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Der Tag der Trauung kam. Morgens um halb zehn Uhr erschien Daniel in der Inspektorswohnung, im Gehrock und Zylinderhut, verdrossen und verrucht anzuschauen, ein Bild des Jammers.
Der Weltmann Benno war genötigt, das Zimmer zu verlassen und fiel draußen vor Lachen auf eine Wäschetruhe. Er billigte diese Heirat nicht; er schämte sich ihrer vor seinen Freunden.
Gertrud trug einen einfachen Straßenanzug und einen der kleinen Jungfrauenhüte, welche die Mode vorschrieb. Sie saß am Tisch und schaute mit großen Augen vor sich hin.
Lenore trat mit einem Myrtenkranz ins Zimmer. »Den sollst du aufsetzen, Gertrud,« sagte sie, »nur zum Schein für uns, damit man doch das Gefühl hat, du bist eine Braut. Sonst ist's ja gar zu nüchtern mit eurem Standesamt.«
»Wo hast du den Kranz her?« fragte der Inspektor.
»In einer Kiste hab ich ihn gefunden; es ist Mutters Brautkranz.«
»Ach, ist es Mutters Brautkranz? wirklich?« murmelte der Inspektor und betrachtete den Kranz, der vergilbt war.
»Setz ihn doch mal auf,« bat Lenore wieder, aber Gertrud, mit einem Blick auf Daniel, weigerte sich.
Da ging Lenore zum Spiegel und setzte sich selbst den Kranz aufs Haar.
»Tu das nicht, Kind,« warnte der Inspektor, wehmütig lächelnd; »das abergläubische Volk sagt, man muß Jungfer bleiben, wenn man den Kranz einer andern trägt.«
»So bleib ich eben Jungfer und bleib's gern,« erwiderte Lenore.
Sie drehte sich vom Spiegel halb unbewußt zu Daniel. Das Blond ihrer Wimpern erschien fast grau, das Rot der Lippen wurde durch das Lächeln in viele Teilchen zerstückelt, und der Hals war wie etwas Flüssiges und zugleich Entkörpertes.
Daniel sah dies alles. Sein Blick umfaßte die Undinengestalt des Mädchens. Ihm war, als habe er sie in den Tagen seit ihrer Rückkehr überhaupt nicht gesehen; als habe er nicht gesehen, daß sie reifer, schöner, süßer geworden war. Auf einmal verspürte er einen Schrecken, daß ihm die Knie wankten. Wie ein Blitz durchschoß es ihn: da ist es ja, was ich vergessen hatte! da ist das Antlitz, die Figur, das Auge, die Bewegung, da steht es lebendig vor mir, und ich Narr, ich unsäglicher Narr, war mit Blindheit geschlagen!
Gertrud ahnte dumpf den unheilvollen Vorgang. Sie erhob sich und schaute Daniel entsetzt an. Er aber eilte zu ihr hin, als ob er flüchte, und packte ihre Hände. Lenore, im Glauben, sie habe durch ein Wort oder eine Gebärde Daniels Mißfallen erregt, riß den Myrtenkranz vom Haupt.
Der Inspektor hatte diesen Geschehnissen keine Beachtung geschenkt. Sein ruheloses Auf- und Abwandern endend, zog er die Uhr und sagte, es sei wohl an der Zeit, daß man gehen müsse. Lenore, die schon den ganzen Morgen über ein geheimniskrämerisches Wesen gezeigt hatte, bat um Geduld, und ehe man sie nach dem Grund fragen konnte, läutete es, und sie lief hinaus.
Mit strahlender Miene kehrte sie zurück, und Marianne Nothafft folgte ihr. Mühsam hielt sich Marianne gefaßt und sah sich halb schüchtern, halb forschend im Kreise um.
Mutter und Sohn standen stumm vor einander. Das war Lenores Werk.
Marianne sagte, sie wohne bei ihrer Schwester Therese. Den Abend zuvor war sie gekommen, heute wollte sie wieder nach Hause zurückkehren.
»Ich bin froh, Mutter, daß du da bist,« sagte Daniel mit erstickter Stimme.
Marianne legte ihre Hände auf seinen Scheitel, hierauf schritt sie zu Gertrud und tat ein Gleiches bei ihr.
Nach der Trauung bewirtete der Inspektor seine Kinder und Marianne. Am Nachmittag fuhren sie alle in zwei bestellten Kutschen auf den Schmausenbuk. Daniel hatte seine Mutter noch nie so heiter gesehen, aber durch keine Bitte war sie zu bewegen, ihren Aufenthalt zu verlängern, und während des Redens darüber wurden zwischen ihr und Lenore vertraute Blicke getauscht.
Als der Abend angebrochen war, begaben sich Daniel und Gertrud in ihr Heim.