- Wie der, der Väter karg gemacht den Söhnen,
An Climene um Kunde sich gewandt
Von dem, was man gejagt, ihn zu verhöhnen;
- So war ich jetzt in mir, und so empfand
Beatrix mich und er, des Liebesregung
Vom Flammenkreuz ihn zu mir hergebannt.
- Drum sie: "Folg’ itzt der inneren Bewegung
Und laß den Wunsch hervor, nur sei er rein
Bezeichnet durch des innern Stempels Prägung.
- Er soll nicht größre Kenntnis uns verleih’n,
Doch mutig sollst du deinen Durst bekennen,
Als ob ein Mensch ihn stillen sollt’ in Wein."
- "O teurer Ahn, hochragend im Erkennen,
Gleich wie der Mensch sieht, daß im Dreieck nicht
Zwei stumpfe Winkel sich gestalten können,
- So siehst du, was da sein wird, das Gesicht
Dem Spiegel zugewandt, der alle Zeiten
Als Gegenwart dir zeigt im klaren Licht.
- Als noch Virgil bestimmt war, mich zu leiten,
Um auf den Berg, der unsre Seelen heilt,
Und zu der toten Welt hinabzuschreiten,
- Ward von der Zukunft Kunde mir erteilt,
Die hart ist, mag ich auch als Turm mich fühlen,
Der trotzend steht, wenn ihn der Sturm umheult.
- Drum wüßt’ ich gern, um meinen Wunsch zu kühlen,
Welch ein Geschick mir naht. Vorausgeschaut,
Scheint minder tief ein Pfeil sich einzuwühlen."
- Ich sprach’s zum Licht, das mir mit süßem Laut
Gesprochen hatt’, und hatt’ ihm nun vollkommen,
Nach meiner Herrin Wink, den Wunsch vertraut.
- In Rätseln nicht, wie man sie einst vernommen,
Bestimmt, ein Netz für Torenwahn zu sein,
Eh’ Gottes Lamm die Sünd’ auf sich genommen,
- In klarem Wort und bündigem Latein,
Antwortete mir jene Vaterliebe
VerschIossen in der eignen Wonne Schein:
- "Der Zufall, Werk allein der Erdentriebe,
Malt sich im ew’gen Blick, wie vorbestimmt,
Und keiner ist, der ihm verborgen bliebe,
- Obwohl er euch die Freiheit nicht benimmt
So wenig, als das Aug’ ein Schifflein leitet,
Das drin sich spiegelt, wenn’s stromunter schwimmt.
- Wie Orgelharmonie zum Ohre gleitet,
So kann mein Aug’ im ew’gen Blicke sehn,
Welch ein Geschick die Zukunft dir bereitet.
- Wie Hippolyt, vertrieben aus Athen
Von der Stiefmutter treulos argen Ränken,
So mußt du aus dem Vaterlande gehn.
- Dies wollen sie, dies ist’s, worauf sie denken;
Und wo man Christum frech zu Markte trägt,
Dort wird zur Tat, was nottut, dich zu kränken.
- Und dem verletzten Teil folgt, wie er pflegt,
Der Ruf der Schuld – allein die Wahrheit künden
Wird Gottes Rache, die den Argen schlägt.
- Du wirst dich allem, was du liebst, entwinden
Und wirst, wenn dies dir bittern Schmerz erweckt,
Darin den ersten Pfeil des Banns empfinden.
- Wie fremdes Brot gar scharf versalzen schmeckt,
Wie hart es ist, zu steigen fremde Stiegen,
Wird dann durch die Erfahrung dir entdeckt.
- Doch wird so schwer nichts seinen Rücken biegen,
Als die GeseIIschaft jener schlechten Schar,
Mit welcher du dem Bann wirst unterliegen.
- Ganz toll und ganz verrucht und undankbar
Bekämpft sie dich; doch zeiget bald, zerschlagen,
Ihr Kopf, nicht deiner, wer im Rechte war.
- Wie dumm sie ist, das wird ihr Tun besagen;
Und daß du für dich selbst Partei gemacht,
Wird dir erwünschte, schöne Früchte tragen.
- Die erste Zuflucht in der harten Acht
Wird dir der herrliche Lombard gewähren,
Den heil’ger Aar und Leiter kenntlich macht.
