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Daniel besuchte das Gymnasium in Ansbach. Er sollte nur die Berechtigung zum einjährigen Heeresdienst erwerben und dann in eine kaufmännische Stellung eintreten. So hatte es Jason Philipp mit Marianne ausgemacht.
Er zeigte nur geringen Eifer. Die Lehrer schüttelten die Köpfe über ihn. Ein so beschaffenes Wesen hatten sie trotz ansehnlicher Welterfahrung noch nicht kennen gelernt. Das Brüllen einer Kuhherde und der Lärm des Spatzenvolks fanden ihn williger lauschend als die bewährtesten Leitsätze der Grammatik. Viele hielten ihn für dumm, einige andere für tückisch. Seinen Weg durch die Klassen machte er, obgleich mit Not, durch eine wunderbare Fähigkeit des Erratens und in besonders kritischen Momenten durch die Hilfe und den Fürspruch des Kantors Spindler.
Die Familien, bei denen er die Wohltat des Freitisches genoß, beklagten sich über seine schlechten Manieren. Die Gerichtsrätin Hahn hatte ihm wegen einer flegelhaften Antwort das Haus verboten. »Habenichtse müssen demütig sein,« rief sie ihm zu.
Kantor Spindler war ein Mann, der mit Fug von sich behauptete, daß er zu Größerem bestimmt gewesen, als in einer Kreisstadt zu versauern; seine weißen Locken umrahmten ein Gesicht, welches durch die Melancholie um den Untergang von Idealen und Illusionen geadelt wurde.
An einem Sommermorgen hatte er sich mit der frühen Sonne erhoben und war über Land gegangen. Wie er nun beim Dorf Dautenwinden an die erste Scheune kam, sah er eine Musikantengesellschaft, die am Abend vorher und bis in die Nacht zum Tanz aufgespielt hatte und nun, aus dem Heu sich erhebend, die Fasern von Kleidern und Haaren strich. Und droben, unter dem offenen Giebel der Scheune, lag Daniel Nothafft im Stroh und versuchte der Flöte, um die er einen der Musikanten gebeten hatte, mit vertiefter und hingegebener Miene eine Melodie abzulocken.
Der Kantor blieb stehen und schaute hinauf. Die Musikanten lachten, aber er nahm an ihrer Heiterkeit keinen Teil. Es dauerte lange, bis der ungeschickte Flötenbläser ihn gewahrte, dann kletterte er herunter und wollte sich mit einem scheuen Gruß davonstehlen. Der Kantor trat ihm in den Weg. Sie gingen zusammen, und Daniel erzählte, daß er sich seit dem gestrigen Nachmittag von den Musikanten nicht habe trennen können. Der Vierzehnjährige vermochte es nicht auszudrücken, aber es war, als habe ihn eine höhere Macht gezwungen, dieselbe Luft mit Menschen zu atmen, die Musik machten.
Von dem Tag an, drei Jahre lang, kam Daniel in jeder Woche zweimal zum Kantor, der ihn aufs gründlichste in der Lehre von Kontrapunkt und Harmonik unterrichtete. Diese Stunden hatten Beflügelung und Weihe. Der Kantor fand ein eigenes Glück darin, eine Neigung zu nähren, deren Entfaltung ihm wie Lohn für viele Jahre echoloser Einsamkeit erschien. Die verzweifelte Leidenschaft, das Aufbäumen und dumpfwilde Rasen, die ihm sowohl aus dem Wesen wie auch aus den ersten Kompositionsversuchen seines jungen Schülers entgegenschlugen, gaben sie ihm gleich Anlaß zur Sorge, wollte er immer wieder durch den Hinweis auf die hochruhenden Muster und Meister der Kunst beschwichtigen.
Und so kam die Zeit, wo Daniel sein Brot verdienen sollte.