Poggio Fiorentino
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109.
Von der Pfiffigkeit eines Arztes beim Besuch von Kranken.

Ein unwissender, aber pfiffiger Arzt pflegte seine Kranken in Gesellschaft eines Schülers zu besuchen. Er fühlte ihnen, wie es üblich ist, den Puls, und wenn er merkte, daß es mit einem schlimmer stand, als sonst, schob er die Schuld auf den betreffenden Kranken und machte ihm Vorwürfe, daß er eine Feige oder einen Apfel oder sonst etwas, was er ihm verboten, gegessen habe. Da die Kranken das sehr häufig zugeben mußten, erschien er ihnen als ein göttlicher Mann, der auch die geheimen Verfehlungen seiner Patienten erriet. Hierüber geriet der Schüler sehr oft in Erstaunen und fragte eines Tages den Arzt, auf welche Weise er dahinterkomme, ob durch den Puls, oder durch die Berührung, oder durch welche andere höhere 111 Wissenschaft. Zum Dank für seine hohe Meinung enthüllte ihm der Arzt darauf sein Geheimnis. »Wenn ich in das Zimmer des Kranken trete,« sagte er, »schaue ich mich zuerst sorgfältig um, ob nicht der Rest irgend einer Frucht oder eines anderen Genußmittels auf dem Boden liegen geblieben sei, ob nicht z. B. die Schalen von Kastanien, Nüssen, Äpfeln, die Haut von Feigen oder dergleichen zu sehen. Ist dies der Fall, so nehme ich an, daß der Kranke davon gegessen habe, und wälze bei Krankheiten, die sich verschlimmern, alle Schuld auf dessen Unenthaltsamkeit, so daß man mich nicht dafür verantwortlich machen kann, wenn die Sache schief geht.«

Kurze Zeit darauf machte es der Schüler, der nunmehr selbst die Heilkunst ausübte, bei den Kranken vielfach ebenso, indem er sagte, sie hätten gegen seine Diätvorschriften verstoßen und das und das gegessen, was er gerade aus den Überresten schließen konnte. Einmal kam er zu einem armen Bauern, dem er sehr schnelle Heilung versprach, wenn er seine Anordnungen befolge, schrieb ihm eine bestimmte Menge Nahrung vor und versprach am folgenden Tage wiederzukehren. Als er aber wiederkam, fand er den Zustand des Kranken verschlimmert. Da ließ dieser törichte und ungebildete Mann, der die Ursache der Verschlimmerung nicht 112 kannte, seine Augen hierhin und dorthin schweifen, fand aber zu seiner Verwirrung keinerlei verdächtige Reste. Endlich entdeckte er unter dem Bette den Packsattel eines Esels. Da fing er plötzlich an loszuwettern, er begriffe jetzt endlich, warum es dem Kranken schlechter gehe; er habe sich einen groben Exzeß zu Schulden kommen lassen, und es sei ein Wunder, daß er noch nicht gestorben sei, da er trotz seiner Krankheit einen Esel verspeist habe. Er meinte, der Sattel sei der Überrest eines gekochten Esels, wie die Knochen die Überbleibsel des Fleisches. So in seiner ganzen Dummheit entlarvt, machte sich dieser Tropf bei allen, die davon erfuhren, unsterblich lächerlich.

 


 


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