- Hosianna dir, du Gott der Macht und Wahrheit,
Dir, der du hier der sel’gen Flammen Glanz
Reich überströmst mit Fülle deiner Klarheit!"
- So schien, zurückgewandt zu ihrem Tanz,
Die Seel’ im Lied den höchsten Herrn zu feiern,
Umringt ihr Licht von neuem Strahlenkranz.
- Den Reigen sah ich alle nun erneuern,
Und Funken gleich, die durch die Lüfte flieh’n,
Von plötzlicher Entfernung sie verschleiern.
- Ich zweifelte. "Sprich, sprich, zur Herrin," schien
Mein Herz zu sprechen bei des Mundes Schweigen,
"Die stets dir Lab’ in süßem Tau verlieh’n."
- Allein die Ehrfurcht, der ich immer eigen
Als Sklav’ war, wo nur be nd ice klang,
Ließ, gleich dem Schläfrigen, das Haupt mich neigen.
- Sie aber duldete mich so nicht lang;
In Lächeln strahlte mir das hohe Wesen,
Das Feuerpein umschüf in Wonnedrang.
- Sie sprach: "Ich hab’ in deiner Brust gelesen,
Wie ist – dies ist’s, was dir im Haupte kreist –
Gerechter Rache Zücht’gung Recht gewesen.
- Doch bald entwirren will ich deinen Geist,
Damit du, wenn dein Sinn sich mir erschlossen,
Um eine große Wahrheit reicher seist.
- Der Mensch, der nicht geboren ward, verdrossen,
Zu dulden, sich zum Heil, des Willens Zaum,
Verdammte sich und mit sich seine Sprossen;
- Drob das Geschlecht in Wahn und falschem Traum
Viel hundert Jahre krank lag, matt und trübe,
Bis sich das Wort geneigt zum niedern Raum,
- Wo’s der Natur, die sich im irren Triebe
Vom Schöpfer abgekehrt, sich ganz verband,
Bloß durch das Walten seiner ew’gen Liebe.
- Scharf sei dein Blick jetzt auf mein Wort gespannt.
Diese Natur, dem Schöpfer hingegeben
Und ihm vereint, war rein, wie sie entstand.
- Doch durch sie selbst war sie für falsches Streben
Vom Paradies verbannt, weil sie die Bahn
Verlassen, wo nur Wahrheit ist und Leben.
- Drum ward die Strafe, durch das Kreuz empfah’n,
Mit größerm Recht, als jemals irgendeine,
Der angenommenen Natur getan.
- So war die Straf auch ungerecht wie keine,
In Hinsicht des, der sie erlitten hat,
Mit der Natur, der ird’schen, im Vereine.
- Verschieden war die Wirkung einer Tat.
Gott und den Juden mußt’ ein Tod gefallen,
Drob Erd’ erbebt’ und Himmel auf sich tat.
- Schwer wird dir’s nicht mehr zu begreifen fallen,
Wenn man von dem gerechten Richter spricht,
Des Rach’ auf rechte Rache schwer gefallen.
- Doch deinen Geist, gleich einem Netz, umflicht
Gedank’ itzt und Gedank’ in engem Kreise,
Aus dem er sehnlich Lösung sich verspricht.
- Der Rache Recht war klar in dem Beweise,
Denkst du; doch weshalb wählt’ in seiner Macht
Gott zur Erlösung ebendiese Weise?
- Der Schluß, mein Bruder, birgt sich dem in Nacht,
Dem nicht, wenn hell der Liebe Flammen brennen,
Die Glut den Geist zur Mündigkeit gebracht.
- Vernimm deshalb, weil wenig zu erkennen,
Wo viel der Blick umsonst sich spähend müht,
Warum die Art die würdigste zu nennen.
- Die ew’ge Gut’, in sich nie zornentglüht,
Zeigt, wenn im All sich ihre Schönheit spiegelt,
Wie sie die Funken eigner Glut versprüht.
- Was ihr unmittelbar entströmt – verriegelt
Ist dem des Todes Tür, und fest und treu
Ist das Gepräge, wenn sie selber siegelt.
- Was ihr unmittelbar entströmt, ist frei,
Ist völlig frei, und deshalb wohnt dem Neuen
Die Kraft nicht, es zu unterjochen, bei.
- Je mehr’s ihr gleicht, je mehr muß sie’s erfreuen,
Drum will die heil’ge Glut, das Licht der Welt,
Aufs ähnlichste den hellsten Schimmer streuen.
