- Schon Thithons Buhlerin, entgleitend
Dem Arm des süßen Freunds und einen Kranz
Von weißem Licht im Orient verbreitend,
- Geschmückt die Stirn mit der Demanten Glanz,
Die jenes kalten Tiers Gestaltung zeigen,
Das tödlich sticht mit seinem gift’gen Schwanz.
- Zwei Schritte hatte, wo ich war, im Steigen
Die Nacht getan, um sich beim dritten jetzt
Mit ihren Fittichen herabzuneigen,
- Als meine Sinne, da ich herversetzt
Mit Adams Erbschaft war, dem Schlaf erlagen
Und ich ins Gras sank, wo wir uns gesetzt.
- Zur Stunde war es, wo mit bangen Klagen,
Wenn sich der Morgen naht, die Schwalbe girrt,
Vielleicht gedenkend ihrer ersten Plagen,
- Und wo der Geist, vom Leibe nicht verwirrt,
Frei und entledigt von den Sorgen allen,
Im Traumgesicht beinahe göttlich wird.
- Da sah ich, träumend, an des Himmels Hallen
Mit goldenem Gefieder einen Aar,
Gespreizt die Flügel, um herabzufallen.
- Mir schien’s der Ort, wo Ganymedes war,
Als er, indem die Seinen ihn umfingen,
Entrückt ward zu der ew’gen Götter Schar.
- "Er pflegt vielleicht sich hier herabzuschwingen",
So dacht’ ich, "und verschmäht, von anderm Ort
In seinen Klauen uns emporzubringen."
- Ein wenig kreist’ er erst im Bogen dort,
Dann schoß er, schrecklich, wie ein Blitz, hernieder
Und riß mich bis zum Feuer aufwärts fort.
- Mir schien, ich brenn’, auch brenne sein Gefieder,
Und ganz erglüht von dem erträumten Brand,
Erwacht’ ich jäh aus meinem Schlummer wieder.
- So fuhr Achill empor im fremden Land
Und drehte dann die wachen Blick’ im Kreise,
Weil er nicht wußte, wo er sich befand,
- Als Thetis ihn im Schlaf dem Chiron leise
Entführt und ihn nach Skyros hingebracht,
Von wo Ulyß ihn rief zur großen Reise;
- Wie ich emporfuhr, da ich aufgewacht;
Doch fühlt’ ich Frost sich über mich verbreiten,
Gleich einem, den der Schreck erstarren macht.
- Mein treuer Hort allein war mir zur Seiten –
Zwei Stunden aufwärts stieg die Sonne schon
Und vor mir lagen frei des Meeres Weiten.
- Da sprach mein Herr: "Nicht fürchte dich, mein Sohn.
Mut, denn uns ist das Schwerste nun gelungen,
Drum halte fest die Kraft, die fast entfloh’n.
- Zum Fegefeuer bist du nun gedrungen.
Den Felsen sieh, der’s einschließt – sieh das Tor
Dort, wo, wie’s scheint, der Stein entzweigesprungen,
- Noch glänzt’ Aurora nicht dem Tage vor,
Du aber lagst, den Geist vom Schlaf befangen,
Im Tale dort auf jenem Blumenflor,
- Da kam ein Himmelsweib dahergegangen.
’Lucien seh– den Schläfer nehm’ ich fort,
Und leichter soll er so zum Ziel gelangen.’
- Sordell blieb mit den andern Seelen dort;
Sie faßte dich, und als der Tag begonnen,
Stieg sie empor mit dir an diesen Ort.
- Ich folgt’ ihr; und als mir ihr Blick voll Wonnen
Das Tor gewiesen, legte sie dich hin
Und ging, und mit ihr war dein Schlaf entronnen."
- Gleichwie wir, wenn uns offenen Gewinn
Die Wahrheit zeigte. Sorg’ und Furcht verjagen,
Von Mut und Lust erfüllt den freien Sinn,
- So ich – und da mich frei von Angst und Zagen
Mein Meister sah, so schritt er zu den Höh’n,
Und ich auch stand nicht an, den Gang zu wagen.
- Sieh, Leser, hier sich meinen Stoff erhöh’n,
Drum staune nicht, wenn größre Kunst die Worte,
Dem Stoff gemäß, sich aussucht, hoch und schön.
