Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Cäsar Borjas Ohnmacht

        Wer bin ich? Einer, welcher unterging,
Den Kranz im Haar, den Becher in der Faust,
Mit einem herkulanischen Gelag
Von einem ungeheuren Sturz bedeckt?
Ich weiss den Becher nur und meinen Sturz ...
Im Belvedere ... Gestern ... Am Bankett ...
Den Becher, ihn kredenzte schlürfend mir
Der Papst, der ewig heiter lächelnde,
Denn Cäsar Borja bin ich, Sohn des Papsts!

Die Ampel über meinem Lager kämpft
Mit eines neuen Tages fahlem Schein ...
Obs gestern oder ehegestern war,
Ich weiss es nicht, doch eines weiss ich wohl:
In jenem Becher gor der Borja Gift.
Er galt dem Gast, dem Bischof. Selbst gewürzt
Hat sich der Vater ewgen Schlummers Trunk!
Ein Becher ward verwechselt. Warum nicht?
Verrat des Schenken? Zufall? ... Es geschah.
Ich lebe. Meine Drachenkraft bezwang
Das Drachengift. Die Stunde ruft. Zur Tat!
Leer steht ein Thron, und eine Krone rollt.
Verbraucht ist das Apostelmärchen. Weg
Damit. Der Vater war der letzte Papst!
Ein König folgt ihm nach, und der bin ich.
Entscheidungsstunde, nicht erschreckst du mich,
Ich habe lange dich voraus bedacht:
Entlarve mir dein kühnes Angesicht!
Du heissest Heute! Kämmrer, gib das Schwert!
Reif stehn die Ernten und die Sichel blitzt.
Marsch, meine Banden! Richtet das Geschütz
Auf des Konklave Kammern! Suchst du mich,
Hauptmann? Im Borgo, sagst du, wird gekämpft?
Ich komme! Ich vertausendfache mich!
Ich steige mordend auf das Kapitol
Und mit Italiens Krone krön ich mir
Dies Haupt, das seine Frevel überragt!

Ich träume nur und komme nicht vom Platz.
Sturmlaufend bleib ich eingewurzelt stehn.
Gelähmte Sehnen! Meuchlerisches Gift!
Auf einem Krankenlager krümm ich mich.
Kein Diener hier! Kein Arzt an meinem Pfühl!
Mietlinge! Meine Stunde schwebt vorbei,
Mit fliehndem Fuss berührt sie spottend mir
Die Faust, die ein erdichtet Schwert umkrampft.
Verweile, Schicksalsstunde! ... Doch sie schwebt.
Ich fühle meiner Feinde heimlich Werk:
Sie schaufeln, sie minieren, während ich,
Geschleudert aus der Schranke, liege ... Dort!
Die grüne Feuerkugel! Ein Signal
Von meinen Banden? Nein, ein Meteor
Zuckt flüchtig durch die schwüle Sommernacht.
Hier über Romas Kuppeln loht es auf:
Nahn fackelschwingend meine Banden sich?
Nein, es ist Borjas Glück, das flammt und brennt,
Und seine Zinnen stürzen! Wehe mir!
Dem Valentino netzt die Wimper sich ...
Pfui! Ist das eines Weibes Augenlid?

Verzweiflung! Göttin! Stähle meinen Leib!
Ich winde mich von meinem Lager auf,
Ich schreite ... qualvoll ... doch ich schreite. Bei
Der nackten Hölle, Sehnen, strammet euch! ...
Verdammnis! ... Wieder lieg ich hingestreckt ...
Und ein erdolchter Knabe fesselt mich
Mit Ringen an den Stein ... Dort gafft ein Weib,
Die Haare triefend, mit geschwollnem Hals ...
Blutlose Brut! Weg in des Tibers Grab! ...
Aus allen Wänden quillt es schwarz hervor
Und dunkelt über mir ... Unsagbar Graun ...

 


 


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