- Ob des erloschnen Augenlichts voll Gram,
Hört’ ich ein Weh’n aus jener Flamme kommen,
Die mir’s verlöscht’, und horcht’ ihm aufmerksam.
- Es sagte: "Bis das Licht, das dir verglommen
In meinem Schimmer ist, dir wiederkehrt,
Wird sprechen zum Ersatz des Schauens frommen.
- Drum sprich: Was ist es, das dein Herz begehrt?
Und möge deinen Mut der Trost erheben:
Dein Aug’ ist nur verwirrt und nicht zerstört.
- Denn sie, die dich geführt ins höh’re Leben,
Hat jene Kraft im Blicke, die der Hand
Des Ananias unser Herr gegeben." –
- "Sie helfe dann, wann sie’s für gut erkannt,"
Sprach ich, "den Augen, die ihr Pforten waren,
Als sie, einziehend, ewig mich entbrannt.
- Das Gut, das froh macht dieses Reiches Scharen,
Das A und O der Schriften ist’s, die hier
Mir Lieb’ andeuten, dort sie offenbaren."
- Dieselbe Stimm’ erklang – wie sich an ihr
Mein Mut, als ich mich blind fand, aufgerichtet,
Gebot sie jetzo weitres Sprechen mir.
- "Durch engres Sieb sei, was du meinst, gesichtet,
Und klarer sei von dir noch dargelegt,
Was dein Geschoß auf solches Ziel gerichtet?" –
- "Durch das, was Weltweisheit zu lehren pflegt,"
Versetzt’ ich, "und durch Himmelsoffenbarung
Ward solche Liebe mir ins Herz geprägt.
- Je mehr ein Gut, soweit es die Erfahrung
Uns kennen lehrt, der Güt’ in sich enthält,
Je stärker gibt’s der Liebesflamme Nahrung.
- Das Wesen drum. So gut, daß, was der Welt
Sich außer ihm noch als ein Gut verkündet,
Ein Strahl nur ist, der seinem Licht entfällt,
- Dies ist es, das die höchste Lieb’ entzündet.
Und wohl erkennt es liebend jeder Geist,
Der jene Wahrheit kennt, die dies begründet;
- Und jener ist’s, der’s der Vernunft beweist,
Der die für alle Göttlichen entglühte
Erhabne Liebesbrunst die erste heißt.
- Er selbst erweckte sie mir im Gemüte,
Der einst zu Moses sprach, der wahre Hort:
Dein Angesicht schau’ alle meine Güte.
- Du prägst sie ein, dein hohes Heroldswort
Beginnend vom Geheimnis dieser Sphären.
Lauter als andres tönt’s auf Erden fort:"
- Da sprach’s: "Nach menschlichen Verstandes Lehren
Und höherm Wort, das beistimmt dem Verstand,
Muß sich zu Gott dein höchstes Lieben kehren.
- Doch fühlst du nicht noch manches andre Band
Zu ihm dich zieh’n? Du sollst mir jedes nennen,
Mit welchem diese Liebe dich umwand."
- Nicht war der heil’ge Wille zu verkennen
Des Adlers Christi, ja, ich sah, wohin
Er mich gelenkt zum weiteren Bekennen.
- Und wieder sprach ich: "Was nur Herz und Sinn
Hinlenkt zu Gott, erzeugt hat’s im Vereine
Die Lieb’, in welcher ich entzündet bin.
- Denn durch des Weltalls Dasein und das meine
Und durch den Tod des, der mich leben macht,
Durch das, was hofft die gläubige Gemeine,
- Und die Erkenntnis, deren ich gedacht,
Bin ich dem Meer der falschen Lieb’ entgangen
Und an der echten Liebe Strand gebracht.
- Die Blätter, die im ganzen Garten prangen
Des ew’gen Gärtners, lieb’ ich auch, je mehr
Des Guten sie aus seiner Hand empfangen."