- In allem dem ist hoch der Mensch gestellt,
Der aber, wenn nur eins ihm fehlt, entweihet,
Mit Schmach herab von seinem Adel fällt.
- Die Sünd’ allein ist das, was ihn entfreiet.
Unähnlich macht sie ihn dem höchsten Gut,
Das wenig drum von seinem Glanz ihm leihet.
- Nie kehrt zurück ihm seine Würde, tut
Er dem nicht G’nüge durch gerechte Leiden,
Was er gefehlt in sünd’ger Lüste Glut.
- Eure Natur, die in den ersten beiden
Ganz sündigte, ward, wie der Würd’ entsetzt,
So auch verdammt, das Paradies zu meiden.
- Und Möglichkeit, dahin zurückversetzt
Dereinst zu sein, gab’s nur auf zweien Pfaden,
Wenn scharf dein Geist der Dinge Wesen schätzt:
- Entweder Gott verzieh allein aus Gnaden,
Oder es mußte sich, der ihn gekränkt,
Der Mensch, g’nugtuend, selbst der Schuld entladen.
- Dein Blick sei in den Abgrund jetzt versenkt
Des ew’gen Rates, und mit ernstem Schweigen
Sei ganz dein Geist nach meinem Wort gelenkt.
- G’nugtuung konnte nie der Mensch erzeigen,
Und, eng beschränkt, so tief nicht niedergehn,
Gehorchend, nicht sich so in Demut neigen,
- Als, ungehorsam, er sich wollt’ erhöh’n;
Drum könnt’ er nie sich von der Schuld befreien,
Genugtuung nicht durch ihn selbst gescheh’n.
- Drum wählt’, ihn neu zum Leben einzuweihen,
Gott, so gerecht wie gnädig, seinen Pfad
Und führt’ auf diesem ihn, vielmehr auf zweien.
- Doch weil so werter ist des Täters Tat,
Je heller strahlt die Gut’ in dem Gemüte,
In dem die Handlung ihre sQuelle hat,
- Hat, die die Welt gestaltet, Gottes Güte,
Auf jedem Wege, der ihr offen lag,
Euch neu erhöht zu eurer ersten Blüte.
- Und zwischen letzter Nacht und erstem Tag
Ist nie so Hohes, Herrliches gediehen
Für sie und euch, was er auch schaffen mag.
- Freigeb’ger war’s, daß Gott sich selbst verliehen,
Drob zu erstehn der Mensch genügend ward,
Als hätt’ er ihm nur aus sich selbst verziehen,
- Karg war’ erfüllt in jeder andern Art
Das Recht, wenn Gottes Sohn um euretwillen
Nicht demutsvoll dem Fleische sich gepaart.
- Jetzt, um noch besser deinen Wunsch zu stillen,
Und daß du seh’st, gleich mir, das volle Licht,
Will ich noch eins dir deutlicher enthüllen.
- Ich sehe Feuer, sehe Luft – so spricht
Dein Zweifel – Wasser, Erd’, in mannigfachen
Vermischungen, und alle dauern nicht.
- Geschöpfe sind ja alle diese Sachen;
Und sollte dies, wenn ich dich recht verstand,
Sie nicht vor der Verderbnis sicher machen?
- Die Engel, Bruder, und dies reine Land,
Sie dürfen wohl sich für erschaffen halten,
Weil, wie sie sind, ihr volles Sein entstand.
- Doch alles, was die Element’ entfalten,
Die Elemente selbst, sie läßt allein
Der Höchste durch geschaffne Kraft gestalten.
- Geschaffen ward ihr Stoff, ihr erstes Sein,
Geschaffen ward die Bildungskraft dem Tanze
Der Sterne, die um eure Welt sich reih’n.
- Die Seele jedes Tiers und jeder Pflanze
Zielet nach verschiedner Bildungsfähigkeit
Regung und Licht aus ihrem heil’gen Glanze.
- Allein der höchsten Güte Hauch verleiht
Unmittelbar uns selber unser Leben
Und Liebe, die dann ihr sich sehnend weiht.
- Wie aus der Gruft die Leiber sich erheben,
Erkennst du, wenn du denkest, wessen Ruf
Dem Menschenleib sein erstes Sein gegeben,
- Als er die beiden ersten Eltern schuf.
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