- Wir gingen fort und nahten einem Orte,
Der erst als Felsenspalt’ erschien; doch nah
Erkannt’ ich in der Öffnung eine Pforte.
- Drei Stufen von verschiednen Farben sah
Ich unter ihr, um zu ihr aufzusteigen;
Dann auch erkannt’ ich einen Pförtner da,
- Der auf der höchsten saß in tiefem Schweigen,
Doch wie ich auf sein Antlitz hingewandt
Mein Auge hatte, mußt’ ich’s wieder neigen.
- Er hatt’ ein nacktes Schwert in seiner Hand,
Und wollt’ ich auf dies Schwert die Blicke kehren,
So blitzt’ es her der Sonne Glanz und Brand.
- "Von dorten sprecht: Was mögt ihr hier begehren?"
Sprach er. "Wer bracht’ euch bis zu mir empor?
Habt acht, sonst wird das Kommen euch beschweren."
- Mein Meister drauf: "Uns sagte kurz zuvor
Ein Weib, vom Himmel selbst dazu berufen:
’Kehrt dorthin euren Schritt, dort ist das Tor!’
- Da hört’ ich gleich den edlen Pförtner rufen:
"So mögt ihr denn durch sie zum Heile ziehen;
Kommt, schreitet weiter vor zu unsern Stufen!"
- Wir kamen hin – die erste Stufe schien
Von Marmor, weiß, von höchster Glätt’ und Reine,
Drin spiegelt’ ich mich ab, wie ich erschien.
- Die zweite schien mir von verbranntem Steine,
Rauh, lang und quer geborsten und zerschlitzt,
Und ihre Farbe schwärzlichdunkle Bräune.
- Die dritte höchste Stuf erschien mir itzt
Wie Porphyr, flammend, gleich des Blutes Quelle,
Die frisch und warm aus einer Ader spritzt.
- Dem Pförtner diente sie zur Ruhestelle
Für seine Fuß’, und höher saß er dann
Auf der durchsicht’gen diamantnen Schwelle.
- Gern folgt’ ich meinem Führer dorthinan,
Der sprach: "Jetzt geh, ihn flehend zu begrüßen,
Denn er ist’s, der das Schloß dir öffnen kann."
- Demütig sank ich zu des Engels Füßen,
Schlug dreimal erst auf meinen Busen mich
Und bat ihn, aus Erbarmen aufzuschließen.
- Mit seines Schwertes scharfer Spitze strich
Er sieben P auf meine Stirn und machte
Sie wund und sprach: "Dort drinnen wasche dich."
- Noch, wenn ich Asch’ und Erdenstaub betrachte,
Seh’ ich des Kleides Farb’, aus welchem er
Mit seiner Hand hervor zwei SchlüsseI brachte.
- Von Gold war dieser und von Silber der.
Den weißen sah ich ihn, den gelben drehen,
Und sieh, verschlossen war das Tor nicht mehr.
- Er sprach darauf: "Trifft einer von den zween
Im Schloß beim Umdreh’n irgend Widerstand,
So bleibt die Türe fest verschlossen stehen.
- Mehr Wert hat der von Gold, doch mehr Verstand
Und Kunst wird jener, eh’ er schließt, bedürfen,
Denn er nur löst das vielverschlungne Band.
- Beim Öffnen sollt’ ich eher irren dürfen,
Sprach Petrus, der sie gab, als beim Verschluß,
Wenn nur, die kämen, erst sich niederwürfen."
- Er stieß ans heil’ge Tor und sprach zum Schluß:
"So geht denn ein, doch daß euch’s nie entfalle,
Daß, wer rückblickt, nach außen kehren muß."
- Beim Öffnen drehte mit so lautem Schalle
Die heil’ge Pfort’ in ihren Angeln sich,
Gemacht von starkem, klingendem Metalle,
- Daß es dem Knarren jenes Tores glich,
Vom Schloß Tarpeja, dessen Riegel sprangen,
Als der Gewalt Metell, sein Wächter, wich.
- Ich horcht’ aufmerksam hin, denn Stimmen sangen,
Und ein Tedeum schien mir, was man sang,
Zu welchem volle süße Tön’ erklangen.
- Denn das, was jetzt zu meinen Ohren drang,
War, wie wenn zu Gesängen Orgeln gehen,
Und wir vor ihrem vollen hellen Klang
- Die Worte halb verstehn, bald nicht verstehen.
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