- Ich schwieg – und durch die Himmel, süß und hehr,
Hört’ ich der Herrin sang und aller klingen,
Erschallend: Heilig, heilig, heilig er! –
- Und, wie wir uns dem schweren Schlaf entringen
Beim scharfen Licht, das unsre Sehkraft weckt,
Wenn uns von Haut zu Haut die Strahlen dringen,
- Und, was er sieht, den jäh Erwachten schreckt,
Der sich noch nicht besinnt, vom Schlafe trunken,
Bis der Verstand die Wahrheit ihm entdeckt;
- So war die Decke meinem Aug’ entsunken
Vor Beatricens Strahlenangesicht,
Auf tausend Meilen streuend Glanzesfunken.
- Drum sah ich klar, wie vorhin nimmer nicht,
Und fragte staunend noch und kaum besonnen,
Nach einem vierten uns gesellten Licht.
- "Aus diesen Strahlen schaut in Liebeswonnen",
Sprach sie, "zum Schöpfer hin der erste Geist,
Des Dasein durch die erste Kraft begonnen."
- Gleichwie der Baum, an dem der Sturmwind reißt,
Den Gipfel beugt, dann, wenn der Sturm vergangen,
Sich wieder hebt, wie innre Kraft ihn heißt;
- So tat jetzt ich, der, als sie sprach, befangen,
Erstaunt, gebückt, jetzt in die Höhe fuhr,
Denn mich erhob nun Sprechlust und Verlangen.
- Ich sprach: "O Frucht, die als die einz’ge nur
Schon reif entstand, o alter Vater, sage
Du dem, was Weib heißt, Tochter ist und Schnur,
- Sag’ an, was ich dich fromm zu bitten wage.
Du siehst ja, welch ein Sehnen mich bewegt,
Und schneller hör’ ich, wenn ich dich nicht frage."
- Wie ein bedecktes Tier sich rückt und regt
Und so die Neigung zeigt, dem nachzurennen,
Der um dasselbe die Verhüllung legt;
- So ließ durch ihre Hülle jetzt erkennen
Die erste Seele, wie so froh sie war,
Mir das, was ich gebeten, tun zu können.
- "Dein Sehnen", weht’ es, "nehm’ ich besser wahr,
Magst du’s auch nicht bekennen und gestehen,
Als du, was noch so sicher ist und klar.
- Im wahren Spiegel kann ich es erspähen,
Der jedes Dinges Bildnis in sich faßt,
Doch seines läßt in keinem Dinge sehen.
- Du fragst: Wieviel der Zeitraum wohl umfaßt,
Seit Gott mich in den hohen Garten setzte,
Aus dem du dich mit ihr erhoben hast?
- Wie lange mir sein Reiz die Augen letzte?
Was eigentlich den großen Zorn erweckt?
Und welche Sprach’ ich mir zusammensetzte?
- Mein Sohn, nicht daß ich jene Frucht geschmeckt,
War Grund des Zorns an sich – daß ich entronnen
Den Schranken war, die mir der Herr gesteckt.
- Mich hat viertausend und dreihundert Sonnen
Und zwei, im Höllenvorhof sonder Qual
Sehnsucht erfüllt nach diesen Himmelswonnen.
- Auch sah ich, daß neunhundertdreißigmal
Zu jedem Sterngebild die Sonne kehrte,
Indes ich lebt’ in eurem Erdental.
- Die Sprache, die ich einst gesprochen, hörte
Schon vor dem Bau auf, der, wie schwach die Kraft
Des Menschen sei, das Volk des Nimrod lehrte.
- Denn was nur irgend die Vernunft erschafft,
Ist, weil die Neigung nach der Sterne Walten
Zu wechseln pflegt, nur wenig dauerhaft.
- Die Sprache habt ihr von Natur erhalten,
Allein so oder so – euch läßt hierin
Sodann Natur nach Gutbedünken schalten.
- Eh’ ich zur Hölle sank, im Anbeginn
Hieß El das höchste Gut, an dem entglommen
Der Glanz, mit welchem ich umkleidet bin.
- Den Namen EIi hat man drauf vernommen,
Weil Menschenbrauch sich gleich den Blättern zeigt,
Von welchen jene gehn, wenn diese kommen.
- Auf jenem Berge, der am höchsten steigt,
Hab’ ich, rein und befleckt, mich sieben Stunden
Von früh, bis wieder sich die Sonne neigt,
- Wenn sie im zweiten Vierteil steht, befunden."
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