenden ein solcher Schmuck von dem höchsten Gotte entlehnt werden durfteDionys III, 61, Liv. X, 7, Sueton Octav. 94, Müller Etrusk. 1, 373 ff. Der Stuhl des Jupiter mit seinen Attributen, dem Blitz, dem Adler, dem Scepter u. s. w. bei Braun Vorschule der Kunstmythologie t. 6..

Diese Procession (pompa), welche die Spiele im Circus eröffnete, zog vom Capitol herunter über das Forum durch den Vicus Tuscus zum Velabrum und in den Circus, den sie gleichfalls in seiner ganzen Länge durchzog; alle diese Plätze, diese Straßen und die langen Gallerieen des Circus waren dann festlich geschmückt und von einer gedrängten Volksmenge besetzt: es gab in den besten Zeiten Roms keine bedeutungsvollere, keine volksthümlichere Feier als dieseS. die Stellen b. Becker Handb. 1, 491, Friedländer b. Marquardt IV, 498 ff.. Den Mittelpunkt des Zuges bildeten jene Tensen der Götter, vor allen die der drei Capitolinischen, deren jede von einem edlen und unverwaisten Knaben mit der größten Sorgfalt geführt wurde, denn hier war jedes, auch das geringste Versehen bedenklichS. oben S. 118. Es machte viel Sensation als C. Terentius Varro, derselbe welcher als Consul die Schlacht bei Cannä verlor, als Aedil einen gemietheten Knaben von großer Schönheit auf der tensa Iovis die Exuvien dieses Gottes tragen ließ, worüber Juno, wie man glaubte, eifersüchtig geworden jene Niederlage herbeigeführt habe. Val. Max. 1, 1, 16, Lactant. II, 16, 16.. Allen Tensen voran 199 aber fuhr der Magistrat, dem die Ehre geworden war den Zug zu leiten und bei den Spielen den Vorsitz zu führen, aufs festlichste geschmückt, denn seine Tracht war keine geringere als die der TriumphirendenLiv. V, 41 quae augustissima vestis est tensas ducentibus triumphantibusve., während ein Staatssklave einen nach etruskischer Weise aus Gold und Edelsteinen verfertigten Eichenkranz über seinem Haupte hielt und die Begleitung seiner Kinder, vieler Clienten und andres Gepränge das Glück, welches ihm geworden, noch mehr hervorhob (Juvenal X, 36 ff.). Vor diesen Heiligthümern und hinter denselben aber sah man viele andre Gruppen und Haufen von Knaben, Jünglingen und Männern zu Pferde und zu Fuß, viele Spielleute mit Blas- und Saiteninstrumenten, viele Tänzer und Springer, die sich im Waffentanze oder in dem Costüme der etruskischen Ludionen oder in andrer Tracht und Vermummung sehen ließen, viele Priester und Bilder der Götter, seit Caesar und August auch der Kaiser, viele Opferthiere und prachtvolles Geräth, sammt andern Prachtstücken der Vorzeit oder eines auserwählten RuhmsVgl. Dionys VII, 72, welcher nach Fabius Pictor berichtet, aber viel Fremdartiges einmischt, und Tertull. de Spectac. 7, wo das Gewühl der Procession recht lebendig beschrieben wird.. Kurz es war ein buntes Gedränge aller Klassen und aller Arten des Volks, aller Stände, aller Collegien, aller Lebensalter.

Da nach den Kalendern am 14. September, dem Tage nach den Idus eine Prüfung der zum Rennen eingemeldeten Pferde vorgenommen wurdeProbatio equorum, vgl. Dio LV, 10., worauf am 15. die Spiele selbst begannen, so wird man auch die Procession auf diesen Tag setzen dürfen, welcher die Spiele sich unmittelbar anschlossen. Nach denselben Kalendern dauerten diese Spiele im Circus damals fünf Tage lang, vom 15. bis 19. Sept., welche Ausdehnung sie erst allmälich bekommen hatten, da wie bei den latinischen Ferien und andern Festen auf besondre Veranlassung ein Tag nach dem andern hinzugefügt wurdeLiv. VI, 42; XXXIX, 7. Der fünfte Tag wurde nach dem Tode Cäsars hinzugefügt.. Mit der Zeit traten die scenischen Spiele hinzu, seit 390 d. St. (364 v. Chr.) im etruskischen Geschmack, seit etwa 514 (240 v. Chr.) im griechischen, da in diesem Jahre, gleich nach dem ersten punischen Kriege, Livius Andronicus zuerst Dramen auf die Bühne brachte, ein Jahr vor der Geburt des Ennius. Auch das geschah zuerst bei 200 den Römischen Spielen, welche darauf mit den übrigen Festen auch in dieser Hinsicht immer mehr beladen wurden. Und zwar waren zu diesen scenischen Spielen bestimmt die Tage vor den Idus, nach den Kalendern vom 4. Sept. bis zum 12., also neun Tage hintereinander: eine Erweiterung welche namentlich seit der Zeit des zweiten punischen Kriegs erfolgt sein mag. Wenigstens wissen wir aus Liv. XXIV, 43, daß schon im J. 540 (214 v. Chr.), zwei Jahre nach der Schlacht bei Cannä, die Bühnenspiele vier Tage lang dauerten. Gegeben wurden sie bekanntlich von den curulischen Aedilen, denen auch bei der großen Procession und den circensischen Spielen die Einrichtung im Ganzen und die polizeiliche Oberaufsicht oblag, während das Geleite der Tensen bei der Procession und der Vorsitz im Circus, ursprünglich eine Sache des Königs, später den Consuln oder in ihrer Abwesenheit dem städtischen Prätor zustand, nach dem Fall der Republik aber natürlich den Kaisern und den von ihnen ernannten Stellvertretern zufielBecker Handb. II, 2, 324 ff. Statt der curulischen Aedilen bekamen unter den Kaisern die Prätoren die Aufsicht über die Spiele, ib. II, 3, 264..

