- Er sprach’s und hob die Hand’ empor mit Spott,
Ließ beide Daumen durch die Finger ragen
Und rief dann aus: "Nimm’s hin, dies gilt dir, Gott!"
- Seitdem seh’ ich die Schlangen mit Behagen,
Weil gleich um seinen Hals sich eine wand,
Als sagte sie: Du sollst nichts weiter sagen.
- Die zweite schlang sich um die Arm’ und band
Sie vorn, sich selbst umwickelnd, so zusammen,
Daß er nicht Raum damit zu zucken fand.
- Was übergibst du dich nicht selbst den Flammen,
Pistoja, du, und tilgst dich in der Glut?
Sind Frevler alle doch, die dir entstammen?
- Nie fand ich so verruchten Übermut.
Selbst Kapaneus’ gottlästerndes Erfrechen
Erhob sich nicht zu dieses Diebes Wut.
- Er floh von dannen, ohn’ ein Wort zu sprechen,
Und ein Zentaur kam rennend, pfeilgeschwind,
Und schrie voll Wut: "Wo find’ ich diesen Frechen?"
- Nicht glaub’ ich, daß so viel der Schlangen sind
An Tusciens Strand, als ihm am Kreuze hingen.
Bis dahin, wo des Menschen Form beginnt.
- Ein Drache hielt mit ausgespreizten Schwingen
Sich an den Schultern fest und spie mit Macht
Glut auf uns alle, die vorübergingen.
- Da sprach mein Meister: "Kakus ist’s, hab’ acht!
Er ist es, der so oft zu blut’gen Teichen
Die Auen unterm Aventin gemacht.
- Er geht nicht einen Weg mit seinesgleichen,
Weil er als Dieb den schlauen Trug vollführt,
Mit jener großen Herde zu entweichen.
- Dafür ward ihm der Lohn, der ihm gebührt,
Weil Herkuls Keul’ ihn traf mit hundert Schlägen,
Von welchen er vielleicht nicht zehn gespürt."
- Enteilt war Kakus schon und uns entgegen
Herkamen drei an jenem tiefen Ort,
Doch könnt’ uns erst ihr laut Geschrei bewegen,
- Auf sie hinabzuschau’n: "Wer seid ihr dort?"
Drum blieben wir in der Erzählung stehen
Und horchten hin nach dieser Schatten Wort.
- Von ihnen hatt’ ich keinen je gesehen,
Da rief den andern einer dieser drei
Und nannt’ ihn, wie’s durch Zufall oft geschehen.
- "Wo bleibst du, Cianfa?" rief er, "Komm herbei!"
Drum legt’ ich auf die Lippen meinen Finger,
Damit mein Führer horch’ und stille sei.
- Meinst du jetzt, Leser, daß ich Hinterbringer
Von eiteln Fabeln sei, so staun’ ich nicht;
Ich sah’s, doch ist mein Zweifel kaum geringer.
- Von vornher warf sich, wie ich das Gesicht
Auf sie gekehrt, schnell eine von den Schlangen
Mit drei Paar Füßen her und packt’ ihn dicht.
- Der Bauch ward von dem mittlern Paar umfangen,
Indes das vordre Paar die Arm’ umfing,
Dann schlug sie ihre Zähn’ in beide Wangen.
- Wie an den Lenden drauf das Hintre hing,
Schlug sie den Schwanz durch zwischen beiden Beinen
Und drückt’ ihn hinten an als engen Ring.
- Kein Efeu kann dem Baum sich so vereinen,
Wie dieses Ungetüm sich wunderbar
An jenes Glieder schmiegte mit den seinen.
- Zusammen klebte plötzlich dann dies Paar,
Wie warmes Wachs, die Farben so vermengend,
Daß keins von beiden mehr dasselbe war,
- Gleichwie die Flammen, ein Papier versengend,
Bevor es brennt, mit Braun es überzieh’n,
Noch eh’ es Schwarz wird, schon das Weiß verdrängend.
- Die andern beiden, ihn betrachtend, schrien:
"Weh dir, Agnel, du bist nicht zwei, nicht einer!
Doch sieh, dir ist ein andres Bild verlieh’n!"
- Schon war vereint der Schlange Kopf und seiner,
Aus zwei Gestalten sah man ein’ entstehn,
Vermischt, verwirrt, doch gleich von beiden keiner.
- Die Arme sah man auseinandergehn;
Sie wurden vier, und Bauch und Brust und Lenden,
Sie wurden Glieder, wie man nie gesehn.
