- Uns fern, etwa sechstausend Meilen, steiget
Der Mittag auf, indes schon diese Welt
Den Schatten fast zum ebnen Bette neiget,
- Wenn nach und nach sich uns der Ost erhellt;
Dann wird der Glanz erst manchem Stern benommen,
Des Strahl nicht mehr bis zu uns niederfällt,
- Und wie Aurora mehr emporgeklommen,
Verschließt der Himmel sich von Glanz zu Glanz,
Bis auch des schönsten Sternes Licht verglommen.
- So der Triumph, der ewiglich im Tanz
Den Punkt umkreist, der alles hält umschlungen,
Was scheinbar ihn umschIingt als lichter Kranz.
- Er schwand allmählich, meinem Aug’ entschwungen,
Drum kehrt’ ich zu der Herrin das Gesicht,
Von Nichtschau’n und von Liebesdrang gezwungen.
- War’ alles, was bis jetzo mein Gedicht
Von ihr gelobt, in ein Lob einzuschließen,
Doch g’nügend wär’s für diesen Anblick nicht.
- Denn Reize, wie sie hier sich sehen ließen,
Weit überschreiten sie der Menschen Art;
Ihr Schöpfer nur kann ihrer ganz genießen.
- Ich bin besiegt von dem, was ich gewahrt,
Mehr als ein Komiker von seinen Stoffen,
Als ein Tragöd’ je überwunden ward.
- Gleichwie ein Blick, den Sonnenstrahlen offen,
Vergeht vor ihren- Blitzen, so geschieht
Dem Geist, von dieses Lächelns Reiz getroffen.
- Vom ersten sag, da mir der Herr beschied,
Ihr Angesicht zu schau’n in diesem Leben,
Folgt ihr bis hin zu diesem Blick mein Lied.
- Doch muß ich jetzt des Folgens mich begeben,
Ein Künstler, der sein höchstes Ziel errang,
Und hoher nicht vermag emporzustreben.
- Und so, wie ich sie lasse vollerm Klang,
Als meiner Tuba, die ich also richte,
Wie sie beenden kann den schweren Sang,
- Sprach sie, mit Ton, Gebärd’ und Angesichte
Eifrigen Führers froh zu mir: "Du bist
Gelangt zum Himmel nun von reinem Lichte,
- Von geist’gem Licht, das nur ein Lieben ist,
Ein Lieben jenes Gut’s, des ewig wahren,
Von Luft, mit der kein Erdenglück sich mißt.
- Du siehst hier beide Himmelskriegerscharen
Und siehst die ein’ in dem Gewande heut,
Wie du sie wirst beim Weltgericht gewahren."
- Wie jäher Blitz des Auges Kraft zerstreut,
So daß er jeden Gegenstand umdunkelt,
Den stärksten Selbst, der sich dem Blicke beut;
- So ward ich von lebend’gem Licht umfunkelt,
Des Glanz mir tat, wie uns ein Schleier tut,
Denn alles außer ihm war mir verdunkelt.
- "Die Lieb’, in welcher dieser Himmel ruht
Pflegt so in sich zum Heile zu empfangen
Und macht die Kerz’ empfänglich ihrer Glut."
- Wie mir die kurzen Wort’ ins Innre drangen,
Da fühlt’ ich, daß sich Geist mir und Gemüt
Weit über die gewohnten Kräfte schwangen.
- Und neue Sehkraft war in mir entglüht,
So, daß mein Auge, stark und ohne Qualen,
Dem Licht sich auftat, das am reinsten blüht.
- Ich sah das Licht als einen Fluß von Strahlen
Glanzwogend zwischen zweien Ufern zieh’n,
Und einen Wunderlenz sie beide malen
- Und aus dem Strom lebend’ge Funken sprüh’n;
Und in die Blumen senkten sich die Funken,
Gleichwie in goldne Fassung der Rubin.
- Dann tauchten sie, wie von den Düften trunken,
Sich wieder in die Wunderfluten ein,
Und der erhob sich neu, wenn der versunken.
- "Dein heißer Wunsch, in dem dich einzuweih’n,
Was deine Blicke hier auf sich gezogen,
Muß mir, je mehr er drängt, je lieber sein.
- Doch trinken mußt du erst aus diesen Wogen,
Eh’ solch ein Durst in dir sich stillen kann."