Neben den Römischen Spielen werden die Großen Spiele (ludi Magni oder Maximi) gewöhnlich in solcher Weise genanntCic. d. Rep. II, 20, 35 eundem primum ludos Maximos, qui Romani dicti sunt, fecisse accepimus. Liv. 1, 35 sollemnes deinde annui mansere ludi, Romani Magnique varie appellati. Paul. p. 122 Magnos ludos Romanos ludos appellabant, quos in honorem Iovis, quem principem deorum putabant, faciebant. Vgl. Ritschl Parerga p. XXIII sqq. und 290, Marquardt Handb. IV, 474., daß beide lange für identisch gegolten haben. Eine genauere Beobachtung aber hat gelehrt, daß sie sich von jenen dadurch wesentlich unterschieden, daß sie nicht regelmäßig, sondern nur in Folge außerordentlicher Veranlassungen und als votivi gefeiert wurden, indem ein solches Gelübde beim Beginn schwerer Kriege oder sonst in gefährlichen Lagen des Staates feierlich ausgesprochen und die Spiele selbst nach glücklicher Beendigung des Kriegs oder Abwendung der Gefahr zu Ehren des höchsten Gottes, der seine Römer wieder einmal zum Siege geführt, gefeiert wurden. Das erste Beispiel fällt in die Zeit des Kriegs gegen die Tarquinier und die mit ihnen verbündeten Latiner, welcher durch den Sieg am See Regillus im J. 258 (496 v. Chr.) entschieden wurde; welche Spiele zugleich sehr oft als Beispiel der strengen Gewissenhaftigkeit angeführt werden, mit welcher solche Gelübde in den alten Zeiten beobachtet 201 wurdenCic. de Div. 1, 26, Liv. II, 36, Dionys VII, 68, Macrob. S. 1, 11, 3, Augustin C. D. IV, 26 u. A.. Das erstemal, so erzählt die Legende, hatte ein plötzlicher Ueberfall des Feindes die Feier unterbrochen. Das zweitemal, als es zur wirklichen Ausführung kam und der Circus schon voll von Menschen war, wurde ein strafbarer Sklave vor Aller Augen mit der Gabel auf dem Rücken durch den Circus geführt und gefuchtelt: was den frommen Sinn eines Plebejers vom Lande so empörte, daß er auch zu Hause keine Ruhe fand. Jupiter erschien ihm im Traume, höchlich verletzt durch solch einen Vortänzer bei seinen Spielen; er solle gehn und bei den Consuln auf Wiederholung der Spiele dringen. Der Landmann zögerte, da starb sein Sohn und er selbst wurde gelähmt an allen Gliedern, bis er sich endlich in den Senat tragen ließ und, sobald er den Auftrag ausgerichtet, gesund wieder heimkehrte. Der Senat aber beschloß alsbald die Instauration und zwar mit einer Ausstattung, die viermal so kostbar war als die erste. Die ältere Republik mochte solche Spiele um so lieber sehen und um so mehr auf sie verwenden, weil bei ihnen allein beide Stände, die Patricier und Plebejer, vereinigt waren, welches auch wohl der Grund ist, weshalb man sie vorzugsweise die Großen nannte; doch wurden sie auch im weitern Verlaufe der Republik sehr oft gelobt und immer mit großer Gewissenhaftigkeit und kostbarer Ausrüstung gehalten, gewöhnlich zehn Tage langVgl. Sigonius zu Liv. XXXIX, 22, 1. Das Gelübde wurde von dem Consul oder dem Dictator praeeunte Pontifice Maximo gesprochen, Liv. IV, 37. Als Beispiel diene das vom J. 191 v. Chr. beim Ausbruch des Kriegs gegen Antiochus, s. Liv. XXXVI, 2. Die ludi votivi des Pompejus, welche er im Kriege gegen Sertorius gelobt, dauerten 15 Tage, Cic. in Verr. Act. 1, 10, vgl. Sueton Octav. 23 Vovit et Magnos ludos Iovi Opt. Max., si respublica in meliorem statum vertisset (nach der Varusschlacht), quod factum Cimbrico Marsicoque bello erat. Ib. Ner. 11 ludis, quos pro aeternitate imperii susceptos appellari Maximos voluit.. Wie die Römischen mögen sie aus einem Opfer und Opferschmause, der Procession und den circensischen Spielen bestanden haben, dahingegen von scenischen Spielen bei ihnen nicht die Rede ist. Wohl aber wurden nicht selten anstatt der Spiele große Opfer dem Jupiter geweiht, meistens Stieropfer, seit dem Hannibalischen Kriege auch wohl nach griechischer Sitte ganze HekatombenScipio opfert nach seiner Rückkehr aus Spanien eine Hekatombe von Stieren auf dem Capitol, Liv. XXVIII, 38. Nach der Schlacht am l. Trasimenus wurde sogar bubus trecentis geopfert und das Ver Sacrum gelobt d. h. ein Opfer von allem quod ver attulerit ex suillo, ovillo, caprino, bovillo grege, welches später wirklich gebracht wird, s. Liv. XXII, 9. 10; XXXIII, 44; XXXIV, 44., einmal sogar und zwar auf Veranlassung der 202 sibyllinischen Bücher ein Ver Sacrum, welches in älteren Zeiten nur in dem Culte des Mars herkömmlich gewesen zu sein scheint.

Außer den Römischen Spielen im September und diesen Großen gab es eigne Plebejische Spiele im November, welche ursprünglich speciell für die Plebs bestimmt waren und von ihren Obrigkeiten, den plebejischen Tribunen und Aedilen besorgt wurden, man weiß nicht genau seit welcher Zeit und auf welche VeranlassungAscon. in Verr. p. 143 Plebeii ludi quos exactis regibus pro libertate plebis fecerunt aut pro reconciliatione plebis post secessionem in Aventinum. Am wahrscheinlichsten ist die Einsetzung dieser Spiele nach der Rückkehr vom h. Berge, wo auch zu den latinischen Ferien ein neuer Tag hinzugefügt wurde.; ohne Zweifel lag aber noch die alte Scheidung der Patricier und der Plebejer dabei zu Grunde. Später verlor sich diese Scheidung, aber die beiden Spiele bestanden dennoch neben einander fort, übrigens bei gleichartiger Einrichtung, denn auch bei den plebejischen Spielen wurde an den Idus ein epulum Iovis gehaltenVgl. die Kalender und Liv. XXV, 2, XXVII, 36, XXIX, 38, XXX, 9, XXXI, 4, XXXII, 7, XXXIII, 42. Immer heißt es et epulum Iovis fuit ludorum causa, so sehr wurden die Spiele überall zur Hauptsache. Die Kalender bemerken zu den Idus Nov. Epul. indict. oder Epulum indicitur., worauf gleichfalls circensische Spiele folgten, welche aber nicht im Circus Maximus, sondern in dem des Flaminius gehalten wurden, vor dessen Einrichtung vermuthlich im freien Marsfelde. Endlich gingen auch hier dem epulum scenische Spiele voran, welche die plebejischen Aedilen zu veranstalten hattenS. die Didaskalie b. Ritschl Parerga p. 261.. Nach den Kalendern der Augusteischen Zeit dauerte das ganze Fest vom 4. bis zum 17. Novb., von welchen Tagen die ersten acht auf die scenischen kommen würden, die Idus auf das Opfer und das Opfermahl, an welchem ursprünglich gewiß nur die plebejischen Magistrate theilnahmen, endlich die Zeit vom 14. bis zum 17. auf die scenischen Spiele und den vorbereitenden Act der probatio equorum. Von einer Procession zur Eröffnung der Spiele ist nie die Rede.