- Es schien, als ob die vor’gen ganz verschwänden.
Nicht zwei, nicht einer schien’s, und ganz entstellt
Sah ich das Bild sich langsam abwärts wenden.
- Gleichwie die Eidechs öfters, wenn die Welt
Der Hundstern peitscht, blitzschnell von Dorn zu Dorne,
Von Zaun zu Zaun quer durch die Straße schnellt,
- So fuhr jetzt eine Schlang’ in wildem Zorne
Auf jene zwei nach ihren Bäuchen hin,
Bläulich und schwarz, gleich einem Pfefferkorne.
- Und durch den Teil, der bei des Seins Beginn
Uns Nahrung zuführt, bohrte sie den einen,
Dann fiel sie ausgestreckt vor ihm dahin.
- Er sah sie starr, mit festgeschlossnen Beinen,
Stillschweigend, gähnend, an, und mußte mir
Wie schläfrig oder fieberhaft erscheinen.
- Nach ihm hin sah die Schlang’ und er nach ihr,
Sie rauchend aus dem Maul, er aus der Wunde,
Dann nahte sich der Rauch von dort und hier.
- Still schweige jetzt Lucan mit seiner Kunde
Vom Unglück des Sabell und vom Nasid,
Und horchend häng’ er nur an meinem Munde.
- Von Arethus’ und Kadmus schweig’ Ovid;
Denn wenn er ihn zum Drachen umgedichtet.
Und Sie zum Quell, so neid’ ich nicht sein Lied.
- Nie hat er von zwei Wesen uns berichtet,
Die umgetauscht Gestalt und Stoff und Sein,
Indem sie starr auf sich den Blick gerichtet.
- Gleich ging die Wandlung fort in jenen zwei’n.
Zur Gabel spaltete den Schwanz die Schlange,
Und der Gestochne drückte Bein an Bein.
- Sie klebten aneinander, und nicht lange
Hatt’ es gewährt, als auch die Fuge schwand,
Verdrängt vom völligen Zusammenhange.
- Der Lenden Form, die hier entwich, entstand
Am Gabelschweif; die Haut schien zu erweichen;
Hart ward sie dort, nach Schlangenart gespannt.
- Die Arme sah ich in die Schultern weichen,
Der Schlange kurze Vorderfüße dann,
Wie jene schwanden, weiter vorwärts reichen.
- Wie drauf zu jedem Gliede, das der Mann
Zu bergen pflegt, die hinten sich verbanden,
So fing sich sein’s in zwei zu teilen an.
- Und unterm Rauch, der beide deckt’, entstanden
Ganz neue Farben, sproßten Haare vor
Und zeigten hier sich, wenn sie dort verschwanden.
- Er sank dahin, Sie raffte sich empor,
Doch blieb der Kopf mit jenen starren Blicken,
Durch die er selbst nun seine Form verlor.
- An dem, der stand, schien er sich platt zu drücken,
Auch sah man von dem Fleisch, das hinter drang,
Die Ohren seitwärts aus den Wangen rücken.
- Aus dem, was vorn zurückeblieb, entsprang
Ein Lippenpaar, wie sich’s gebührt, erhoben.
Und eine Nase, zugespitzt und lang.
- An dem, der dort lag, trieb der Mund nach oben,
Auch wurden nach der Schneckenhörner Brauch
Die Ohren in den Kopf zurückgeschoben.
- Die Zung’, erst ganz, zur Rede schnell, ward auch
Nunmehr geteilt, und ganz ward die geteilte
Im Mund des andern, und es blieb der Rauch.
- Der Geist, jetzt Schlange, zischte laut und eilte
Durch’s Tal davon – der andre spuckt’ ihr nach,
Indem er noch, sie schmähend, dort verweilte.
- Dann kehrt’ er ihr den Rucken zu und sprach:
"So schlüpfe, Buoso, nun durch diese Gründe,
Statt meiner, auf dem Bauch in Qual und Schmach."
- So mischt’ im siebenten der Lasterschlünde
Sich Bild und Bild, drum werde mir’s verzieh’n,
Wenn ich so Neues etwas breit verkünde.
- Doch ob mir gleich der Blick geblendet schien,
Und kaum mein Geist vom Staunen sich ermannte,
Doch bargen jene sich nicht so im Flieh’n,
- Daß ich den Puccio nicht gar wohl erkannte,
Der einzig von den drei’n, erst hier vereint,
Sich unverwandelt jetzt von dannen wandte.
- Der andre war’s, um den Gaville weint.
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