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Marie in die Kniee gebrochen vor einem halben Knaben, die stolze Marie, seine Marie, das Bild wird Kerkhoven nicht los; es verfolgt ihn und schraubt sich ihm ins Hirn. Wie konnte sich dies ereignen, was für eine Bezauberung war da am Werk, er muß es wissen, sie muß ihm Rede stehen, schon beim nächsten Gespräch fragt er sie danach. Es ist spät am Abend, sie sind im Wohnzimmer, alles schläft im Hause, Marie sitzt im Lehnsessel, er kauert auf einem Schemel vor ihr und hält ihre eiskalte Hand in seiner, sie blickt lange stumm in sein Gesicht, dann kommt wieder die schreckliche euphorische Trunkenheit über sie, die ihre Züge so verändert als spiele sie eine eingelernte Rolle, und sie sagt: »Verstehst du denn nicht ? die Kraft... die Unberührtheit, die Anmut in allem... man kanns nicht beschreiben... hauptsächlich die Anmut... in der Liebe ist das ja so selten... bei einem Mann... versteh doch... wenn einer so... so intakt ist...«
Schwer zu ergründen, warum ihn gerade der Ausdruck »intakt« so verletzt und erschreckt, wenn auch zugegeben werden muß, daß ihn jeder andere genau so empfindlich getroffen hätte. Es hängt wohl mit den eingerosteten Vorstellungen zusammen, die wir vom Charakter eines Menschen haben, daß gewisse unerwartete Äußerungen zu aufgerissenen Fenstern werden können, durch die ein blendendes Licht auf Dinge fällt, die wir ein Leben lang übersehen haben. Plötzlich wird etwas Anschauung, was wir vorher nur dumpf gewußt haben. Der Mann, der die aufbauende Macht der Phantasie verkündet und sie als wesentliche Hilfe in seine Heilmethode einzubeziehen getrachtet hat, muß jetzt ihre Unlenkbarkeit und Willkür am eigenen Leib erfahren, da sie ihm Szenen ausmalt, an denen er leidet wie an einem unauslöschlichen Schimpf. Er muß sehen, sehen, ohne die geringste Möglichkeit, die Bilder vom inneren Auge wegzutun, ohne vergessen zu können. Er muß sehen, wie sie einander in die Arme stürzen; wie sie mit begehrlichen Blicken einander betrachten; wie sie der Liebkosungen nicht satt werden; wie sie die verabredeten heimlichen Wege gehen... aber das sind nur die Vorspiele. In einer seltsamen Art umgekehrter Lust und Lüsternheit weiß er, sieht er zu, wie sie die Kleider vom Leib streifen, wie sie einander umschlingen, erlebt das Nach und Nach ihrer Entflammung, Gipfel und Mattigkeit, Anklammerung und wollüstigen Krampf; ein gehässiges, häßliches Wort bietet sich ihm dafür an: hecken, sie hecken; sie wühlen sich ins ehebrecherische Nest und hecken. Alle diese Gesichte, einzeln und zusammen, umlagern, verhöhnen, vergiften, erdrosseln ihn; sein Geist, sein Herz, was an ihm nur irgend lebt, saugt sich mit einer rasenden Eifersucht voll, die sich vom Vergangenen nährt, die ihn ruhelos macht wie einen Verrückten und den Geist mit Finsternis schlägt.