Endlich gab es auch Capitolinische Spiele des Jupiter, über welche wir aber nur mangelhaft unterrichtet sind. Nach Ennius hatte Romulus bei der Einweihung des Tempels des Jup. 203 Feretrius Spiele veranstaltet, welche noch ganz den Stempel ländlicher Einfalt trugen; es wurden nehmlich geölte Felle auf den Boden gebreitet, auf welchen sich dann seine Römer im Faustkampf und im Wettlauf sehen ließen. So erzählen auch Andre von einer ähnlichen Stiftung, welche Romulus Tarpejische oder Capitolinische Spiele genannt habeServ. V. Ge. II, 384, Tertull. de Spectac. 5. Iup. Tarpeius bei Ovid F. VI, 34 und Ulpian tit. XXII § 6.. Wieder Andre wissen von einem Triumphe des Romulus über Veji, welcher an den Iden des October gefeiert worden wäre und wo unter andern Gefangnen auch der König von Veji, ein kindischer alter Mann, aufgeführt worden sei; daher man am Tage der Capitolinischen Spiele d. h. bei der Feier dieses Triumphs immer einen alten Mann in königlichem Aufputz und mit der Bulle, wie sie die Kinder zu tragen pflegten, über das Forum aufs Capitol führe und dazu von einem Herolde durch öffentlichen Ausruf »zum Kauf der Sarder« einlade, weil von den Sardern mit den übrigen Etruskern auch die von Veji abstammtenPlut. Rom. 25, wo die Worte ϑύοντες ἐπινίκια nicht auf den Triumph überhaupt, sondern auf den des Romulus vom 15. Oct. zu beziehen sind, vgl. Qu. Ro. 53 und Fest. p. 322 Sardi venales. Andre leiteten dieses Sprichwort richtiger von einem entscheidenden Siege über die Sarder ab. Vgl. den Gebrauch bona Porsennae regis vendendi b. Liv. II, 14.. Endlich berichtet Liv. V, 50, daß nach dem Abzuge der Gallier Capitolinische Spiele zur Erinnerung an die Rettung des Capitols unter dem Schutze des Jupiter gestiftet und zu diesem Behuf von Camillus ein eignes Collegium gebildet worden sei, aus denen welche auf dem Capitol und der Burg d. h. auf den beiden Hügeln des Capitolinischen Berges wohnten. Aus dem Allen darf man wohl folgern, daß auch an den Iden des October ein altes Triumph- und Siegesfest zu Ehren des Capitolinischen Jupiters gefeiert wurde, ein so altes, daß man es für eine Stiftung des Romulus hielt; und wirklich mag es älter sein als die Plebejischen Spiele, da diese sonst kaum in den November verlegt worden wären. Doch scheint dieses Fest nur eine beschränkte örtliche Bedeutung gehabt d. h. speciell die Einwohner der beiden Capitolinischen Hügel betroffen zu habenEben dieses scheint der Sinn der Worte bei Festus l. c. zu sein: quod ludis [Capitolinis qui] fiunt a vicinis [praetextatis au]ctio Veientium [fieri solet], wo gewöhnlich mit Scaliger a vicanis gelesen wird. Nach der Hinrichtung des Manlius Capitolinus wurde verboten ne quis patricius in Arco aut Capitolio habitaret, Liv. VI, 20., welche später nicht mehr geduldet wurden.

204 Wie nun Siegesfeier und Triumph bei allen diesen Festen des Jupiter O. M. der leitende Gedanke war, so war auch der Triumph im engeren Sinne, nehmlich der der heimkehrenden Feldherrn, kein blos militärisches, sondern zugleich wesentlich ein religiöses Schauspiel, eine Verherrlichung desselben höchsten Gottes auf der Capitolinischen Burg, dessen Stellvertreter die Inhaber der höchsten Staatsgewalt waren. Daher das Opfer an den Jupiter beim Amtsantritte der Consuln (S. 161), daher feierliche Gelübde bei jedem Auszuge derselben zum Kriege, wo sie vorher jene Gelübde auf dem Capitole concipirten und darauf von ihren Freunden mit großer Feierlichkeit und allen guten Wünschen aus der Stadt hinausgeleitet wurdenLiv. XLII, 49 Per hos forte dies P. Licinius consul votis in Capitolio nuncupatis paludatus ab Urbe profectus est. Semper quidem ea res cum magna dignitate ac maiestate geritur etc. XLV, 39 Diis quoque, non solum hominibus debetur (triumphus). – Consul proficiscens praetorve paludatis lictoribus in provinciam et ad bellum vota in Capitolio nuncupat. Victor perpetrato eodem in Capitolio triumphans ad eosdem deos, quibus vota nuncupavit, merita dona populi Romani traducit. Vgl. Becker Handb. II, 2, 64 und von den Bedingungen des Triumphs ib. 79, von der Feier selbst Marquardt III, 2, 446 ff.. Diesem Vorgange entspricht der Triumph, von Seiten des Feldherrn als Erfüllung jener Gelübde, von Seiten des Staates als höchste Anerkennung die dem Bürger zu Theil werden konnte. Gewöhnlich betrat der Feldherr, nachdem er das siegreiche Heer und den Triumphzug vor der Stadt geordnet hatte, das Gebiet derselben bei der porta triumphalis an der Grenze des Marsfeldes, bis wohin ihm die Behörden, der Senat und ein großer Theil der Bürger entgegenkamen. Darauf bewegte sich der Zug durch den Circus Flaminius in die Stadt und über das Forum Boarium, wo der Hercules der Ara Maxima in seiner Weise theilnahm, in den Circus Maximus; endlich von dort um die Palatinische Altstadt herum und auf der Via Sacra über das Forum und hinauf zum Capitol, dem Zielpunkte der ganzen Feier. Voran gingen der Senat und die Behörden, dann folgte Musik, darauf die lange Reihe der erbeuteten oder eroberten Gegenstände, deren glänzende Darlegung immer mehr zur Hauptsache wurde, darauf die weißen OpferstiereVirg. Ge. II, 148, Plutarch Aemil. Paul. 33, Comment. Cruq. Horat. Ep. 9, 22. Nach Serv. V. A. IX, 627 wurden von den Triumphirenden auch Suovetaurilien dargebracht, aber nicht dem Jupiter, sondern den andern Göttern des Kriegs., dann die vornehmeren Gefangnen, endlich der Triumphator selbst, wieder ein lebendes Bild des 205 Capitolinischen Jupiter, von dem er Macht und Sieg empfangen hatte und in dessen Schooß er jetzt den errungenen Lorbeer niederzulegen im Begriff stand, während er die übrigen Insignien dieses höchsten Ehrentages mit in sein Haus nehmen und seinen Nachkommen zum ewigen Angedenken hinterlassen durfte. Wie der hohe und vergoldete, seit Camill gewöhnlich von vier weißen Rossen gezogene Triumphwagen ein Bild der quadriga Iovis warLiv. V, 23 Iovis Solisque equis aequiparatum dictatorem in religionem trahebant. Mithin war auch die tensa Iovis gewiß so bespannt., so die mit Palmenzweigen und Victorien gestickte Tunica, die mit Gold auf purpurnem Grunde gestickte Toga des Triumphators, das elfenbeinerne Adlerscepter in seiner Hand, der über seinem Haupte schwebend gehaltene Triumphalkranz von Gold und Edelstein, sein eignes nach dem Vorbilde Jupiters mit Mennich hochroth gefärbtes Antlitz recht eigentlich der ornatus Iovis Optimi MaximiLiv. X, 7, vgl. Serv. V. Ecl. X, 27, Sueton Octav. 94. Es scheint sogar daß die tunica palmata und die toga picta den Triumphirenden e Capitolio verabfolgt wurden, s. Lamprid. Alex. Sev. 39, Iul. Capitol. Gordian 4, Vopisc. Prob. 7. Von dem Kranze s. Plin. H. N. XXXIII, 1, 4 und oben S. 97, 131 u. 199, von der Färbung des Gesichts S. 194 und Serv. V. Ecl. VI, 22, X, 27.: daher einer solchen Erhebung der sterblichen Menschen als heimliches Amulet gegen den Neid und bösen Blick ein Fascinus unter dem Wagen dienen mußte und deshalb auch den folgenden Soldaten jeder beliebige Spott erlaubt gewesen sein sollSo ist Plin. H. N. XXVIII, 4, 7 zu verstehn: fascinus imperatorum quoque, non solum infantium custos, qui deus – currus triumphantium sub his pendens defendit medicus invidiae, iubetque eosdem resipiscere (so schreibt Sillig mit Recht f. respicere) similis medicina linguae (nehmlich die Spottlieder der Soldaten), ut sit exorata a tergo Fortuna gloriae carnifex. Vgl. Dio Cass. LIX, 17, wo Caligula vor seinem Triumphe bei Puteoli dem Neptun opfert καὶ ἄλλοις τισὶ ϑεοῖς φϑόνῳ τε, μὴ καὶ βασκανία τις αὐτῷ ὡς ἔφασκε γένηται.: so sehr fürchtete der Glaube der Alten bei jedem außerordentlichen Gedeihen die dämonische Gewalt des Neides. Umgeben von den Genossen seines Ruhms verließ er endlich oben auf dem Capitole angekommen den Wagen, stieg die Stufen zum Tempel hinanDer große Cäsar machte diesen letzten Gang auf seinen Knieen, was Claudius nachahmte, s. Dio Cass. XLIII, 21, LX, 23. So kletterte auch Carl d. Gr. die Stufen von S. Peter knieend empor, indem er jede Stufe küßte., nahete sich anbetend dem Bilde Jupiters und legte den Lorbeer, gewöhnlich den der vor ihm getragenen Fasces, der Sinnbilder seiner Gewalt, oder 206 auch eine Palme in den Schooß des GottesVon dem Lorbeer der Fasces s. Dio Cass. LIV, 25 und Lipsius Exc. D. Tacit. Ann. II, 26. Auf zwei alten Gemälden, welche die Kaiser Hadrian und Antoninus Pius auf Triumphwagen darstellen, Mon. dell' Inst. III t. X. XI, haben die Kaiser den zu weihenden Lorbeer in der Hand. Auch das palmam dedit der Triumphalfasten ist auf diesen Act zu beziehn, vgl. Macrob. II, 7, 8.. Dann folgte das Opfer und ein festliches Opfermahl im Tempel, an welchem der ganze Senat und alle Behörden theilnahmen und der Triumphirende natürlich die Hauptperson war, bis er zuletzt von diesem Mahle feierlich heimgeleitet wurdeVgl. Liv. XLV, 39, Varro b. Non. Marc. p. 94 caenatus und Cato Orig. b. Gell. N. X, 24, wo mit Beziehung auf dieses Festmahl der Befehlshaber der punischen Reiterei zum Hannibal sagt: Mitte mecum Romam equitatum; die quinti in Capitolium tibi cena cocta erit. und somit wieder in die gewöhnliche Lebensordnung zurückkehrte. Die freudige Aufregung, das Gedränge der ganzen Stadt bei solchen Gelegenheiten, zumal wenn der Triumphirende beliebt war, kann man sich nicht lebhaft genug vorstellenVgl. Liv. III, 29; IV, 20 u. a.. Auch wurde in späterer Zeit das Volk gewöhnlich von dem Triumphator im Saale des Hercules der Ara Maxima oder sonst in der Stadt gespeist und mit scenischen Spielen und andern Ergötzlichkeiten unterhaltenVgl. Plut. Lucull. 37, Dio LV. 2, wo Tiber das Volk auf dem Capitol und durch die ganze Stadt speist, Livia und Julia aber im Palatium die Damen. Aehnlich ib. 8..

