- Wir gehen nun auf hartem Rand zusammen,
Und Dampf des Bachs, der drüber nebelt, schützt
Das Wasser und die Dämme vor den Flammen.
- So wie sein Land der Flandrer unterstützt,
Bang vor der Springflut Ansturz, die vom Baue
Des festen Damms rückprallend schäumt und spritzt;
- Wie längs der Brenta Schloß und Dorf und Aue
Die Paduaner sorglich wohl verwahrt,
Bevor der Chiarentana Frost erlaue;
- So war der Damm auch hier von gleicher Art,
Nur daß in minder hohen, dicken Massen
Vom Meister dieser Bau errichtet ward.
- Schon weit zurück hatt’ ich den Wald gelassen,
So daß der Blick, nach ihm zurückgewandt,
Doch nicht vermögend war, ihn zu erfassen.
- Da kam am Fuß des Damms ein Schwarm gerannt.
Und wie am Neumond bei des Abends Grauen
Nach dem und jenem man die Blicke spannt,
- So sahn wir sie auf uns nach oben schauen;
Und wie der alte Schneider nach dem Öhr,
So spitzten sie nach uns die Augenbrauen.
- Und wie sie alle gafften, faßte wer
Mich bei dem Saum, indem er mich erkannte,
Und rief erstaunt: "Welch Wunder! Du? Woher?"
- Und ich, wie er nach mir gegriffen, wandte
Den Blick ihm fest aufs Angesicht, das schier
Geröstet war; doch zeigte das verbrannte
- Sogleich die wohlbekannten Züge mir;
Drum, neigend, auf sein Antlitz zu, die Arme,
Rief ich: "Ei, Herr Brunetto, seid ihr hier?"
- "Mein Sohn," sprach jener, "daß dich mein erbarme!
Gern spräche wohl Brunett Latini dich
Ein wenig hier, entfernt von diesem Schwarme."
- "Ich bitt’ euch selbst darum," entgegnet’ ich,
"Daher ich gern mit euch mich setzen werde,
Wenn’s dieser billigt, denn er leitet mich."
- Und er: "Ach Sohn, wer weilt von dieser Herde,
Darf sich nicht wedeln hundert Jahr hernach
Und liegt, die Glut erduldend, auf der Erde.
- Drum geh, ich folge deinem Tritte nach,
Bis wir aufs neu’ zu meiner Rotte kommen,
Die weinend geht in Leid und ew’ger Schmach."
- Gern war’ ich neben ihn hinabgeklommen.
Doch wagt’ ich’s nicht und ging, das Haupt geneigt,
Wie wer da geht von Ehrfurcht eingenommen,
- "Du, welcher vor dem Tod herniedersteigt,"
Begann er nun, "welch Schicksal führt dein Streben?
Und wer ist der, der dir die Pfade zeigt?"
- "Dort oben," sprach ich, "in dem heitern Leben
War ich, eh’ reif mein Alter, ohne Rat
Verirrt und rings von einem Tal umgeben.
- Aus dem ich eben gestern morgens trat.
Zurück ins Tal wollt’ ich, da kam mein Leiter
Und führt mich wieder heim auf diesem Pfad."
- Drauf sprach er: "Folgst du deinem Sterne weiter.
Dann, wenn ich recht bemerkt im Leben, schafft
Er dich zum Hafen, ehrenvoll und heiter.
- Und hätte mich der Tod nicht weggerafft,
Hart’ ich, da dir so hold die Sterne waren,
Dich selbst zum Werk gestärkt mit Mut und Kraft.
- Doch jenem Volk von schnöden, Undankbaren,
Das niederstieg von Fiesole und fast
Des Bruchsteins Härte noch scheint zu bewahren,
- Ihm bist du, weil du wacker tust, verhaßt;
Mit Recht, weil übel stets zu Dorngewinden
Mit herber Frucht die süße Feige paßt.
- Man heißt sie dort nach altem Ruf die Blinden,
Voll Geiz, Neid, Hochmut, faul an Schal’ und Kern –
Laß rein dich stets von ihren Sitten finden,
- So großen Ruhm bewahrt dir noch dein Stern,
Daß beide Teile hungrig nach dir ringen,
Doch dieses Kraut bleibt ihrem Schnabel fern.
- Das Fiesolaner Vieh mag sich verschlingen,
Sich gegenseits, doch nie berühr’s ein Kraut,
Kann noch sein Mist hervor ein solches bringen,
- In dem man neubelebt den Samen schaut
Von jenen Römern, welche dort geblieben.
Als man dies Nest der Bosheit auferbaut."
- "War einst, was ich gewünscht, des Herrn Belieben,"
Entgegnet’ ich, "gewiß, ihr wäret nicht
Noch aus der menschlichen Natur vertrieben.
- Das teure, gute Vaterangesicht,
Noch seh’ ich’s vor betrübtem Geiste schweben,
Noch denk’ ich, wie ihr mich im heitern Licht
- Gelehrt, wie Menschen ew’gen Ruhm erstreben,
Und wie mir dies noch teuer ist und wert,
Soll kund, solang’ ich bin, die Zunge geben.
- Was ihr von meiner Laufbahn mich gelehrt,
Bewahr’ ich wohl – Werd’ ich die Herrin schauen
Nebst anderm Text wird mir auch dies erklärt.
- Dem aber, will ich, sollt ihr fest vertrauen:
Ist’s nur mit dem Gewissen wohlbestellt,
Dann macht kein Schicksal, wie’s auch sei, mir Grauen.
- Mir ist nicht neu, was eure Red’ enthält.
Doch mag der Bauer seine Hacke schwingen
Und seinen Kreis das Glück, wie’s ihm gefällt."
- Rechts kehrte sich Virgil, indem wir gingen,
Nach mir zurück und sah mich an und sprach:
"Gut hören, die’s behalten und vollbringen."
- Ich aber ließ drum nicht im Sprechen nach,
Und wünschte die berühmtesten zu kennen
Von den Genossen dieser Pein und Schmach.
- Drauf Herr Brunett: "Gut ist es, ein’ge nennen,
So wie von andern schweigen löblich scheint,
Auch würd’ ich nicht von allen sagen können.
- Gelehrte sind und Pfaffen hier vereint
Von großem Ruf, die einst besudelt waren
Mit jenem Fehl, den jeder nun beweint.
- Franz von Accorso geht in diesen Scharen,
Auch Priscian, und war dir’s nicht zu schlecht,
Vorhin so schnöden Aussatz zu gewahren,
- So sahst du jenen, den der Knechte Knecht
Zwang, nach Vicenz vom Arno aufzubrechen,
AIIwo der Tod sein toll Gelüst gerächt.
- Gern sagt’ ich mehr – doch mit dir gehn und sprechen
Darf ich nicht länger, denn schon hebt sich dicht
Ein neuer Rauch auf jenen sand’gen Flächen.
- Auch naht hier Volk, von dem mich das Gericht
Geschieden hat – Mein Schatz sei dir empfohlen,
Ich leb’ in ihm noch – mehr begehr’ ich nicht."
- Hier wandt’ er sich, die andern einzuholen,
Wie nach dem Ziel mit grünem Tuch geziert.
Der Veroneser läuft mit flücht’gen Sohlen,
- Und schien, wie wer gewinnt, nicht wer verliert
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