- Erfreue dich, Florenz, du bist so groß,
Daß du zu Land und Meer die Flügel schwingest,
Und selbst dein Nam’ erklingt im Höllenschoß.
- Fünf deiner Bürger fand ich – also zwingest
Du mich zur Scham – den Dieben beigefügt,
Wodurch du dir nicht größern Ruhm erringest.
- Doch wenn, was man am Morgen träumt, nicht lügt,
So wirst du großes Unglück bald empfinden,
Und Prato selbst, so nah dir, sieht’s vergnügt.
- War’s jetzt, nicht würde man’s zu zeitig finden,
So, da’s nun einmal sein muß, war’s jetzt doch.
Denn, älter, werd’ ich’s schwerer nur verwinden.
- Wir gingen fort, und übers Felsenjoch
Stieg, wie hinab, hinauf die Zackenleiter
Mein Führer und war meine Stütze noch.
- Und, folgend zwischen mancher Felsenscheiter
Und manchem Block dem Pfad im öden Raum,
Kam, wenn die Hand nicht half, der Fuß nicht weiter.
- Ich fühlte Schmerz – jetzt fühl’ ich mindern kaum,
Wenn ich zurück an das Erblickte denke,
Und schärfer fass’ ich da des Geistes Zaum,
- Damit ich nicht den Lauf vom Rechten lenke,
Und, was zu meinem Wohl mein Stern bezweckt,
Was höh’re Huld, mir selber feind, nicht kränke.
- Soviel der Bau’r, am Hügel hingestreckt,
Zur Zeit, da er, des Blick die Erde lichtet,
Sein Antlitz uns am wenigsten versteckt,
- Wenn sich die Fliege vor der Mücke flüchtet,
Johanniswürmchen sieht im Tal entlang,
Wo er mit Hipp’ und Pflug sein Tun verrichtet;
- So viele Flammen sah den tiefen Gang
Des achten Tals mein Auge jetzt verklären,
Sobald ich dort war, wo’s zur Tiefe drang.
- Wie der, der sich gerächt durch wilde Bären,
Elias’ Wagen sah von dannen zieh’n,
Als das Gespann aufstieg zu Himmelssphären,
- Umonst ihm mit dem Auge folgt’ und ihn
Gestaltlos nur als ferne Flamm’ erkannte.
Die wie ein leichtes Abendwölkchen schien.
- So war’s, wie wandelnd hier manch Flämmchen brannte,
Doch keines war, das seine Beute wies,
Ob jegliches gleich einem Geist entwandte.
- Am Brückenrande stehend, sah ich dies
Und fiel’, hielt’ ich nicht fest an einem Blocke,
Hinunter, ohne daß mich jemand stieß.
- Virgil, der sah, wie mich der Anblick locke,
Sprach nun: "Jedwedes Feu’r birgt einen Geist,
Und das, worin er brennt, dient ihm zum Rocke."
- Drauf ich: "Die Kunde, die du mir verleihst
Macht mich gewiß; schon glaubt’ ich’s zu erkennen.
Und fragen wollt’ ich schon, wie jener heißt.
- Ich sah die Flamm’ in zwei sich oben trennen.
Als sah’ ich in des Scheiterhaufens Glut
Eteokles und seinen Bruder brennen."
- Und er: "Sie dämpft Ulysseus Übermut
Und Diomeds. Sie laufen hier zusammen
In ihrer Qual, wie einst in ihrer Wut.
- Ums Trugroß klagen sie in diesen Flammen,
Und um das Tor, das Ausgang jenen bot,
Der Heldenschar, von der die Römer stammen.
- Die List beweinen sie, durch die, schon tot,
Noch Deidamia den Achill beklagte,
Auch das Palladium rächt nun ihre Not."
- "Vermögen sie noch hier zu sprechen," sagte
Ich drauf zum Meister, "o, dann bitt’ ich dich
Vieltausendmal, da ich sie gern befragte,
- Laß mich, bis die geteilte Flamme sich
Zu uns hierherbewegt, ein wenig weilen.
Sieh, hin zu ihr zieht die Begierde mich."
