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Quirinus ist der sabinische Mars als Stammgott von Cures und seiner Bürger, der Quiriten, wie der Albanische Mars der Stammgott der palatinischen Römer war. Deshalb galt jener für den Vater des Gründers von Cures Modius Fabidius, wie der Albanische Mars für den der römischen Zwillinge. Die Wurzel des Namens ist quiris oder curis d. i. auf sabinisch die Lanze, welche so gut das Symbol des sabinischen als des latinischen Mars war. Ueberhaupt haben wir gesehen daß Mars durch ganz Italien, sowohl bei den Sabinern als bei den Latinern, der nationale Frühlings- Feld- und Kriegsgott war, daher es nicht auffallen kann daß dieser Gottesdienst neben seiner allgemeinen Geltung und dem gewöhnlichen Namen hin und wieder eigenthümliche und locale Formen und Namen angenommen hatte. In Rom entstand dadurch der alten Verdoppelung der beiden Stämme, der Latiner auf dem Palatin und der Sabiner auf dem Quirinal, entsprechend eine locale Verdoppelung des Marsdienstes, welche die römischen Alterthumsforscher wohl bemerkt haben, aber sich nicht zu erklären wußtenDionys H. II, 48 nach Varro: τὸν δ’ Ἐνυάλιον οἱ Σαβῖνοι καὶ παρ’ ἐκείνων οἱ Ῥωμαῖοι μαϑόντες Κυρῖνον ὀνομάζουσιν, οὐκ ἔχοντες εἰπεῖν τὸ ἀκριβὲς εἴτε Ἄρης ἐστὶν εἴτε ἕτερός τις ὁμοίας Ἄρει τιμὰς ἔχων· οἱ μὲν γὰρ ἐφ’ ἑνὸς οἴονται ϑεοῦ πολεμικῶν ἀγώνων ἡγέμονος ἑκάτερον τῶν ὀνομάτων κατηγορεῖσϑαι, οἱ δὲ κατὰ δυοῖν τάττεσϑαι δαιμόνων πολεμιστῶν τὰ ὀνόματα. Vgl. Plut. Rom. 29., während die Griechen den Mars gewöhnlich 327 in ihren Ares, den Quirinus in ihren Enyalios übersetzen, welche beiden Götter der griechischen Mythologie bekanntlich gleichfalls nur verschiedene Formen eines und desselben nationalen Kriegsgottes waren. Der historische Grund des Unterschieds war darin angedeutet, daß Quirinus für den Gott der mit T. Tatius von Cures nach Rom übergesiedelten und auf dem Quirinale angesiedelten Sabiner galtVarro l. l. V, 51 Collis Quirinalis ob Quirini fanum. Sunt qui a Quiritibus, qui cum Tatio Curibus venerunt Romam, quod ibi habuerint castra. Vgl. Fest. p. 254 Quirinalis. Nach Varro ib. 74 und Dionys II, 50 brachte T. Tatius die Verehrung des Quirinus nach Rom. Ueber die Lage des Tempels s. Liv. VIII, 20, Urlichs in der Beschr. d. St. Rom III, 2, 366, Becker Handb. 1, 569. Auch die p. Collina hieß mit einem andern Namen p. Quirinalis und auch in ihrer Nähe befand sich ein sacellum Quirini, Paul. p. 255.. An dem Abhange dieses Hügels, in der Gegend von S. Andrea, lag auch das alte Heiligthum des Quirinus und in seiner Nähe das des gleichfalls nationalen Gottes oder Halbgottes Dius Fidius, des sabinischen Hercules. Die große Wichtigkeit dieses Gottesdienstes für die ältere Zeit ist daran zu erkennen, daß Numa den Quirinus neben dem Mars unter die Götter seines Systems aufnahm und dem entsprechend auch dem flamen Quirinalis seine eigene Stelle unter den drei sogenannten Flamines majores anwiesVgl. oben S. 57 und Fest. p. 185 Quirinalis (flamen) socio imperii Romani Curibus adscito Quirino. Vgl. Liv. V, 39. 40 und Plut. Camill. 20, aus welchen Stellen zugleich hervorgeht, daß der fl. Quirinalis in der Nähe des t. Quirini wohnte. Selbst die Wohnung des Numa wurde von Einigen an den Quirinal verlegt, s. Plut. Num. 14, Solin. 