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Alfons Diruf war fett und finster. Er trug Anzüge nach Pariser Schnitt, und am Goldfinger seiner linken Hand befand sich ein feuerstrahlender Solitär.
Seit die Gesellschaft Prudentia die sogenannte Arbeiter-Assekuranz eingeführt hatte, standen fünfundzwanzigtausend Schreiber mehr als früher in ihrem Sold, und Diruf befehligte für seinen Teil sieben Dutzend. Diese sieben Dutzend saßen bleich und schweigsam in drei Sälen eines Hauses in der Fürther Straße, indes er selbst in seinem Privatkabinett weilte, das dem Boudoir einer Modedame glich, blaue Damastvorhänge, eine badende Nymphe von Thumann hatte und nach Moschus roch.
Drei bis viermal im Verlauf eines Tages verließ er das schöne Retiro und wandelte mit der Miene tiefen Ekels durch die Säle. Da duckten sich alle Köpfe, alle Hände huschten flinker über das Papier, alle Füße hörten auf, zu scharren, und jedes Flüstern erstarb.
Es hatte den Anschein, als verachte er sein Amt, aber in Wahrheit liebte er es. Er liebte die Schreiber um ihres sklavischen Gehorsams und ihrer verhungerten Gesichter willen. Er liebte sie dafür, daß sie jeden Morgen pünktlich kamen, jeden Abend müde gingen und Tag um Tag, Jahr um Jahr dasaßen und schrieben, schrieben, schrieben.
Er liebte die Inspektoren dafür, daß sie Tag um Tag und Jahr um Jahr sich einem elenden Lohn zuliebe plagten. Er liebte die Hunderte von Agenten und Unteragenten, die es der Gesellschaft möglich machten, täglich Hunderte von Policen auszustellen. Er liebte ihre schmutzigen Kleider und Stiefel, ihre provisionslüsternen Blicke, ihre doppelzüngigen Reden und ihre traurigen Physiognomien.
Das Lockmittel der Arbeiter-Assekuranz waren kleine Versicherungssummen und kleine Prämien. Dadurch sollte der kleine Mann zur Sparsamkeit erzogen werden; die Regel aber war, daß der kleine Mann zu spät, wenn er sich durch Vertrag gebunden hatte, erfahren mußte, daß der Agent mehr versprochen hatte, als die Gesellschaft halten konnte. Er verlor den Glauben, der karge Wochenlohn ließ ihm nicht immer so viel übrig, daß er die Prämie regelmäßig zu zahlen vermochte, mit jeder Woche wurde es schwerer, das Versäumnis nachzuholen, und endlich hatte die Police keine Wirkungskraft mehr. Alles Geld, das er gezahlt hatte, war verfallen.
So gelangte die Gesellschaft in den Besitz von Millionen. Es waren die Pfennige der Ärmsten, aus denen sich diese Millionen ansammelten; die Pfennige der Ärmsten, die die Dividenden in die Höhe trieben, das Heer der Schreiber beständig vergrößerten und die Beutel der Agenten füllten.
Die Agenten wurden unter dem Abschaum der bürgerlichen Welt geworben. Da waren Bankrotteure und verbummelte Studenten, Spieler und Trinker, Invaliden und Armenhäusler, vom Unglück Verfolgte und vom Verbrechen Gezeichnete. Keiner war zu gering, keiner zu schlecht.
Weil jedoch Alfons Diruf sah, daß es dem Ruf der Gesellschaft förderlich war, wenn er einige angesehene Bürger neben den Auswürflingen hatte, so ging er hin und warb in eigener Person Werber. Er kam auch zu Jason Philipp Schimmelweis.
»Es ist eine Goldgrube,« sagte er; »Sie arbeiten für einen idealen Zweck und haben einen sehr realen Nutzen. Ideale, die einem nichts eintragen, sind ohnehin blödsinnig.« Und er blies den Rauch seiner Havannazigarre durch die Nüstern.
Jason Philipp begriff. Es war unnötig, dem Volksmann und dem Politiker in ihm noch besonders zu schmeicheln. Er lief sich für die Arbeiter-Assekuranz die Beine müd, und Alfons Diruf liebte nun auch den sozialistischen Buchhändler in seiner Art.
Da sah aber Inspektor Jordan, daß die zahllosen Provisionstiger ihm sein Arbeitsfeld verwüsteten und seine Kunden im wohlhabenden Bürgertum mißtrauisch machten. Er erlahmte, und das Direktorium sandte wegen seiner abnehmenden Leistungsfähigkeit an Alfons Diruf tadelnde Memoranden.