Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus!

        Tag, schein herein! Die Kammer steht dir offen!
Holdselger Lenzesmorgen, schein herein!
Schon glitzert, von der Sonne Strahl getroffen
Das Tintenfass, der eichne Bücherschrein.
Vogt Winter muss dem Lenze Rechnung geben,
Dem schönen Erben, über Hof und Haus –
Auch mir zugut geschrieben ist ein Leben –
Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus!

Ich war von einem schweren Bann gebunden.
Ich lebte nicht. Ich lag im Traum erstarrt.
Von vielen tausend unverbrauchten Stunden
Schwillt ungestüm mir nun die Gegenwart.
Aus dunkelm Grunde grüne Saat zu wecken,
Bedarf es Sonnenstrahles nur und Taus,
Ich fühle, wie sich tausend Keime strecken.
Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus!

Ein Segel zieht auf wunderkühlen Pfaden,
In Fluten dunkel spiegelt sich der Tag.
Was hat die Barke dort für mich geladen?
Vielleicht ists etwas, das mich freuen mag!
Entgegen ihr! Was wird die Barke bringen
Durch blauer Wellen freudiges Gebraus?
Entgegen ihr! Mit weitgestreckten Schwingen!
Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus!

 


 


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