Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Jung Tirel

                »Jung Tirel, fuhrest über See?
Jung Tirel, mir willkommen hie!
Sahst du so dunkle Forste je?
So stolze Forste sahst du nie!

Ein englisch Wild erst umgebracht!
Dann geb ich dir ein englisch Lehn!«
Jung Tirel, dem das Herze lacht,
Lässt seine blanken Zähne sehn.

»Wer heut den besten Schuss mir tut,
Den Achtzehnender mir erlegt,
Der nehme sich als Lehensgut
Den Königsforst, der ihn gehegt!

Zuschwör ich dirs auf diesen Bart,
Der feuerrot die Brust mir deckt!
Zu Wald! Zu Wald! Der Rappe scharrt!
Die Bracke spürt! Der Rüde bleckt!«

Herr Wilhelm stösst ins Jägerhorn,
Ein Geier krächzt in seinem Horst,
Die Wipfel peitscht ein dunkler Zorn,
Es braust und tost. Dann schweigt der Forst.

Herr Wilhelm schlägt mit Tirel Rat:
»Ich links, du rechts! Fort! Gute Birsch!«
Es knirscht das Laub, darauf er trat.
In heller Lichtung äst ein Hirsch:

Ein Rothirsch, der vier Ellen misst,
Dass sich ein Jägerherze freut,
Der dieses Forstes König ist,
Mit weit verästetem Gestäud.

Her raunts aus Waldesfinsternis
Zu Tirel, der sich duckt ins Moos:
»Verdammt, dass mir die Sehne riss!
Drück du in Teufels Namen los!«

Herr Tirel lauscht. »Wer sprach das Wort?«
Ein Weilchen schweigts im Laubesdach.
»Schiess, Tirel!« raunts von anderm Ort.
Er schiesst. Genüber stöhnt ein Ach.

Herr Tirel, das war schlimme Birsch!
Im Dickicht rinnt ein Bächlein rot.
Ihr fehltet Englands grössten Hirsch
Und schosset Englands König tot.

 


 


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