Haben wir so die verschiedenen Feste und festlichen Veranlassungen übersehen, bei denen der Capitolinische Jupiter als der höchste Gott aller römischen Staatsgewalt und aller ihrer Erfolge verehrt wurde, so mag schließlich, um das Bild örtlich und historisch abzurunden, auch von der Ausstattung und Umgebung seines Tempels und der späteren Geschichte des Capitols die Rede sein, da auch in diesen der Grundgedanke dieser Anlage, das terrestre domicilium Iovis darzustellen (Cic. Verr. IV, 58, 129), deutlich hervortritt.

Zahllos waren zunächst die kostbaren Geschenke und Stiftungen sowohl des frommen Glaubens der Einheimischen und des Staates als der verzagten Ehrfurcht auswärtiger Völker und Könige, welche ihre huldigende Anerkennung der Obmacht Roms durch Geschenke an seine höchste Götter-Trias auszudrücken pflegten. Gewöhnlich bestanden solche Tribute in goldnen und silbernen Schaalen und anderm Cultusgeräth, goldnen Kränzen und andern Kostbarkeiten, wie sie die mehrfach 207 erhaltenen Verzeichnisse andrer Tempelschätze aufzählen, nicht selten aber auch in solchen Gegenständen, welche zu den Attributen und Symbolen der Götter gehörten, z. B. in Blitzen von Gold oder Silber, Quadrigen u. dgl. Die große Masse solcher Weihgeschenke wurde von Zeit zu Zeit eingeschmolzen, die übrigen in den sogenannten Favissen niedergelegt, kellerartigen Anlagen unter dem Tempelhofe, in welchen auch das abgängig gewordene Tempelgeräth und veraltete Cultusbilder verwahrt wurden. Ueberdies gab es noch einen besondern Schatz des Capitolinischen Jupiter, welcher unter seinem Sitze in dem Throne niedergelegt war. Camill hatte ihn angelegt, als die Gallier endlich abziehn mußten, und treulich verwahrte und mehrte ihn die Republik, bis mit der Zeit des Marius und Sulla zugleich der Brand des Capitols und die Plünderung bedürftiger Feldherrn auch diese Schätze störten. Was Sulla wiederhergestellt hatte, ging von neuem durch Crassus und Caesar verloren, bis Augustus wieder auf einmal 16000 Pf. Goldes und eine entsprechende Menge von Edelsteinen und Perlen in der Cella des Jupiter niederlegteLiv. V, 50, Plin. H. N. XXXIII, 1, 5, Sueton Caes. 54, Octav. 30, Dio XLI, 39..