- "Der Bitte", sprach er, "muß ich Lob erteilen,
Wie sie verdient; sie sei darum gewährt,
Doch laß die Sprechlust nicht dich übereilen.
- Laß mir das Wort; ich weiß, was du begehrt.
Spröd blieben sie gewiß bei deinem Worte,
Denn Griechen sind sie, stolz auf ihren Wert.
- Als nun die Flamme nah war unserm Orte,
Da hört’ ich diese Red’, als Ort und Zeit
Er für geeignet hielt, von meinem Horte:
- "Ihr, die ihr zwei in einer Flamme seid,
Wenn ich euch jemals Grund gab, mich zu lieben,
Da ich dem Ruhm der Helden mich geweiht,
- Und in der Welt das hohe Lied geschrieben,
So weilt bei mir und sag’ Ulyß mir an,
Wo auf der Irrfahrt sein Gebein geblieben."
- Der alten Flamme größres Horn begann
Zu flackern erst und murmelnd sich zu regen.
Als wäre sie vom Wind gefaßt, und dann
- Rasch hin und her die Spitze zu bewegen,
Gleich einer Zung’, und deutlich tönt’ und klar
Dann aus der Flamm’ uns dieses Wort entgegen:
- "Als ich von Circen schied, die mich ein Jahr
Und länger bei Gaëta festgehalten,
Eh’s so benannt noch von Äneas war,
- Da ließ ich nicht das Mitleid für den alten
Gebeugten Vater, nicht die Gattenpflicht,
Noch Vaterzärtlichkeit im Herzen walten.
- Sie tilgten all in mir das Sehnen nicht,
Die Welt zu sehn und alles zu erkunden,
Was sie besitzt, wie das, was ihr gebricht.
- Drum warf ich mich, kaum meiner Haft entbunden,
In einem einz’gen Schiff ins offne Meer,
Samt einem Häuflein, das ich treu erfunden.
- Nach Spanien führt’ und Libyen hin und her
Ich meine wackre Schar, als kühner Leiter,
Und jedem Eiland jenes Meers umher.
- Alt war ich schon und schwach, auch die Begleiter,
Da war mein Schiff am engen Schlunde dort,
Wo Herkuls Säulenpaar gebeut: Nicht weiter!
- Als hinter uns nun rechts Sevillas Bord
Und links in Libyen Septas Zinnen waren,
Sprach ich zu den Gefährten dieses Wort:
- Brüder, die durch Tausend’ von Gefahren
Ihr hier im Abend kühn euch eingestellt,
Verwendet jetzt, um Neues zu erfahren,
- Weil Seele noch und Leib zusammenhält,
Den kurzen Rest von eurem Erdenleben;
Der Sonne nach zur unbewohnten Welt!
- Bedenkt, wozu dies Dasein euch gegeben;
Nicht um dem Viehe gleich zu brüten, nein,
Um Wissenschaft und Tugend zu erstreben.
- Den Meinen schien dies Wort ein Sporn zu sein,
Kaum hielt ich sie, hätt’ ich gewollt, im Zügel,
Und rastlos ging’s ins weite Meer hinein.
- Erst morgenwärts gewandt des Schiffes Spiegel
Ging unser toller Flug dann linker Hand,
Und seiner Eil’ verlieh’n die Ruder Flügel.
- Schon alle Sterne jenes Poles fand
Der Blick der Nacht, und die des unsern klommen
Kaum übers Meer noch an des Himmels Rand.
- Schon fünfmal war entzündet und verglommen
Des Mondes Licht, seit wir, dem Glück vertraut,
Durch den verhängnisvollen Paß geschwommen,
- Als uns ein Berg erschien, von Dunst umgraut
Vor weiter Fern’, und schien so hoch zu ragen,
Wie ich noch keinen auf der Erd’ erschaut.
- Erst jubeln ließ er uns, dann bang verzagen,
Denn einen Wirbelwind fühlt’ ich entstehn
Vom neuen Land und unsern Vorbord schlagen.
- Er macht’ uns dreimal mit den Fluten dreh’n,
Dann, als der hintre Teil emporgeschossen,
Nach höh’rem Spruch, den vordern untergehn,
- Bis über uns die Wogen sich verschIossen."
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