1, 21. Galt Numa für den Stifter des Cultus des Quirinus, so ist das eben nur von der Einreihung dieses Gottes in sein Göttersystem zu verstehn, s. Dionys II, 63, wo der sabinische Gott wie später allgemein mit Romulus Quirinus verwechselt wird. Auch Mamurius, der Schmied der Ancilien, war am Quirinal zu Hause, s. oben S. 317, 707., ferner daran daß noch Tullus Hostilius dem Quirinus zu Ehren ein zweites Collegium der Salier stiftete (S. 314). Auch ist der flamen Quirinalis, der sich zur Zeit der Gallischen Noth um die Rettung der Heiligthümer der Vesta so verdient machte, immer ein sehr angesehener Geistlicher geblieben, und die Beibehaltung des Schwurs beim Mars und Quirinus in alten SchwurformelnVgl. oben S. 59, 64, Liv. V, 52, VIII, 9 und den Schwur des Drusus S. 81. Zu bemerken ist auch der alte Schwur Equirine d. i. beim Quirinus, wie Eiuno, Eccere, Ecastor, Paul. p. 81 und die altherkömmliche Cultusformel Quirinus Pater b. Ennius und Lucilius. sammt andern Merkmalen alter Tradition beweist, daß der Cultus auch hier conservativer war als die populäre Meinung, für welche Quirinus 328 bekanntlich später für identisch mit dem vergöttlichten Romulus galt. Durch diese Identification von zwei ursprünglich ganz verschiedenen Wesen ist denn freilich die Bedeutung des alten nationalen Stammgottes von Cures Quirinus eben so sehr verkürzt, als die des römischen Stadt- und Nationalheroen Romulus erhöht worden.
Gewisse Merkmale der alten Bedeutung und Geltung des Quirinus lassen sich indessen noch jetzt nachweisen. So ist wohl zu beachten daß der flamen Quirinalis außer dem Dienste des Quirinus am 25. Dec. mit den Pontifices ein jährliches Opfer am Grabe der Acca Larentia, ferner am 25. April das jährliche Opfer des Robigus, damit der Kornbrand nicht schade, zu bringen, endlich mit den Pontifices und den Vestalinnen zusammen am 7. Juli und 21. Aug. die Feier der Consualien zu besorgen hatteGellius VII, 7, 7, Ovid F. IV, 910, Tertull. de Spectac. 5.: lauter alte Gottheiten der Flur und des Erdbodens, so daß also auch Quirinus nothwendig in ähnlicher Weise ein Gott der Flur und des Ackerbaus gewesen sein muß als Mars. Dazu kommt die Verehrung der Hora Quirini und sogenannter Virites Quirini nach den Auszügen aus priesterlichen Gebetsurkunden bei Gellius (S. 50, 45), welche Namen gleichfalls auf einen Gott der Befruchtung, sowohl des Feldes als der Ehe deuten. Die Virites Quirini hängen nehmlich höchst wahrscheinlich mit virere und virescere zusammen, wie die S. 88 nachgewiesenen Virae Querquetulanae und die Vires der Diana (S. 278, 590) und ihr Schützling Virbius und Visidianus, der Schutzgott von NarniaTertull. Apolog. 24, Ad Nat. II, 8. Zu bemerken ist daß in jener Stelle des Gellius weder die Lesart Virites Quirini ganz sicher steht noch die Deutung als Plural, was auch von den Moles Martis S. 308, 674 gilt.. Die Hora Quirini aber, welche auch in den Annalen des Ennius vorkamBei Non. Marc. p. 120 Quirine Pater veneror Horamque Quirini. Bei Plut. Qu. Ro. 46 heißt sie Horta, welcher Name nach Antistius Labeo abzuleiten wäre ab hortando, die zu guten und löblichen Thaten ermahnende. Doch ist die Form Hora (b. Ennius Hōra, b. Ovid Hŏra) am besten beglaubigt. Nach Plutarch l. c. stand ihr Tempel immer offen, vgl. oben S. 155. Ueber den Namen der Hersilia s. S. 245., war den Andeutungen Ovids Met. XIV, 832 ff. zufolge identisch mit der Hersilia d. h. der zur Göttin gewordenen Gemahlin des Romulus Quirinus, welche auf den Romulus aber erst nach seiner Identificirung mit dem sabinischen Quirinus übertragen sein kann. Juno sagt dort zur Hersilia, wenn sie ihren Gemahl wiedersehn wolle, so solle sie mit ihr gehn zu dem 329 Haine, welcher