- Zur Zeit, da Junos Herz in Zorn geraten
Ob Semeles, in Zorn auf Thebens BIut,
Wie sie so manches Mal gezeigt durch Taten,
- Ergriff den Athamas so tolle Wut,
Daß er, als auf sein Weib der Blick gefallen,
Das jeden Arm mit einem Sohn belud,
- Den wilden Ruf des Wahnsinns ließ erschallen:
"Die Löwin samt den Jungen sei gefaßt!"
Dann streckt er aus die mitleidlosen Krallen;
- Und wie er einen, den Learch, mit Hast
Gepackt, geschwenkt und am Gestein zerschlagen,
Ertränkte sie sich mit der zweiten Last.
- Und als das Glück, das alles kühn zu wagen,
Die stolzen Troer trieb, sein Rad gewandt,
So daß zusammen Reich und Fürst erlagen,
- Und Hekuba, gefangen und verbannt,
Geopfert die Polyxena erblickte,
Und sie ihr Mißgeschick an Thraziens Strand
- Zum Leichnam ihres Polydorus schickte,
Da bellte sie, wahnsinnig, wie ein Hund,
Weil Schmerz den Geist verkehrt’ und ganz bestrickte.
- Doch nichts in Theben ward noch Troja kund
Von einer Wut, die Vieh und Menschen packte,
Wie ich hier sah in diesem zehnten Schlund.
- Ein Paar von Geistern, totenfahle, nackte,
Brach vor, so wie aus seinem Stall das Schwein,
Indem’s auf alles mit den Hauern hackte.
- Der schlug sie in den Hals Capocchios ein
Und schleppt’ ihn fort, und nicht gar sanft gerieben
Ward ihm dabei der Bauch am harten Stein.
- Der Aretiner, der voll Angst geblieben,
Sprach: "Schicchi ist’s, der tolle Poltergeist,
Der solch ein wütend Spiel schon oft getrieben."
- "Wie du geschützt vor jenes Hauern seist,"
Entgegnet’ ich, "so sprich, eh’ er entronnen,
Wer dieser Schatten ist und wie er heißt."
- "Die Myrrha ist’s, die schnöden Trug ersonnen,"
Erwidert’ er, "die mehr als sich gebührt
Vor alter Zeit den Vater liebgewonnen,
- Und die mit ihm das Werk der Lust vollführt,
Weil sie die fremde Form sich angedichtet;
Wie jener, der Capocchio dort entführt,
- Weil Simon ihn durchs beste Roß verpflichtet,
Als falscher Buoso sich ins Bett gelegt
Und so für ihn ein Testament errichtet."
- Als nun die Tollen sich vorbeibewegt,
Ließ ich mein Auge durch die Tiefe streichen
Und sah, was sonst der Schlund an Sündern hegt.
- Der eine war der Laute zu vergleichen,
Hätt’ ihm ein Schnitt die Gabel weggeschafft,
Die jeder Mensch hat abwärts von den Weichen.
- Die Wassersucht, durch schlechtverkochten Saft
Ein Glied abmagernd und das andre blähend,
Die hart den Bauch macht, das Gesicht erschlafft,
- Hielt ihm die beiden Lippen offen stehend,
Die nach dem Kinn, und die emporgekehrt,
Und dem Schwindsücht’gen gleich, vor Durst vergehend.
- "Ihr, die ihr schmerzlos geht und unversehrt,
Wie? weiß ich nicht, in diesen Schmerzenstalen,"
Er sprach’s, "o schaut und merkt und seid belehrt
- Von Meister Adams schreckenvollen Qualen.
Kein Tröpflein, ach, stillt hier des Durstes Glüh’n;
Dort konnt’ ich, was ich nur gewünscht, bezahlen.
- Die muntern Bächlein, die vom Hügelgrün
Des Casentin zum Arno niederrollen
Und frisch und lind des Bettes Rand besprüh’n,
- Ach, daß sie mir sich ewig zeigen sollen,
Und nicht umsonst – mehr, als die Wassersucht,
Entflammt dies Bild den Durst des Jammervollen.
- Denn die Gerechtigkeit, die mich verflucht,
Treibt durch den Ort, wo ich in Schuld verfallen,
Zu größrer Eile meiner Seufzer Flucht.
- Dort liegt Romena, wo ich mit Metallen
Geringern Werts verfälscht das gute Geld,
Weshalb ich dort der Flamm’ anheimgefallen.
