Poggio Fiorentino
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185.
Ein Verleumder erhält eine sehr weise Antwort.

Luigi Marsili vom Augustinerorden, der vor nicht langer Zeit in Florenz lebte, war ein Mann von ausgezeichnetem Verstande und großer Gelehrsamkeit. Dieser alte Mann hatte einen armen Knaben, namens Giovanni, einen Landsmann von mir – ich habe ihn gekannt –, erzogen und in den Wissenschaften unterrichtet, so daß später ein sehr gelehrter Mann aus ihm wurde. Ein Mitschüler von ihm aus Florenz – der Alte hatte nämlich mehrere Schüler – fing, neidisch auf ihn, an, ihn heimlich bei seinem Lehrer anzuschwärzen, indem er behauptete, er sei undankbar und denke und spreche schlecht von seinem Wohltäter. Nachdem er dies mehrmals getan hatte, fragte ihn der Alte, der sehr klug war, einmal: »Seit wie lange kennst du den Giovanni?« Und als der Verleumder geantwortet hatte: »Ich kenne ihn nicht länger als ein Jahr«, sagte Luigi: »Ich wundere mich, daß du dich für so weise hältst und mich für so dumm, daß du glaubst, den Charakter und die Sitten des Giovanni nach einem Jahre besser zu kennen, als ich nach zehn Jahren.« Eine sehr weise Antwort, welche die Bosheit des Verleumders strafte und 190 die Treue des Jünglings anerkannte. Wenn mehr Leute es so machten, würden der Neid und die Verleumdung weniger Erfolg haben.

 


 


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