Nicht weniger zahlreich und für die Geschichte des römischen Staates und des römischen Ruhms im höchsten Grade lehrreich waren die vielen von Privaten oder von Staatswegen dahin gestifteten Andenken, Inschriften, Ehrenschilde, Tropäen, Victorien u. dgl. m., so zahlreich daß der Tempel und seine Säulen von Zeit zu Zeit von dem Ueberfluß gesäubert werden mußten (Liv. XL, 51). Schon die vielen historisch merkwürdigen Inschriften, welche es dort zu lesen gab, waren für den Patrioten ein wahrer Schatz, wie z. B. die Feldherrn, ehe sie triumphirten, ein Verzeichniß ihrer Thaten in Saturnischen Versen auf dem Capitole anzuschlagen pflegten, wovon einige Beispiele durch die Schriftsteller erhalten sind, darunter die alte und ehrwürdige Inschrift, in welcher T. Quinctius Cincinnatus mit einfachen Worten von seinen durch die Gnade Jupiters und aller Götter im J. 374 (380 v. Chr.) erfochtenen Siegen über Präneste berichteteAtil. Fortunat. p. 2680 P. apud nostros in tabulis antiquis, quas triumphaturi duces in Capitolio figebant victoriaeque suae titulum Saturniis versibus prosequebantur, talia repperi exempla etc. Vgl. Marini Atti p. 37, Ritschl inscriptio quae fertur columnae rostratae Duellianae, Bonn 1852. Die erhaltenen Beispiele sind: 1) das vom Cincinnatus b. Liv. VI, 29 vgl. Fest. p. 363. 2) die an den Seesieg des L. Aemilius Regillus über die Flotte des Antiochus erinnernde Inschrift b. Liv. XL, 52. 3) die des Ti. Sempronius Gracchus, welche von einer bildlichen Darstellung der Insel Sardinien und seiner auf ihr gefochtenen Schlachten begleitet war, Liv. XLI, 28.. Die stille Würde dieser älteren Zeit mochte 208 merklich abstechen gegen die goldne und silberne Pracht der späteren, wo Rom von seinen Feinden lernte, auch seiner eignen Siege und Götter mit großem Aufwand und mit einer anspruchsvollen Kunst der Darstellung zu gedenken. So lernte man von den Puniern die goldnen und silbernen Ehrenschilde mit eingegrabenen Bildern kennen, wo es sich denn gelegentlich zutrug, daß derartige auf dem Capitol befindliche Schilde von Silber von den Censoren lange für eherne gehalten wurden (Plin. H. N. XXXV, 3, 4). Auch wurde es um dieselbe Zeit beliebt, in ausgeführten Bildern der Schlachten zum Volke zu sprechenPlin. XXXV, 4, 7 vgl. Papencordt Cola di Rienzo S. 73., wie man auch im Mittelalter in Florenz und Rom durch historische und allegorische Bilder sich an das Volk wendete. Später mehrten sich die nach griechischer Weise aufgestellten Victorien, namentlich seitdem der goldnen Victoria, welche Hieron dem Senate in schwerer Bedrängniß übersendet hatte, so große Ehre erwiesen worden warLiv. XXII, 37. Vgl. die von dem numidischen Könige Bocchus dem Sulla zu Ehren aufs Capitol geweihten Νῖκαι τροπαιοφόροι b. Plutarch Mar. 32, Sulla 6. Victoria quadrigam in sublime rapiens, ein Gemälde des Nicomachus auf dem Capitol, Plin. XXXV, 10, 36.. Auch die größeren Tropäen, wie man deren noch jetzt auf dem Capitole sieht, wurden immer häufiger, und die Kette der Triumphbögen, welche auf dem Forum, vor den Thoren und in den belebtesten Straßen die gewöhnliche Richtung der Triumphzüge bezeichneten, begann unter August und Tiber den Fuß des Capitols zu erreichen, unter Nero dasselbe zu ersteigenPropert. III, 11, 45 von den Tropäen des Marius. Tropaea Germanici in tribunali quae sunt ad aedem Fidei Populi Romani auf einem Militärdiplome. Vgl. Tacit. Ann. XV, 18 und Henzen in den Jbb. d. V. v. Alterthumsfr. im Rheinl. XIII S. 26 und 59..

Dazu kamen die vielen Tempel und Bilder andrer Götter, welche sich allmälich um den großen Capitolinischen Haupttempel wie um ihren Mittelpunkt ansammelten, die Menge von Bildern und Statuen berühmter Männer, die vielen alten Gesetze und öffentlichen Anschläge, da auch außerhalb des Tabulariums viele Gesetze auf besondern Säulen von Erz oder an die Mauern und Flächen der Tempel und der Monumente angeheftet wurdenVgl. Cicero Cat. III, 8, Dio XXXVII, 9, XLI, 14, Sueton Vespas. 8., endlich eine große Menge von kostbaren Bildern und 209 Gemälden griechischer Kunst, welche die Sieger nach Rom brachten. Unter den Götterbildern mag vorzüglich der historisch wichtigen des Jupiter gedacht werden: namentlich des von Sp. Carvilius Maximus, dem Sieger über die Samniter vom J. 461 (293 v. Chr.), aus den Rüstungen der heiligen Schaar geweihten Colosses, der von solcher Höhe war, daß man ihn vom Gipfel des Albaner Berges deutlich unterschiedPlin. H. N. XXXIV, 7, 18. Zu den Füßen des Colosses stand ein kleines Bild des Carvilius, welches aus den Abfällen der Feile gegossen war. Kleinere Votivtempel des Jupiter, wahrscheinlich Betkapellen mit einem Altare und Bilde, werden erwähnt bei Liv. XXXV, 41. Eine columna – secundum Iovem Africum auf Militärdiplomen., und des auf einer Säule aufgestellten Bildes, dessen unter den Prodigien des J. 65 v. Chr. gedacht wird, wo ein Gewitter so außerordentliche Verwüstungen auf dem Capitole anrichtete, daß man das Schlimmste befürchten mußteCic. Catil. III, 8, de Divin. 1, 12, Dio XXXVII, 9, vgl. Becker Handb. 1, 394.. Andre Bilder kamen aus Griechenland, z. B. eine Statue des Zeus Urios d. h. des Senders guter Winde aus Macedonien, welchen Flaminius auf das römische Capitol versetzte, wo man den griechischen Namen durch Iup. Imperator übersetzte, ein dreißig Ellen hoher Apoll aus Apollonia am schwarzen Meere, den Lucullus mitgebracht hatte, verschiedene Bilder des Mars, des Hercules u. s. w.Cic. Verr. IV, 57, 128 ff., ad Att. VI, l, 17, Plin. IV, 13, 27, XXXIV, 7, 18, Dio XLI, 14, XLII, 26.. Weit zahlreicher müssen aber die Statuen der verdienten Bürger gewesen sein, da es während der Republik für eine der höchsten Auszeichnungen galt, in der Nähe des Jupiter O. M. ein Bild von sich aufstellen zu dürfen. Sah man doch selbst die Bilder der sieben Könige auf dem Capitole und neben ihnen das des Brutus, neben welchem man später das des Cäsar stellte, was den damaligen Brutus, den Mörder Cäsars, ganz besonders zur Theilnahme an der Verschwörung gereizt haben sollIn der Nähe derselben alten Königsbilder fiel Ti. Gracchus, s. Plin. XXXIII, 1, 4. 6. XXXIV, 6; 11, Appian b. civ. 1, 16, Dio XLIII, 45, Ascon. Cic. Scaur. p. 30 Or.. Daran schlossen sich so viele andre Statuen berühmter Männer mit entsprechenden Inschriften, z. B. die des L. Caecilius Metellus, des Siegers von Panormus, der als Pontifex das Bild der Vesta rettete, des M. Aemilius Lepidus, wie er sich schon als Knabe in der Schlacht ausgezeichnet hatte, des Scipio Africanus und seines Bruders Lucius, welcher sich in griechischer Tracht hatte abbilden 210 lassen, des Q. Marcius Rex und vieler AndrerCic. ad Att. VI, 1, 17, Dionys. II, 66, Valer. Max. III, 1, 1; 6, 2, Sueton Cal. 34., daß August, weil der Platz zu eng wurde, eine große Anzahl dieser Statuen vom Capitol nach dem Marsfelde versetzte. Der höchsten Ehre unter Allen war aber doch Scipio Africanus d. Ä. gewürdigt worden, da nicht allein der Tempelhof seine Statue zeigte, sondern ein Bild von ihm selbst in dem eignen Tempel des Jupiter hatte aufgestellt werden dürfen, eine Wachsmaske welche, so oft das Geschlecht der Cornelier ein feierliches Leichenbegängniß zu begehen hatte, von dort zu dem Zuge der Ahnenbilder abgeholt wurdeLiv. XXXVIII, 56, Val. Max. VIII, 15, 1, Appian Hisp. 23.. Auch mochten wenige Römer die Herrlichkeit des Capitolinischen Jupiter und seinen unsichtbaren Schutz der römischen Größe mit so innigem Gemüthe erfaßt haben als dieser Scipio, welcher mit seiner an griechischen Enthusiasmus erinnernden Begeisterung in dem nüchternen Rom ohnehin eine auffallende Erscheinung ist und wegen seiner religiösen Hingebung an den höchsten Gott und seiner außerordentlichen Erfolge beim Volke sogar den Glauben an eine übernatürliche Abkunft erweckt hatte. Schon als junger Mann war er jeden Morgen, sobald der Tag graute, von seiner gleich unter dem Capitol gelegnen Wohnung hinauf in die Burg und in den Tempel gegangen, wo die Hunde ihn nicht mehr anbellten und die Wächter stillschweigend aufschlossen. In stiller Sammlung weilte er dann eine Zeitlang vor dem Bilde Jupiters, um sein tägliches Geschäft und das Wohl des Staates mit sich und mit ihm zu berathen, bis diese Morgenandacht ihm zur unentbehrlichen Gewohnheit geworden war, so daß seine spätern Erfolge und Triumphe, der vom J. 201 v. Chr. und der über seine Ankläger im J. 187, nur als die letzte Erfüllung von dem erscheinen, was sich in seiner Seele früher still gebildet hatteLiv. XXVI, 19, Gell. VI, 1, Dio Cass. fr. 57, 40 p. 65 Bekk.. Auch war ja grade dieses die Zeit, wo Jupiter die alte Verheißung, daß seine Burg in Rom das Haupt über alle Welt und ihre Grenze niemals verrückt werden solle, durch unerhörte Siege und Eroberungen der Römer jährlich mehr zu einer aller Welt einleuchtenden Wahrheit machte.

