Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Das Strandkloster

        Bollwerk und Mauer trutzen
Dem Wellenwurf schon ein Jahrtausend ja,
Wir singen, elf Kapuzen
Ein kräftig schallend Deo Gloria!

Die Kutten, stark gewoben
Umhingen uns in braunen Lappen lang
Sie sind gemach verstoben
Die Stäubchen irren durch den Klostergang.

Die Orgel im Empore
Spielt unser zwölftes totes Brüderlein
Hier rieselt uns im Chore
Der morsche Kalk sanft ins Geripp herein.

Es glitt vor tausend Jahren
Dem Strand ein Sarazenensegel nah
Sobalds vorbeigefahren
Anstimmten wir ein kräftig Gloria.

Ergötzt von unserm Singen
Nahm der Pirat zu uns zurück den Lauf,
Zwölf Köpfe liess er springen
Das Blut schoss wie aus Brunnenröhren auf.

Wir singen ohne Kehlen
Wir sitzen fröhlich ohne Schädel da,
Wir singen mit den Seelen
Ein kräftig schallend Deo Gloria!

Der Morgenstrahl, der schiefe
Durchs rechte Fenster äugelt er herein
Vergoldend in der Tiefe
Ein lustiglich psallierend Totenbein.

Der Abendstrahl, der schräge
Durchs linke Fenster blinzelt er herein
Und zählt, ob allewege
Wir richtig unser elf Gespenster sein.

Oft übertäubt das Dröhnen
Des Meers die Noten unsrer Litanei
Aus unsern Orgeltönen
Erhebt sich oft ein schriller Möwenschrei –

Bollwerk und Mauer trutzen
Dem Wellenwurf noch tausend Jahre ja,
Wir singen, elf Kapuzen
Ein kräftig schallend Deo Gloria!

 


 


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