dem Quirinus auf seinem Hügel grüneColle Quirino qui viret et templum Romani regis obumbrat. Vielleicht waren die Virites Quirini die Göttinnen dieses Hains, der wie gewöhnlich das älteste Heiligthum des Gottes war.. Als sie hingegangen sind, fällt ein Stern vom Himmel und auf den Scheitel der Hersilia, worauf sie verschwindet (vgl. oben S. 83) und von Romulus unter dem Namen der Hora Quirini in seinen Tempel aufgenommen wirdPriscum pariter cum corpore nomen mutat Horamque vocat, quae nunc Dea iuncta Quirino est.. Also eine Göttin gleich der sabinischen Nerio, der Gemahlin des Mars, welche auch zugleich als weiblich hingebend und als kriegerisch und neben dem Mars als Schutzgöttin der Ehe gedacht wurde (S. 303). Neben diesen Beziehungen zur Natur und Fruchtbarkeit aber wurde Quirinus wie Mars doch vorzugsweise als ein Gott der Waffen und des Kriegs gedacht und verehrtStat. Silv. V, 2, 129 humeris quatere arma Quirinus (monstrabit). Vgl. Fest. p. 217 persillum, so hieß im priesterlichen Sprachgebrauche ein eigenthümliches Gefäß, rudusculum picatum, ex quo unguine flamen Portunalis arma Quirini unguet.. Sein Bild scheint das eines bärtigen, in einem halb kriegerischen halb priesterlichen Schmucke dasitzenden Mannes gewesen zu seinAuf Münzen der Memmia der K. des Quirinus, würdig, langbärtig in gelockten Reihen, mit einem Myrten- oder Lorbeerkranz. Auf M. der Fabia (Pictor) Quirinus sedens d. apicem s. hastam et clypeum. Auf dem Schilde die Inschrift QVIRIN..
Plinius erzählt H. N. XV, 29, 36, daß vor dem alten Tempel des Quirinus lange zwei Myrten gestanden hätten, von denen die eine die patricische die andre die plebejische hieß. Viele Jahre habe die patricische Myrte ein fröhlicheres Wachsthum gehabt, während die plebejische verkümmerte, so lange eben der Senat oben auf und der gemeine Mann zurückgesetzt gewesen sei. Dann aber, während des Marsischen Kriegs, als die Demokratie die Aristokratie überflügelte, sei die plebejische Myrte auf einmal mächtig aufgeschossen, die patricische aber verwelkt und eingegangen. Diese beiden Bäume erinnern sehr an die beiden Lorbeern im Heiligthume des Mars in der Regia (Iul. Obseq. 78), und man darf wohl vermuthen, daß beide Pflanzungen, die Myrten vor dem T. des Quirinus und die Lorbeern im Heiligthume des Mars, sinnbildlich dasselbe bedeuten sollten, das fröhliche Gedeihen des vereinigten populus Romanus Quiritium unter dem Schutze der beiden alten Stammgötter: bis eine spätere Zeit bei jenen Myrten nicht mehr an die beiden Stämme der Vorzeit, 330 sondern an die feindlichen Stände der Patricier und Plebejer dachte. Der Apollinische Lorbeer bedeutete Reinheit und Erneuerung, die Myrte aber, das Laub der Venus, Befruchtung und Einigung; daher die Sage ging, daß die Römer und die Sabiner, als sie nach blutigem Streit zur Verbündung geschritten, sich beim Heiligthume der Venus Cluacina mit Myrtenzweigen gereinigt hätten. Wird doch selbst die Stiftung des Dienstes des Quirinus gewöhnlich auf jenen ältesten Bund und Vertrag zwischen den Römern und Sabinern und eben so der Name Quirites auf denselben ältesten Grundvertrag des römischen Bürgerrechtes und Stadtfriedens bezogenFest. p. 254 Quirites autem dicti post foedus a Romulo et Tatio percussum communionem et societatem populi factam indicant. Vgl. Plut. Rom. 29.. Vielleicht hängt es damit zusammen daß man später den Quirinus als einen ruhigen und friedlichen Gott dem Mars Gradivus geradezu entgegensetzte (Serv. V. A. I, 292).