- Doch wäre Guido nur mir beigesellt,
Und jeder, der zum Laster mich verführte,
Ich gäbe drum den schönsten Quell der Welt.
- Zwar, wenn der Tolle Wahrheit sagt, so spürte
Er jüngst den einen auf in dieser Nacht.
Doch da dies übel meine Glieder schnürte,
- Was hilft es mir? Hätt’ ich nur so viel Macht,
Um zollweis’ im Jahrhundert vorzuschreiten,
Ich hätte schon mich auf den Weg gemacht,
- Ihn suchend durch dies Tal nach allen Seiten,
Mag’s in der Rund’ auch sich elf Miglien zieh’n,
Und minder nicht als eine halbe breiten.
- Bei diesen Krüppeln hier bin ich durch ihn,
Denn er hat mich verführt, daß ich den Gulden
An schlechterm Zusatz drei Karat verlieh’n."
- Und ich: "Was mochten jene zwei verschulden,
Die, dampfend, wie im Frost die nasse Hand,
Fest an dir liegend, ihre Straf erdulden?"
- Er sprach: "Sie liegen fest, wie ich sie fand,
Als ich hierhergeschneit nach Minos’ Winken,
Und werden ewiglich nicht umgewandt.
- Die ist das Weib des Potiphar; zur Linken
Liegt Sinon mir, berühmt durch Trojas Roß.
Im faulen Fieber liegen sie und stinken."
- Und dieser Letzte, den’s vielleicht verdroß,
Daß Meister Adams Wort ihn so verhöhnte,
Gab auf den harten Wanst ihm einen Stoß,
- Daß dieser gleich der besten Trommel tönte.
Doch in das Angesicht des andern warf
Herr Adam die gleich harte Faust und stöhnte:
- "Ob ich mich gleich nicht fortbewegen darf,
Doch ist mein Arm noch, wie du eben spürtest,
Noch frei und flink zu solcherlei Bedarf."
- "Als du zum Feuer gingst," rief Sinon, "rührtest
Du nicht den Arm schnell, wie er eben war,
Doch schneller, da du einst den Stempel führtest."
- Der Wassersücht’ge: "Darin sprichst du wahr,
Doch stelltest du in Troja kein Exempel
Von einem so wahrhaft’gen Zeugnis dar."
- "Fälscht’ ich das Wort, so fälschtest du den Stempel.
Hier bin ich doch für einen Fehler nur,
Du aber dientest stets in Satans Tempel."
- So Sinon. "Denk’ ans Roß, du Schelm!" so fuhr
Ihn jener an mit dem geschwollnen Bauche,
"Qual sei dir, daß es alle Welt erfuhr."
- "Qual sei dir", rief der Grieche drauf, "die Jauche,
Und blähe stets zum Bollwerk deinen Wanst,
Der Durst, der deine Zung’ in Flammen tauche."
- Der Münzer: "Der du stets auf Lügen sannst,
Dein Maul zerreiße dir für solch Erfrechen!
Wenn du mich dürstend. schwellend sehen kannst,
- So möge Durst dich quälen, Kopfweh stechen.
Sprach’ einer kurz: Sauf aus den ganzen Bach!
Du würdest dessen wohl dich nicht entbrechen."
- Ich horchte stumm, was der und jener sprach,
Da rief Virgil: "Nun, wirst du endlich kommen?
Zu lange sah ich schon der Neugier nach."
- Als ich des Meisters Wort voll Zorn vernommen,
Wandt’ ich voll Scham zu ihm das Angesicht
Und fühle jetzt noch mich von Scham entglommen.
- Wie man im schreckenvollen Traumgesicht
Zu wünschen pflegt, daß man nur träumen möge,
Und das, was ist, ersehnt, als wär’ es nicht;
- So bangt’ ich, daß mir Scham das Wort entzöge;
Entschuld’gen wollt’ ich mich – Entschuld’gung kam,
Indem ich glaubte, daß ich’s nicht vermöge.
- Da sprach mein guter Meister: "Mindre Scham
Wäscht größern Fehler ab, als du begangen,
Darum entlaste dich von jedem Gram;
- Doch wenn wir je zu solchem Streit gelangen,
So denke stets, daß ich dir nahe bin,
Und bleibe nicht daran voll Neugier hangen;
- Denn drauf zu horchen, zeigt gemeinen Sinn."
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