- Zwischen euch wird von Geben und Begehren
Das, was sonst später kommt, das erste sein,
So sorgsam wird auf dich sein Blick sich kehren.
- Dort siehst du ihn, dem dieses Sternes Schein
Bei der Geburt im hellsten Licht entglommen,
Ihm das Gepräg’ zu hoher Tat zu leih’n.
- Und hat die Welt noch nichts davon vernommen,
So ist’s, weil eben erst zum neuntenmal
Die Sonn’ um ihm den Zirkellauf genommen.
- Doch glänzt er, ungerührt durch Gold und Quäl,
Bevor sich des Gascogners Tücken zeigen
Bei Heinrichs Zug, in heller Tugend Strahl.
- Hochherrlich wird sein Ruhm zum Himmel steigen;
Der Feind selbst kann, obwohl voll Ungeduld
Bei seiner Taten Lob, es nicht verschweigen.
- Gewärtig sei denn sein und seiner Huld;
Aus Armen macht er Reich’ und Arm’ aus Reichen,
Hebt arme Tugend, stürzt die reiche Schuld.
- Laß nicht dies Wort aus dem Gedächtnis weichen,
Doch sage nichts!" Dann sagt’ er Dinge mir,
Die dem selbst, der sie sah, noch Wundern gleichen.
- "Sohn," also sprach er weiter, "siehe hier,
Zu dem, was dir verkündet ward, die GIossen.
Schon droht man aus dem Hinterhalte dir.
- Doch nicht beneide deine Landsgenossen,
Denn lang, bevor du sinkst ins dunkle Grab,
Ist dem Verrat gerechte Rach’ entsprossen."
- Hier brach die heil’ge Seel’ ihr Reden ab
Und hatte das Gewebe ganz vollendet,
Wozu ich fragend ihr den Aufzug gab.
- Und wie man zweifelnd sich an jemand wendet,
Der innig liebt und Rechtes will und sieht,
Nach gutem Rat – so ich, als er geendet:
- "Ich seh’s, wie rasch heran die Stunde zieht,
Um gegen mich den scharfen Pfeil zu kehren,
Der schwerer trifft, wen die Besinnung flieht.
- Drum muß ich wohl mit Vorsicht mich bewehren,
Um fern dem Ort, der, was ich lieb’, enthält,
Nicht durch mein Lied der Zuflucht zu entbehren.
- Denn reifend durch die endlos bittre Welt,
Dann auf die Höh’, wo mich vom Angesichte
Der Herrin Licht zum höhern Flug erhellt,
- Dann durch den Himmel selbst von Licht zu Lichte,
Erfuhr ich, was wohl manchen brennt und beißt
Durch ätzenden Geschmack, wenn ich’s berichte.
- Und zagt, der Wahrheit feiger Freund, mein Geist,
Dann, fürcht’ ich, bin ich tot bei jenen allen,
Bei welchen diese Zeit die alte heißt."
- Und neuen Glanz sah ich dem Licht entwallen,
Das Strahlen, wie ein goldner Spiegel, warf,
Auf den der Sonne Feuerblicke fallen.
- "Wer rein nicht sein Gewissen nennen darf,"
Sprach er, "wen eigne Schmach, wen fremde drücket,
Dem schmeckt wohl deine Rede streng und scharf.
- Dennoch verkünde ganz und unzerstücket
Was du gesehn, von jeder Lüge frei
Und laß nur den sich kratzen, den es jücket.
- Ob schwer dein Werk beim ersten Kosten sei,
Doch Nahrung hinterläßt’s zu kräft’germ Leben,
Ist des Gerichts Verdauung erst vorbei.
- Dein Laut wird sich, dem Sturme gleich, erheben,
Der hohe Gipfel stärker schüttelnd faßt,
Und dies wird Grund zu größrer Ehre geben.
- Drum sind berühmte Seelen alle fast,
Die du im dunkeln, wehevollen Schlunde
Und auf dem Berg und hier gesehen hast.
- Denn niemand traut beruhigt einer Kunde,
Verbirgt das Bild, das sie vor Augen stellt,
Die Wurzel tief im unbekannten Grunde,
- Und nur was schimmert überzeugt die Welt."
|