Conrad Ferdinand Meyer
Gedichte
Conrad Ferdinand Meyer

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Conquistadores

            Zwei edle Spanier halten Wacht
Und einer spricht zum andern:
»Señor, mir deucht, der Teufel lacht,
Wie wir ins Leere wandern!
Das Segel bauscht, es rauscht der Kiel,
Noch keines Strandes Boten –
Die Hölle treibt mit uns ihr Spiel,
Wir fahren zu den Toten!

Wer einem Genuesen traut
Hat den Verstand verloren!
Die Klugen hat er schlecht erbaut,
Doch lockt' er alle Toren –
Rund sei die Erde, log er mir
Wie Pomeranzenbälle,
Doch unermesslich flutet hier
Nur Welle hinter Welle!«

Der andre blickt ins Meer hinaus
Und runzelt finstre Brauen:
»Señor, mich zog Columb ins Haus,
Liess mich die Karten schauen,
Was er doziert', verstand ich nicht,
Ich liess es alles gelten –
Sein übermächtig Angesicht
Verhiess mir neue Welten!

Ist er ein Narr und haben wir
Uns in das Nichts verlaufen,
Ein räudger Hund, Señor, wie Ihr,
Darf fröhlich mit ersaufen!«
– »Señor, da betet Ihr nicht gut!
Zurück Euch in den Rachen
Den räudgen Hund! Ihr raucht von Blut
Und risset aus den Wachen!«

»Señor, ich dolcht ein falsches Weib
Bekenn ich unverhohlen!
Nicht hab dem Bäcker einen Laib
Vom Brett ich weggestohlen!
Señor, Ihr seid ein Galgenstrick!«
– »Señor, Ihr seid nicht besser!«
Sie ziehen mit entflammtem Blick
Und kreuzen blanke Messer ...

Da zwischen ihre Messer walzt
In tollem Freudensprunge,
Mit ölgetränkten Fingern schnalzt
Miguel, der Küchenjunge.
Er drückt die Lider blinzelnd ein
Mit schlauem Wimperzwinken,
Bald hüpft er auf dem rechten Bein,
Bald hopst er auf dem linken.

In Lüften bläht sich sein Gewand,
Es puffen ihm die Hosen –
Neugierig kommen hergerannt
Soldaten und Matrosen.
Der Junge redet kunterbunt,
Als obs im Kopf ihm fehle,
Dann öffnet er den grossen Mund
Und singt aus voller Kehle:

»Das Heimchen zirpt! Das Heimchen zirpt!
Stimmt Laudes an und Psalmen!
Und wenns mir nicht vor Freude stirbt,
Bald weidets unter Halmen!
Ich schwör es euch bei Gottes Haupt:
Es atmet duftge Weiden,
Es wittert Wälder dichtbelaubt
Und unermessne Heiden!

Erlauchte Herren, gebet acht,
In meinem engen Räumchen
Hat unsre Meerfahrt mitgemacht
Ein andalusisch Heimchen –
Mitnahm ichs aus dem Vaterland,
Mich scheidend zu beschenken,
Ich fings mit flinkem Griff der Hand
Zu meinem Angedenken.

Da wir zu Schiffe stiegen dort,
Die Zierden aller Lande,
Zirpt' Heimchen mir im Busen fort,
Als weidets noch am Strande.
Das grüne Vorgebirg verschwand,
Dem Heimchen ward es schaurig,
Beklommen sass es an der Wand
Und wurde faul und traurig.

So darbts und dämmerts lange Zeit,
Schon gab ich es verloren,
Und nun, bei meiner Seligkeit,
Ist Heimchen neugeboren!
Bedenkt, es hockte gram und lahm
An Dielen und an Wänden,
Jetzt jubelts wie ein Bräutigam
Und kann nun gar nicht enden!«

Miguel ist fort und wieder da,
Die Fingerspitze zeigend:
Da sitzt es ja! da singt es ja!
Die Spanier lauschen schweigend –
Dann sinnen sie der Sache nach,
Den Lustgesang im Ohre,
Sie schütteln sich die Hände jach
Und schrein in wildem Chore:

»Das Heimchen zirpt! Das Heimchen zirpt!
Bald schwelgen wir in Beute!
Wer spielt, gewinnt! Wer wagt, erwirbt!
Wir sind gemachte Leute!
Die Küste winkt! Das Gold erblinkt,
Davon die Sagen melden!
Das Morgen steigt! Das Gestern sinkt!
Wir sind berühmte Helden!«

 


 


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