- Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
ich mich in einen finstern Wald verschlagen,
Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.
- Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not;
Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.
- Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;
Doch um vom Heil, das ich drin fand, zu künden,
Sag’ ich, was sonst sich dort den Blicken bot.
- Nicht weiß ich, wie ich mich hineingewunden,
So ganz war ich von tiefem Schlaf berückt,
Zur Zeit, da mir der wahre Weg verschwunden.
- Doch bis zum Fuß des Hügels vorgerückt,
Der an dem Ende lag von jenem Tale,
Das mir mit schwerer Furcht das Herz gedrückt,
- Schaut’ ich empor und sah, den Rücken male
Ihm der Planet, der uns auf jeder Bahn
Gerad zum Ziele führt mit feinem Strahle.
- Da fingen Angst und Furcht zu Schwinden an,
Die mir des Herzens Blut erstarren machten,
In jener Nacht, da Grausen mich umfah’n.
- Und so wie atemlos, nach Angst und Schmachten,
Schiffbrüchige vom Strand, entfloh’n der Flut,
Starr rückwärts schauend, ihren Grimm betrachten;
- So kehrt’ ich, noch mit halberstorbnem Mut,
Mich jetzt zurück, nach jenem Passe sehend,
Der jeglichem verlöscht des Lebens Glut.
- Und, etwas ausgerastet, weitergehend,
Wählt’ ich bergan den Weg der Wildnis mir,
Fest immer auf dem tiefern Fuße stehend.
- Sieh, beim Beginn des steilen Weges schier,
Bedeckt mit buntgeflecktem Fell die Glieder,
Gewandt und sehr behend ein Panthertier.
- Nicht wich’s von meinem Angesichte wieder,
Und also hemmt es meinen weitern Lauf,
Daß ich mich öfters wandt’ ins Tal hernieder.
- Am Morgen war’s, die Sonne stieg itzt auf,
Von jenen Sternen, so wie einst, umgeben,
Als Gottes Lieb’ aus ödem Nichts herauf
- Die schöne Welt berief zu Sein und Leben;
So ward mir Grund zu guter Hoffnung zwar
Durch jenes Tieres heitres Fell gegeben
- Und durch die Frühstund’ und das junge Jahr
Doch so nicht, daß in mir nicht Furcht sich regte,
Als furchtbar mir ein Leu erschienen war.
- Es schien, daß er sich gegen mich bewegte,
Mit hohem Haupt und mit des Hungers Wut,
So daß er Schrecken, schien’s, der Luft erregte.
- Auch eine Wölfin, welche jede Glut
Der Gier durch Magerkeit mir schien zu zeigen,
Die schon auf viele schweren Jammer lud.
- Vor dieser mußte so mein Mut sich neigen
Aus Furcht, die bei dem Anblick mich durchbebt,
Daß mir die Hoffnung schwand, zur Höh’n zu steigen.
- Wie der, der eifrig zu gewinnen strebt,
Wenn zum Verlieren nun die Zeit gekommen,
In Kümmernis und tiefem Bangen lebt;
- So machte dieses Untier mich beklommen;
Von ihm gedrängt, mußt’ ich mich rückwärts zieh’n
Dorthin, wo nimmer noch der Tag entkommen.
- Als ich zur Tiefe niederstürzt’ im Flieh’n,
Da war ein Wesen dorten zu erkennen,
Das durch zu langes Schweigen heiser schien.
- Ich rief, sobald ich’s nur gewahren können
In großer Wildnis: "O erbarme dich,
Du, seist du Schatten, seist du Mensch zu nennen."
- Und jener sprach: "Nicht bin, doch Mensch war ich;
Lombarden waren die, so mich erzeugten,
Und beide priesen Mantuaner sich.
- Eh’, spät, die Römer sich dem Julius beugten,
Sah ich das Licht, sah des Augustus Thron,
Zur Zeit der Götter, jener Trugerzeugten.
- Ich war Poet und sang Anchises’ Sohn,
Der Troja floh, besiegt durch Feindestücke,
Als, einst so stolz, in Staub sank Ilion.
- Und du – du kehrst zu solchem Gram zurücke?
Was bleibt die freud’ge Höhe nicht dein Ziel,
Die Anfang ist und Grund zum vollen Glücke?"
- "So bist du," rief ich, "bist du der Virgil,
Der Quell, dem reich der Rede Strom entflossen?"
Ich sprach’s mit Scham, die meine Stirn befiel.
- "O Ehr’ und Licht der andern Kunstgenossen,
Mir gelt’ itzt große Lieb’ und langer Fleiß,
Die meinem Forschen dein Gedicht erschlossen.
- Mein Meister, Vorbild! dir gebührt der Preis,
Den ich durch schönen Stil davongetragen,
Denn dir entnahm ich, was ich kann und weiß.
- Sieh dieses Tier, o sieh’ mich’s rückwärts jagen,
Berühmter Weiser, sei vor ihm mein Hort.
Es macht mir zitternd Puls’ und Adern schlagen."
- "Du mußt auf einem andern Wege fort,"
Sprach er zu mir, den ganz der Schmerz bezwungen,
"Willst du entfliehn aus diesem wilden Ort,
- Denn dieses Tier, das dich mit Graun durchdrungen,
Läßt keinen zieh’n auf seines Weges Spur,
Hemmt jeden, bis es endlich ihn verschlungen.
- Es ist von böser, tückischer Natur
Und nimmer fühlt’s die wilde Gier ermatten,
Ja, jeder Fraß schärft seinen Hunger nur.
- Mit vielen Tieren wird sich’s noch begatten,
Bis daß die edle Dogge kommt, die kühn
Es würgt und hinstürzt in die ew’gen Schatten.
- Nicht wird nach Land und Erz ihr Hunger glüh’n,
Doch wird sie nie an Lieb’ und Weisheit darben;
Inmitten Feltr’ und Feltro wird sie blüh’n,
- Zu Welschlands Heil, des Ruhm und Glück verdarben,
Obwohl vordem Camilla für dies Land,
Eurialus, Turnus und Nisus starben.
- Nicht wird sie ruh’n, bis sie dies Tier verbannt;
Sie wird es wieder in die Hölle senken,
Von wo’s zuerst der Neid heraufgesandt.
- Du folg’ itzt mir zu deinem Heil – mein Denken
Und Urteil ist’s – ich will dein Führer sein,
Und dich durch ew’gen Ort von hinnen lenken.
- Dort wirst du hören der Verzweiflung Schrei’n,
Wirst alte Geister schau’n, die brünstig flehen
Um zweiten Tod in ihrer langen Pein.
- Wirst jene dann im Feu’r zufrieden sehen,
Weil sie verhoffen, zu dem sel’gen Chor,
Sei’s wann es immer sei, noch einzugehen.
- Und willst du auch zu diesem dann empor,
Würd’ger als ich, wird eine Seel’ erscheinen,
Die geht, schied ich, als Führerin dir vor.
- Denn jener, der dort oben herrscht, läßt keinen
Eingehn, von mir geführt, in seine Stadt,
Weil ich mich nicht verbunden mit den Seinen.
- Er herrscht im All, dort ist die Herrscherstatt,
Sein Thron und seine Burg in jener Höhe.
Heil dem, den er erwählt dort oben hat"
- "O Dichter," Sprach ich jetzt zu ihm, "ich flehe
Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt,
Daß diesem Leid und schlimmerm ich entgehe,
- Bring’ an die Orte mich, die du genannt,
So, daß ich Petri Tor erschauen möge
Und jene, wie du sprachst, zur Qual verbannt."
- Da schritt er fort, ich folgte seinem Wege.
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