Der alte Tempel hatte über 400 Jahre gestanden und schien wie den Anfang, so auch das Ende der Republik erleben zu wollen, als er am 5. Juli des J. 83 v. Chr. durch eine bei Nacht 211 ausgebrochene Feuersbrunst zerstört wurde, mitten im Kriege zwischen Marius und Sulla, welcher letztere gleich zur Wiederherstellung schritt; doch war diesesmal nicht er der Glückliche, sondern Q. Lutatius Catulus, der Consul des Jahres der Einweihung, 78 v. Chr., dessen Name seitdem unter dem Giebel neben dem des Jupiter O. M. prangte. Der alte Bauplan wurde beibehalten, aber prächtiger ausgeführt; auch war jetzt das Bild des Jupiter ein ganz und gar griechisches, eine Copie des Jupiters in Olympia, in welchem schon L. Aemilius Paulus, der Sieger des Perseus, das wahre Urbild des Capitolinischen Jupiters erkannt hatteLiv. XLIV, 28 Iovem velut praesentem intuens motus animo est. Itaque haud secus quam si in Capitolio immolaturus esset, sacrificium amplius solito apparari iussit. Vgl. Chalcid. in Plat. Tim.p. 440 ed. Meurs. und Brunn Gesch. d. griech. Künstler 1, 543. Daher schrieb Varro de vita populi Ro. liber I b. Non. Marc. p. 162 Quid inter hos Ioves intersit et eos qui ex marmore ebore auro nunc fiunt etc., und von einem griechischen Künstler Apollonios aus Gold und Elfenbein und mit prächtiger Gewandung ausgeführt. Hernach war Augustus, der große Restaurator des römischen Gottesdienstes, auch für die Verschönerung und Wiederherstellung des Capitols auf mehr als eine Weise bedacht, namentlich auch dadurch, daß er einen ganz neuen Tempel des Iupiter Tonans bauete, wozu ihn ein Abenteuer seines spanischen Feldzugs vom J. 26 v. Chr. bestimmte. Als er nehmlich einst bei Nacht unterwegs war, fuhr ein Blitz mit furchtbarem Donnerschlage so dicht bei der Sänfte nieder, daß er selbst geblendet, der vorleuchtende Sklave erschlagen wurde; daher Jupiter nun auch in dieser dem griechischen Ζεὺς ΒροντῶνSo übersetzt Dio LIV, 4 den Iup. Tonans. Ζ. Βροντῶν ist eine sehr geläufige Form des Zeuscultus der späteren Zeit, namentlich in Kleinasien. Der auf römischen Münzen zuweilen genannte Iup. Cantaber scheint identisch mit dem Iup. Tonans zu sein. Ueber die Glöckchen am Giebel s. Sueton 91, welcher hinzusetzt daß solche Glöckchen meist an den Thüren zu hängen pflegten. Anders Dionys LIV, 4, wo August dem Jupiter Tonans selbst ein Glöckchen anhängt, οἱ γὰρ τὰς συνοικίας νύκτωρ φυλάσσοντες κωδωνοφοροῦσιν, ὅπως σημαίνειν σφίσιν οπόταν βουληϑῶσι δύνωνται. entsprechenden Form einen Cultus auf dem Capitole bekam. Der Tempel ward an den Kalenden des September im J. 22 eingeweiht und wurde seitdem von so vielen Andächtigen besucht, daß der alte Jupiter sich darüber bei dem Stifter im Traume beklagte; worauf dieser den Giebel des neuen Tempels mit kleinen Glöckchen versehen ließ, als ob dieser neue Iupiter Tonans 212 nur die Bedeutung eines Pförtners an der Schwelle des alten Jupiter O. M. habe. Schon deshalb kann dieser Tempel nicht unten am Aufgange zum Capitol gelegen haben, wo die gewöhnliche Tradition der römischen Topographie ihn sucht.