Leider läßt sich die Zeit, wo der erhöhete Romulus und Quirinus zu einer Person verschmolzen, nicht näher bestimmen; jedenfalls kann es nicht eher geschehen sein als nachdem das Bewußtsein von jener ältesten Thatsache der römischen Geschichte, der Verdoppelung der Bürgerschaft durch Verbündung der Römer und Sabiner, verloren gegangen war. Seitdem ist Romulus Quirinus als alleiniger Stammheros an die Stelle der beiden alten Stammgötter eingerückt, wie die Formel Populus Romanus Quirites oder Quiritium ursprünglich eine Verdoppelung ausgedrückt hatte, aber später nur das eine Volk der römischen Bürger bezeichnete. Gewiß ist daß zur Zeit des Cicero und der Dichter des Augusteischen Zeitalters Romulus und Quirinus allgemein für dieselbe Person galtenOrelli Onomast. Tull. v. Quirinus. Wenn Cic. de Off. III, 10 sagt: Romulus fratre interempto sine controversia peccavit, pace vel Quirini vel Romuli dixerim, so ist das nur der gewöhnliche Unterschied zwischen dem sterblichen und unsterblichen Romulus. Virg. Ge. III, 27 victorisque arma Quirini. Aen. 1, 292 Remo cum fratre Quirinus. Ovid F. II, 476, III, 41, VI, 369 lituo pulcher trabeaque Quirinus. Iuvenal. XI, 105 geminos Quirinos von Romulus und Remus. Vgl. Plin. H. N. XV, 29, 36, Plut. Rom. 29 u. A..
Das jährliche Fest des Quirinus, die Quirinalia, fiel auf den 17. Februar, also in die Annäherung des Frühlings. Leider hören wir von demselben nur auf Veranlassung der Fornacalien, bei welchen denen, welche sich zu keiner bestimmten Curie 331 hielten, eine eigne Feier auf den Tag der Quirinalien angesagt wurde, welchen man deshalb auch den Festtag der Narren, Stultorum ferias nannteVarro l. l. VI, 13, Fest. p. 254 Quirinalia, Ovid F. II, 473 ff., vgl. Kal. Maff. und Farnes. 17 Febr.. Der alte Tempel des Quirinus wurde im J. 461 (293 v. Chr.) von L. Papirius Cursor nach einem Gelübde seines Vaters von neuem erbaut und mit den Spolien der Samniter und einer Sonnenuhr, der ersten in Rom geschmücktLiv. X, 46, Plin. H. N. VII, 60.. In diesem Tempel wurde, als Quirinus schon allgemein für den göttlichen Romulus galt, dem Cäsar als seinem Abkömmling eine Statue mit der Inschrift »dem unbesiegten Gotte« errichtetDio XLIII, 45. Daher Cicero ad Att. XIII, 28 den Cäsar einen contubernalis Quirini nennt.. Augustus, welcher sich gleichfalls für einen Abkömmling des Romulus hielt und sich gerne einen zweiten Romulus nennen hörte, stellte den durch Alter und Brand beschädigten Tempel des Quirinus noch einmal her, seit welcher Zeit (er wurde im J. 15 v. Chr. eingeweiht) das Gebäude ein sehr prächtiges und von einer doppelten Säulenhalle umgeben warDio LIV, 19, Vitruv. III, 2, 7, Becker Handb. 1, 569..