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Am Nachmittag kam er noch einmal für eine Stunde. Um halb elf Uhr abends begleitete er sie zur Bahn. Er gab ihr bestimmte Verhaltungsmaßregeln, falls sich seine Voraussage über Alexander Herzog bestätigte. Er sprach auch ausführlich mit ihr über ihre eigenen Schwächezustände und nervösen Störungen und namentlich, mit einer ihr fast unbegreiflichen Kenntnis der faktischen und seelischen Hintergründe, über jene Frau, Ganna Herzog, und ihre vernichterischen, manischen Umtriebe gegen Alexander und Bettina. Er erzählte ihr die Geschichte von Karl Imst und Jeanne Mallery, um ihr zu zeigen, in welche äußerste, schwärzeste Finsterkeit ein Weib versinken könne, wenn Liebes- und Lebensenttäuschung alle menschlichen Regungen in ihr ersticken. Bettina schauderte. »Aber hier ist es doch anders,« wandte sie ein; »er hat neunzehn Jahre mit der Frau gelebt. Er hat sich um sie gemüht, er hat sie getragen, er hat kein Opfer gescheut. Sie hat drei Kinder von ihm. Er ist ein Mann, der etwas bedeutet in der Welt, auf den viele Menschen gläubig blicken... ist der Gedanke zu ertragen, daß eine Besessene die Macht haben soll, ihn einfach zu morden?« – Kerkhoven mochte ihr nicht gestehen, daß sie damit den Punkt seines tieferen psychologischen Interesses berührte. Er hatte die Witterung für das Außerordentliche. Bettinas Aussehen, ihre Art zu sprechen, zu schauen, sich zu geben, Alexander Herzogs Flucht, der Brief, den er an seine Frau gerichtet, das alles setzte ihn als Arzt in den Stand, die Umrisse der dämonischen Figur nachzuzeichnen, die das Leben dieser beiden Menschen mit solchem Unfrieden, solchem Leid, solchem Schrecken erfüllte. Er hatte bei derartigen Phänomenen von den seelischen Wirkungen aus häufig die Natur und den Aktionsradius des Urhebers feststellen können; er schloß vom Rande der Bewegung auf die Mitte der Bewegung. Die Probe hatte fast immer gestimmt. Und wenn er diesen Fall mit all seinen Ausstrahlungen und mittelbaren Erschütterungen erwog, mußte er sich sagen, daß da ein schwieriges Werk seiner harrte.
Bettina konnte nur immer wieder ihren Dank stammeln. Als sie sich von Kerkhoven verabschiedet hatte und sich in ihr Abteil begab, hatte sie das Gefühl der schmerzlichen Trennung von einem Freund. Er blieb auf dem Bahnsteig stehen und winkte bis die Nacht den Eisenbahnzug verschluckt hatte.