Der neue Tempel verbrannte wieder bei dem von Tacitus so anschaulich beschriebenen Sturme der Vitellianer, wo sich die Vespasianer auf dem Capitole festgesetzt und hinter dessen Thoren mit den Statuen der Vorzeit eine mächtige Barrikade errichtet hatten. Vespasian hatte den Tempel kaum wiederhergestellt und dabei auf die Mahnung der Haruspices wieder den alten Bauplan befolgt, als er durch die große Feuersbrunst unter Titus im J. 80 von neuem zerstört wurde. Domitian vollendete den Tempel im J. 82, wie die unter ihm geprägten Münzen lehrenEckhel D. N. VI p. 377 und Pinder in den Abh. d. Berl. Akad. 1855 S. 625 t. VI, 7. Zwischen den Säulen thront in der Mitte Jupiter, während Juno und Minerva zur L. und zur R. stehen. Oben auf dem Gipfel sieht man die Quadriga. Ueber verschiedne Reliefs, welche Ansichten von dem Giebelfelde dieses Tempels geben, s. Brunn sul frontone del tempio di Giove Capitolino, Annal. dell' Inst. 1851 p. 289 sq. Vgl. Cavedoni Bullet. Arch. 1852 p. 157, O. Jahn Archäol. Beitr. S. 81.. Derselbe Kaiser hatte noch eine besondre Veranlassung dem Capitolinischen Jupiter zu huldigen, da er bei jenem Sturme der Vitellianer auf dem Capitole gewesen und kaum gerettet worden war; daher er noch unter der Regierung seines Vaters auf dem Platze der Küsterwohnung, wo er sich versteckt hatte, eine Capelle des Iup. Conservator mit einem Altare stiftete, dessen Reliefs die Geschichte seiner Rettung bildlich darstellten, später aber als Kaiser dem Iup. Custos einen großen und mächtigen Tempel erbaute und sich selbst in demselben als Schützling des Gottes darstellteTacit. Hist. III, 74, wo mir aramque posuit casus suos in marmore expressam die richtige Lesart zu sein scheint. Weiterhin deuten die Worte seque in sinu Dei sacravit auf ein Tempelbild. Der Iup. Conservator ist auf den M. Domitians dargestellt stans d. fulmen s. hastam, der Iup. Custos sedens d. fulmen vel Victoriolam. Beide entsprechen dem Ζ. Σωτὴρ der Griechen, s. Or. n. 1225–1228, Henzen n. 5619a., besonders Or. 1228 aus Tuder, wo im Namen dieser Colonie und ihrer Obrigkeiten Iovi Opt. Max. Custodi Conservatori gedankt wird, weil er einen bösen Zauber, den ein servus publicus gegen die hohe Obrigkeit gerichtet hatte, vereitelt hatte. Von dem T. des Iup. Custos auf dem Capitol glaubt man gleich hinter dem Palaste der Conservatoren Trümmer gefunden zu haben.. Ueberdies stiftete Domitian neue Capitolinische Spiele, deren bei den Schriftstellern und Dichtern der Zeit nicht selten gedacht wirdDas gewöhnliche Thema waren die laudes Capitolini Iovis und natürlich die des Domitian, s. Quintil. III, 7, 4, Sueton Domit. 4 und die Inschrift b. Or. n. 2603 und Mommsen I. N n. 5252. Auch Herodian 1, 9 spricht von diesen Spielen. Vgl. Ritschl Rh. Mus. N. F. 1, 309 und Studer ib. II, 210.. Sie 213 bestanden nach griechischer Weise aus musischen, ritterlichen und gymnastischen Wettkämpfen, und zwar durfte bei den musischen sowohl in Poesie als in Prosa und sowohl in griechischer als in lateinischer Sprache concurrirt werden.

So hatte sich der alte Cultus zwar noch einmal verjüngt und immer blieb daher Jupiter der höchste Repräsentant der Majestät des römischen Namens und Staates. Aber wie der Kaiser jetzt in diesem Staate zur Hauptsache geworden war, so war er es nun auch auf dem Capitol: worüber das Geistliche und das Weltliche, Adulation und Andacht, wie in dieser ganzen letzten Periode der römischen Staatsreligion, oft auf eine recht widerwärtige Weise vermengt wurde. Für den Kaiser wurde zu Anfang jedes neuen Jahres (S. 162) und an seinem Geburtstage und dem Tage seines Regierungsantritts, aber auch bei vielen außerordentlichen Veranlassungen auf dem Capitole gebetet und geopfertBei Sueton Octav. 59 verfügen einige alte Herrn sogar testamentarisch, daß ihre Erben nach ihrem Tode auf dem Capitol opfern sollten quod superstitem Augustum reliquissent. Vgl. Sueton Calig. 5 von der allgemeinen Verzweiflung bei den bösen Nachrichten über die Krankheit des Germanicus: Lapidata sunt templa, subversae deum arae, lares a quibusdam familiares in publicum abiecti, partus coniugum expositi. Als es dann heißt, es gehe besser, läuft Alles aufs Capitol, passim cum luminibus et victimis in Capitolium concursum est ac paene reversae templi fores, ne quid gestientes vota reddere morarentur. Vgl. Sueton Tib. 53 und von den unablässigen Opfern unter Domitian, quum saevissimi domini atrocissima effigies tanto victimarum cruore coleretur, quantum ipse humani sanguinis profundebat, Plin. Panegyr. 53, aus späterer Zeit Flav. Vop. Prob. 12., seltner freiwillig und von Herzen als unter dem strengen Gebote der Tyrannei und mit verstohlenen Flüchen, welche eben deshalb nach dem Tode des verhaßten Gewalthabers um so leidenschaftlicher hervorbrachen. Mit den Statuen der Kaiser füllte sich jetzt der Vorhof des Tempels, meist mit silbernen und goldnen, wie namentlich Domitian nur solche duldete, dagegen Trajan nur eherneSueton Domit. 13, Plin. l. c. 52. Die silbernen Statuen waren den Römern zuerst durch den Triumph des Pompejus bekannt und unter Augustus schon zu einem gewöhnlichen Mittel der Adulation geworden, Plin. H. N. XXXIII, 12, 54. Dem Kaiser Claudius, dem Besieger der Gothen, wurde sogar eine goldne statua equestris, 10 F. hoch, vor dem großen Tempel errichtet, Oros. Hist. VII, 23, Trebell. Poll. Claud. 3.. Die Kaiser verließen wie weiland 214 die Consuln nie ohne einen Gang aufs Capitol und feierliche Gelübde an Jupiter die Stadt, und so war auch bei ihrer Rückkehr gewöhnlich ihr erster Gang dahin gerichtet und erst der zweite in die kaiserliche Pfalz auf dem PalatinVgl. Herodian II, 14, III, 8, Lamprid. Alex. Sev. 56, Treb. Pollio Gallien. 8, wo der Zug aufs Capitol besonders feierlich ist. Die Stände voran, das ganze Volk, die Frauen mit Lichtern und Fackeln, unendlich viele und reich geschmückte Opfer, 100 weiße Ochsen mit vergoldeten Hörnern u. s. w.. So war natürlich auch der Triumph jetzt ein kaiserliches Monopol, von welchem August vor lauter Ehren zuletzt gar nicht einmal Gebrauch machteMon. Ancyr. 1, 23 cumque pluris triumphos mihi Senatus decrevisset, iis agendis supersedi et tantum laurus deposui in Capitolio votis quae pro republica in quoque bello nuncuparam redditis, s. Zumpt p. 45. Eben so Domitian Sueton 6, vgl. Nero 13. Die Feldherrn mußten sich mit den Insignien des Triumphs begnügen, welche sogar bald zur gewöhnlichen Decoration wurden., bis später Trajan und andre Kaiser auch diese alte Verherrlichung des Capitolinischen Reichsgottes wieder zu Ehren brachten und seinen Tempel bei solchen Gelegenheiten mit kostbaren Geschenken überhäuften. Bei Trajan, welcher nicht den Schwur bei seinem Genius, sondern nur den beim numen Iovis O. M. duldete, wollten seine Verehrer auch darin eine besondre Fügung erkennen, daß Nerva seine Adoption zuerst auf dem Capitol, im Angesichte des höchsten Gottes, feierlich ausgerufen, dann dem Senate und ihm selbst angezeigt hattePlin. Panegyr. 1, 8, Dio LXVIII, 3.. In demselben Sinne einer Anerkennung des Capitolinischen Jupiters als des höchsten Reichsgottes handelten auch Aurelian und Diocletian, welcher letztere durch geflissentliche Verehrung dieses Jupiter, dessen Stellvertreter auf Erden der Kaiser war, die schon in der Auflösung begriffene römische Staatsreligion sogar noch einmal zu stützen versuchteA. Vogel der Kaiser Diocletian, Gotha 1857 S. 23 ff. Daher nannte Diocletian sich Iovius, auch sind seine Münzen voll von Beziehungen auf diesen Cultus, s. Eckhel D. N. VIII p. 49. In Rom stiftete er einen Campus Iovis und ein Nympheum Iovis, s. m. Regionen S. 136. 169. Ueber Aurelian vgl. Flav. Vopisc. 29. 33., wie Jupiter denn auch sonst in diesen letzten Zeiten vorzugsweise als Praeses Orbis, Pacator Orbis, Propugnator, Tutator, Sponsor Saeculi Augusti verehrt wurde, immer mit specieller Beziehung auf den Kaiser. Dazwischen wird er in dem Gewirr so vieler verschiedner Götter und Götterculte nun auch wohl als der summus excellentissimus und summus exsuperantissimus, wie sich die schwülstige Sprache der 215 Zeit ausdrückteOr. n. 1267–1269, Mommsen I. N. n. 1068. 3581. Bei Or. n. 1269 heißt es: Iovi O. M. Summo Exsuperantissimo, Divinarum Humanarumque Rerum Rectori Fatorumque Arbitro, vgl. die Inschr. b. Henzen n.  5609 und die Gebetsformeln b. Vogel a. a. O. S. 90., gefeiert. Sonst treten, wie bemerkt, in diesen sinkenden Zeiten am meisten die Culte des Iup. Depulsor und Salutaris hervor, und die Culte der Vermengung der römischen Begriffe mit den orientalischen, z. B. im Dienste des I. O. M. Heliopolitanus, Damascenus, Dolichenus u. s. w., oder auch denen der celtischen und germanischen Völker des Nordens, deren verwandte Götterdienste nun gleichfalls auf diese Weise übersetzt wurden. So namentlich die auf den hohen Bergen der nördlichen Grenze verehrten Götter, welche zugleich als schützende Mächte der Wandrer, die diese Straßen zogen, angerufen wurden, z. B. I. O. M. Poeninus, dessen Sitz der große S. Bernhard warOr. n. 228 ff., Henzen 5642, vgl. J. Grimm D. M. 154 und die Jbb. d. V. der A. F. im Rheinl. XI S. 17 ff. Daneben gab es aber auch einen I. O. M.Apenninus s. Or. n. 1220, Henzen 5613, vielleicht derselbe welchem Aurelian in seinem Tempel des Sonnengottes Apenninis sortibus additis unter dem Namen Consul oder Consulens ein Bild stiftete, Flav. Vopisc. Firm. 3. Votivsteine des Iup. O. M. Culminalis und I. O. M. et viis semitibusque b. Mommsen in den Monatsber. d. Ak. d. W. zu Berlin 1857 S. 454., und ein I. O. M. Culminalis in der Steiermark, neben welchem sogar die Wege und die Stege göttlich verehrt werden.