So sprach die Sonn’, aus der ich Licht gesogen.
- "Der Fluß und diese Funken", sprach sie dann,
"Und dieser Pflanzen heitre Pracht, sie zeigen
Die Wahrheit dir voraus, wie Schatten, an.
- An sich ist ihnen zwar nichts Schweres eigen,
Sie zu erkennen, fehlt nur dir die Macht,
Weil noch so stolz nicht deine Blicke steigen."
- Kein Kind, das durstig langer Schlaf gemacht,
Kann sein Gesicht zur Brust so eilig kehren,
Wenn’s über die Gewohnheit spät erwacht,
- Als, um der Augen Spiegel mehr zu klären,
Ich mein Gesicht zu jenem Flusse bog,
Dort strömend, um der Seele Kraft zu mehren.
- Und wie der Rand der Augenlider sog
Von seiner Flut, da war zum Kreis gewunden,
Was sich zuvor in langen Streifen zog.
- Dann, Leuten gleich, die sich verlarvt befunden,
Verändert erst, wenn sie auszieh’n das Kleid,
Worin sie unter fremdem Schein verschwunden;
- Verwandelten zu größrer Herrlichkeit
Sich Blumen mir und Funken, und ich schaute
Die HimmeIsscharen beide dort gereiht.
- O Gottes Glanz, o du, durch den ich schaute
Des ewig wahren Reichs Triumphespracht,
Gib jetzt mir Kraft, zu sagen, wie ich schaute.
- Licht ist dort, das den Schöpfer sichtbar macht,
Damit er ganz sich dem Geschöpf verkläre,
Dem nur in seinem Schau’n der Friede tacht.
- Es dehnt sich weithin aus in Form der Sphäre
Und schließt so viel in seinem Umkreis ein,
Daß es zu weit als Sonnengürtel wäre.
- Und einem Strahl entquillt sein ganzer Schein,
Rückscheinend von des schnellsten Kreises Rande,
Um Sein und Wirkung diesem zu verleih’n.
- Und wie ein Hügel, an der Wogen Strande,
Sich spiegelt, wie um sich geschmückt zu sehn
Im blütenreichen, grünenden Gewande;
- Also sich spiegelnd, sah ich in den Höh’n
In tausend Stufen die das Licht umringen,
Die von der Erd’ in jene Heimat gehn.
- Und kann der tiefste Grad solch Licht umschlingen,
Zu welcher Weite muß der letzte Kranz
Der Blätter dieser Himmelsrose dringen?
- Mein Aug’ ermaß die Weit’ und Höhe ganz
Und unverwirrt, und konnte sich erheben
Zum Was und Wie von diesem Wonneglanz.
- Nicht Fern noch Nah kann nehmen dort noch geben,
Denn da, wo Gott regiert, unmittelbar,
Tritt fürder kein Naturgesetz ins Leben.
- Ins Gelb der Rose, die sich immerdar
Ausdehnt, abstuft und Duft des Preises sendet
Zur Sonne, die stets heiter ist und klar,
- Zog, wie wer schweigt, doch sich zum Sprechen wendet,
Beatrix mich und sprach: "Sieh hier verschönt
In weißem Kleid, die dorten wohl geendet.
- Sieh, wie so weithin unsre Stadt sich dehnt,
Sieh, so gefüllt die Bänk’ in unserm Saale,
Daß man jetzt hier nach wenigen sich sehnt.
- Auf jenem großen Stuhl, wo du dem Strahle
Der Krone, die dort glänzt, dein Auge leihst,
Dort, eh’ du kommst zu diesem Hochzeitsmahle,
- Wird sitzen des erhabnen Heinrichs Geist,
Des Cäsars, der Italien zu gestalten
Kommt, eh’ es sich dazu geneigt beweist.
- Die blinde Gier ist’s, die mit Zauberwalten
Euch gleich dem Kind macht, das die Brust verschmäht,
Die Nahrung hat, sein Leben zu erhalten.
- Dem göttlichen Gerichtshof aber steht
Solch Obrer vor dann, daß er im Geheimen
Und offen nie mit ihm zusammengeht.
- Doch stürzt des Himmels Räch’ ihn ohne Säumen
Vom Heil’gen Stuhl zur qualenvollen Welt,
Wo Simon Magus stöhnt in dunkeln Räumen,
- Drob tiefer noch der von Alagna fällt."
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