Zu dieser Verschmelzung hat der Umstand nicht wenig beigetragen, daß nicht blos die ausländischen Culte in Rom zugelassen, sondern auch das römische Capitol mit seinen Göttern vielfach in Italien und in den Provinzen nachgeahmt wurde, vermuthlich zuerst in Italien. wo man sich in den städtischen Einrichtungen und Benennungen immer gerne nach der Hauptstadt richteteNamentlich scheint es in Benevent ziemlich früh ein Capitolium mit dem Culte der drei Götter gegeben zu haben, s. Sueton d. illustr. Gramm. 9, vgl. die Inschr. b. Mommsen I. N. n. 1377–1383, wo außer dem Iup. O. M. auch ein Iup. Tutator und Iup. Tonans erwähnt wird, auch Iuno Regina. Ein Capitolium in Maruvium s. b. Mommsen I. N. n. 3301, zu Histonum ib. 5242 Capitolium Fabius Maximus instauravit. Das zu Capua weihte Tiberius ein, Sueton Tiber. 40, Calig. 57. Andre Capitole sind bekannt aus Florenz, Ravenna, hin und wieder in Spanien, in Toulouse, Narbonne, Nismes, Besançon, Rheims, Köln, Augsburg u. a. Vgl. Braun, die Capitole, Bonn 1849.. Anderswo kam die Huldigung gegen Rom hinzu, z. B. in Antiochien, wo Antiochus Epiphanes, nachdem er lange als Geißel in Rom gelebt hatte, einen prächtigen Cultus des 216 Capitolinischen Jupiter einrichteteLiv. XLI, 20, vgl. O. Müller Quaest. Antiochen. 1 p. 55 u. C. Grani Liciniani fr. ed. Pertz p. 46, nach welchem Epiphanes zwei eherne Colosse von 12 Ellen Höhe errichtete, unum Olympio alterum Capitolino Iovi.. Vollends unter den Kaisern verbreiteten sich diese Filialculte des römischen Capitols über das ganze Reich und sämmtliche Hauptstädte, daher der Name des Capitols immer mehr zu einem Symbol der römischen Staatsreligion wurde und in diesem Sinne namentlich in den Legenden der christlichen Märtyrer oft erwähnt wird. Beispiele lassen sich sowohl in den westlichen Provinzen nachweisen, in Afrika, wo auch das neu erstandne Karthago sein Capitol hatte, Spanien, Gallien und Germanien, als in Kleinasien, am kimmerischen Bosporus, auch in Syrien und Palästina, wo Hadrian auf der Stelle des Salomonischen Tempels einen T. des Capitolinischen Jupiter erbauen ließ, nachdem sich die Juden schon früher, seit Vespasian und Titus, zu einer jährlichen Abgabe an den römischen Jupiter hatten verstehen müssenDio LXVI, 7, LXIX, 12.; endlich in Constantinopel, wo nachmals eine Art von Akademie auf dem Capitole bestand. Da diese Tempel gewöhnlich auf den höchsten Punkten der Stadt errichtet wurden, wo sich die übrigen Schutzgötter des Landes oder des Reiches anschlossen, so ist es kein Wunder, daß der Capitolinische Jupiter zuletzt zum Repräsentanten des Heidenthums überhaupt wurde. War doch auch das römische Capitolium immer mehr zu einem Pandämonium aller mächtigeren Götter des heidnischen Glaubens gewordenTertull. d. Spectac. 12 Capitolium omnium daemonum templum. Serv. V. A. II, 319 in Capitolio omnium deorum simulacra colebantur. Vgl. Vitruv. 1, 7, Arnob. I, 34, IV, 16, V, 9, Lactant. 1, 11, 39..

Selbst nach dem Siege des Christenthums scheint das römische Capitol, wenigstens der große Tempel in der Wiederherstellung des Domitian sich noch ziemlich lange erhalten zu haben. Stilicho beraubte ihn der goldnen Platten seiner Thüren, Genserich der einen Hälfte seiner vergoldeten Bronzeziegel, der Papst Honorius der andern. Noch bis ins 9. Jahrh. ist von dem templum Iovis die Rede, aber schon verräth die geschäftige Legende, welche sich der Trümmer des alten Roms bemächtigte und in den sogenannten Mirabilien der Stadt zu einer festen Gestalt gediehen ist, eine eben so große Zerstörung als plötzliche Unwissenheit, bis in den Stürmen des Mittelalters, nachdem die römischen Barone die alten Gebäude zu Burgen umgeschaffen 217 hatten, auch die letzten Reste der örtlichen Tradition und vieler Ruinen verloren gingen.


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